Bundesministerium für Arbeit
II/B/10 (Internationale und EU-Sozial-
politik im Arbeitsrecht)
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1020 Wien
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2021-
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Europarat; Revidierte Europäische Sozialcharta zu nicht-ratifizierten Bestim-
mungen
Art 2.1 Recht auf angemessene Arbeitszeit und schrittweise Arbeitszeitverkürzung
Österreich hat diese Bestimmung bis heute nicht ratifiziert. Die letzte Bundesregierung hat
ohne wirtschaftliche Notwendigkeit und ohne Einbindung der Sozialpartner im Jahr 2018 sogar
die gesetzlich zulässigen Höchstarbeitszeiten auf 12 Stunden pro Tag und 60 Stunden pro
Woche ausgedehnt. Dies trotz vieler Warnungen aus Medizin und Wissenschaft sowie lan-
ganhaltender öffentlicher Proteste. Mit den neuen Höchstarbeitszeiten belegt Österreich ge-
meinsam mit den Niederlanden laut einer 2019 veröffentlichten Studie von Eurofound – für die
EU und Norwegen – den traurigen ersten Platz. Bei einer durchschnittlich kollektivvertraglich
vereinbarten Jahresarbeitszeit von 1.723 Stunden rangiert Österreich laut Eurofound (Daten
für 2018) etwas über dem EU-28-Schnitt von 1.714 Stunden. Der Vergleich mit wirtschaftlich
ähnlich starken Ländern verdeutlicht den Verkürzungsspielraum Österreichs: So arbeitet man
in Frankreich nur 1.602 Stunden pro Jahr, in Dänemark 1.635, in Schweden 1.655 oder in
Deutschland 1.666 Stunden. Österreichs wirtschaftliche Leistungsfähigkeit bietet eine ausrei-
chende Basis für eine generell kürzere Voll-Arbeitszeit. Denn im Vergleich mit OECD-Ländern
rangiert Österreich seit Jahren unter den besten Zehn bei der Höhe des Bruttoinlandsprodukts
pro Kopf (jüngst verfügbares Jahr 2019: Rang 9). Und der Produktivitätsfortschritt zeigt, dass
in Österreich in den letzten 20 Jahren eine Arbeitsstunde um 26 % ergiebiger und produktiver
geworden ist. Das bedeutet, dass Österreichs ArbeitnehmerInnen im Jahr 2019 in einer Ar-
beitsstunde um mehr als ein Viertel höhere Werte geschaffen haben als noch 1999. Der Ver-
teilungsspielraum für eine umfangreichere Teilhabe der ArbeitnehmerInnen am Wohlstands-
zuwachs kann in Form höherer Löhne bzw Gehälter und/oder kürzerer Voll-Arbeitszeiten aus-
geschöpft werden. Das ist in Zeiten des Finanzbooms der ersten Hälfte der 2000er Jahre nicht
vollständig gelungen, seit 2007 jedoch durchaus. Arbeitszeitverkürzung ist ein wichtiges und