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Es ist zu begrüßen, dass die Europäische Kommission nun mit mehreren Einzelmaßnahmen
versucht gegenzusteuern. Allerdings zeigt sich durch die Vielzahl von Krisen sehr deutlich,
dass es einer grundlegenden Neuausrichtung des Binnenmarktes bedarf, die sich an Artikel
3(3) des EU-Vertrags, ua mit Vollbeschäftigung, einem ausgewogenen Wirtschaftswachstum
und einer sozialen Marktwirtschaft orientiert und Versorgungssicherheit in der EU
gewährleistet.
Die Vorschläge zum Binnenmarkt-Notfallinstrument
Die BAK begrüßt grundsätzlich Maßnahmen,
die im Notfall im EU-Binnenmarkt zum Tragen
kommen.
Versorgung und Arbeitsplätze
sowie
Wertschöpfungsketten
müssen auch in
Krisenzeiten sichergestellt sein.
Dass das Binnenmarktnotfallinstrument dezidiert ergänzend zu anderen EU-
Rechtsinstrumenten des Krisenmanagements für bestimmte Sektoren oder anderen gezielten
Maßnahmen zu bestimmten Aspekten gestaltet ist, nimmt die BAK positiv zur Kenntnis.
Großer Wert ist in diesem Zusammenhang aber darauf zu legen, dass es zu keinen
Doppelgleisigkeiten oder Unvereinbarkeiten kommt. Der Frage einer optimalen Abstimmung
zwischen den Akteur:innen kommt daher in den jeweiligen Schnittstellenbereichen große
Bedeutung zu.
Streikrecht, arbeitsrechtliche und sozialpolitische Regelungen sichern
Gleich zu Beginn der Positionierung zum Notfallinstrument möchte die BAK auf folgende
grundlegende Problematik des Kommissionsvorschlags
zum Verordnungsvorschlag über
das Notfallinstrument im Binnenmarkt, COM(2022) 459, aufmerksam machen:
Der Notfallrahmen sieht unter anderem das „Einfrieren von Beschränkungen der
Marktfreiheiten“ sowie die „verpflichtete
Meldung geplanter neuer Beschränkungen
durch
die Mitgliedstaaten“ vor. Letzteres offenbar, damit schneller und effektiver die Vereinbarkeit
der geplanten Beschränkungen mit den Marktfreiheiten geprüft werden kann. Da der Begriff
der Beschränkung vor dem Hintergrund der einschlägigen
EuGH-Judikatur
sehr weit
ausgelegt wird, ist damit im Prinzip jede regulierende Vorschrift und somit auch
fast das
gesamte Arbeits- und Sozialrecht erfasst.
In Anbetracht dessen, dass in der Vergangenheit
arbeits- und sozialrechtliche Bestimmungen vom EuGH immer wieder als in Konflikt mit den
Marktfreiheiten stehend beurteilt wurden und zum Teil auch aufgehoben wurden, wäre zu
erwarten, dass dies dann bei einer Stärkung der Marktfreiheiten in noch höherem Ausmaß
geschieht.
Insbesondere das
Streikrecht
und
arbeits- und sozialrechtliche Bestimmungen
würden
damit
schnell unter Druck
geraten. Hinzu kommt die ersatzlose Aufhebung der sogenannten
Erdbeer-Verordnung (über das Funktionieren des Binnenmarktes im Zusammenhang mit dem
freien Warenverkehr zwischen den Mitgliedstaaten, VO 2679/89) durch Art 45 des VO-
Entwurfs, COM(2022) 459. Art 2 dieser Verordnung enthält eine Regelung, wonach diese nicht
so ausgelegt werden darf, dass sie in irgendeiner Weise die Ausübung der in den