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Das Wichtigste in Kürze:
? Positiv hervorzuheben ist – als Kern der Richtlinie Prozesskostenhilfe – die geplante
Ermöglichung des kostenlosen Zugangs zu einem Verteidiger für einen finanziell
bedürftigen Beschuldigten in bestimmten Verfahrenssituationen zeitlich noch vor der
Möglichkeit zur Erlangung von Verfahrenshilfe.
? Durch die Erweiterung der Bestimmungen über die notwendige Verteidigung im
Jugendgerichtsgesetz, den Ausbau der Jugendgerichtshilfe und die Ergänzung von
Verfahrensgrundsätzen werden aus Sicht der Bundesarbeitskammer neue
Mindeststandards für Strafverfahren unter Beteiligung Minderjähriger geschaffen.
? Den Zielen der Richtlinie wird durch die Schaffung eines verpflichtenden
Qualifikationsnachweises für mit Jugendstrafsachen betraute Richter, Staatsanwälte
und Bezirksanwälte zusätzlich Rechnung getragen.
? Kritisch äußert sich die Bundesarbeitskammer zur geplanten ersatzlosen Streichung
der bisherigen Vermutung der Schutzbedürftigkeit für Beschuldigte, die der
Gerichtssprache nicht hinreichend kundig sind.
? Überdies bedauert die Bundesarbeitskammer, dass im Zuge der geplanten Reform
nicht etwa die Wiedererrichtung des Jugendgerichtshofes erwogen wurde.
Zu den wesentlichen Bestimmungen des geplanten Entwurfs:
1. Umsetzung der Richtlinie Prozesskostenhilfe
Die Umsetzung der Richtlinie Prozesskostenhilfe soll mit dem vorliegenden Entwurf
insbesondere durch Änderungen in der Strafprozessordnung (StPO) erfolgen.
Dadurch soll dem Ziel der Richtlinie Rechnung getragen werden, Mindestvorschriften zu
schaffen, um Verdächtigen und beschuldigten Personen, denen die ausreichenden Mittel zur
Bezahlung eines Rechtsbeistandes fehlen, den Bezug von Prozesskostenhilfe zu
ermöglichen.
Nach derzeit in Österreich geltender Rechtslage ist einem festgenommenen bzw vorgeführten
Beschuldigten auf dessen Antrag noch vor der Möglichkeit des Erhalts von Verfahrenshilfe die
Kontaktaufnahme mit einem Verteidiger zu ermöglichen, wobei ein so einschreitender
Verteidiger vom Beschuldigten aktuell immer selbst zu honorieren ist, dies selbst dann, wenn
dieser finanziell bedürftig ist (vgl § 59 Abs 1 und 4 StPO). Hierbei ist es im Übrigen aktuell
auch ohne Relevanz, ob der Beschuldigte aufgrund einer körperlichen oder geistigen
Beeinträchtigung besonders schutzbedürftig ist.