Seite 2
Es darf zu keinen krisenbedingten Diskriminierungen und/oder Verschlechterungen von
Arbeitsbedingungen (sowohl in krisenrelevanten als auch in nicht-krisenrelevanten
Bereichen) aufgrund getroffener Notfallmaßnahmen kommen.
Ohne Berücksichtigung der sozialen Frage wird keine der großen Krisen der Gegenwart
zu bewältigen sein. Daher muss es ein eindeutiges Bekenntnis zur vorrangigen
Bekämpfung von sozialer Ausgrenzung und von Arbeitslosigkeit sowie zur
entsprechenden Berücksichtigung der sozialen Dimension geben, etwa in Gestalt eines
„Europäischen Pakts für sozialen Fortschritt“.
Beim Notfallinstrument ist vorab klar zu definieren, welcher Sachverhalt als Krise einzu-
stufen ist.
Die Einteilung des Notfallinstruments in die drei Risikostufen Eventualmodus, Überwa-
chungsmodus und Notfallmodus ist zu begrüßen, die Aktivierung einer Binnenmarktüber-
wachung und eines Binnenmarktnotfalls über Durchführungsrechtsakte ist aus demokra-
tiepolitischen Überlegungen jedoch abzulehnen.
Die Einbindung der Sozialpartnerschaft in den Krisenstufen durch Mitarbeit in der Bera-
tungsgruppe und Beiziehung in Form von Konsultationen muss auf EU- und nationaler
Ebene sichergestellt sein.
Bei einem Binnenmarktnotfall sind direkte Eingriffe in den Markt und unternehmerische
Entscheidungen nachvollziehbar.
Konsequenzen bei einer Nichtbefolgung werden im Rechtsrahmen kaum angesprochen
und müssen daher noch klar formuliert werden.
Die Position der BAK im Detail
Die Europäische Union ist mit einer nie dagewesenen Fülle an Krisen konfrontiert, die zum
großen Teil auch auf den EU-Binnenmarkt erhebliche Auswirkungen haben. War es ab 2008
die Finanzkrise, die erhebliche Schwächen bei der Binnenmarktphilosophie aufgezeigt hat, so
hat zuletzt die Covid19-Pandemie dazu geführt, dass nationalstaatliches Handeln auch
gegenüber der gesamteuropäischen Versorgungssicherheit in den Vordergrund gerückt ist.
Neue Wege in der Binnenmarktpolitik
In den letzten Jahren haben zahlreiche Krisen auf EU-Ebene gezeigt, dass die bislang
betriebene Binnenmarktphilosophie eine Reihe von Schwächen und Unzulänglichkeiten
aufweist. Es ist deutlich geworden, dass ein Umdenken bei der bisher verfolgten angebots-
und wirtschaftsorientierten Binnenmarktpolitik notwendig ist wie folgende Beispiele zeigen:
Die Finanzkrise ab 2008 machte Hilfsmaßnahmen der öffentlichen Hand alleine zwischen
Oktober 2008 und Dezember 2011 in Höhe von 1.616 Mrd € (Liquiditätsmaßnahmen 1.154
Mrd €, Stützung der Bankensolvenz 442 Mrd €)
notwendig.3
Auf die Rettung des
Finanzsektors folgten durch politische Fehlentscheidungen strikte Sparmaßnahmen, die im
Gegensatz zu anderen Weltregionen zu einer erneuten Rezession und einem Anstieg der
3
Vgl Pressemitteilung der Europäischen Kommission vom 21. Dezember 2012,
https://ec.europa.eu/commission/presscorner/detail/de/IP_12_1444