56 Bildungserträge
Es wird zwar der Faktor Bildung in einer Fülle von statistischen Interpretationen (z.B. Haushalts-
panels) berücksichtigt, systematische Bezüge zwischen Bildung und der Vielfalt der insgesamt als
Indikatoren für Bildungsertrag diskutierten Variablen findet aber bis dato nur spärlich statt. Insofern
war die Literaturrecherche auch zu einem großen Teil darauf angewiesen, Thesen zu Bildungserträ-
gen implizit aus Literatur der Bildungsforschung bzw. allgemeinen Bildungsökonomie bzw. politi-
schen Zielsetzungen zu erschließen.
Die gesellschaftlichen Funktionen, die Bildung nicht zuletzt aufgrund vorherrschender ökonomischer
Paradigmen, politischer Prioritätensetzung oder auch gesellschaftlicher Wertmuster (siehe Have-
man/ Wolfe) zugeordnet werden, bilden überdies häufig auch die unhinterfragte Grundlage für Hy-
pothesenbildung im Fall von Bildungserträgen. Anders gesagt: Wenn etwa Bildung als möglichst
effiziente Vermittlung marktgerechter skills verstanden wird, wird Bildungsertrag nolens volens an
dieser Zielsetzung gemessen, oder auch der Ertrag von politischer Bildung in
”Demokratiebewusstsein” gesucht werden.
Die Stichhaltigkeit dieser Übertragungen und damit auch postulierter Bildungserträge bleibt im Ein-
zelnen ebenso zu überprüfen wie zu historisieren, letztlich hat sich aber jedes zur Identifikation von
Bildungserträgen herangezogene Item in letzter Konsequenz auch gesellschaftspolitisch zu positio-
nieren, v.a. dahingehend, ob Bildung im Sinn bloßer Qualifikation auf ihre ökonomische Verwertbar-
keit reduziert ist oder zumindest das pädagogische Ziel einer "beruflichen Mündigkeit" im Sinn "von
Selbstreflexion und Reflexion gesellschaftlicher Strukturen und Prozesse" umfasst.175
Symptomatisch erscheint in diesem Zusammenhang, dass ”Bildung” insbesondere in der einge-
sehenen Literatur zur Bildungsökonomie über ihre Rolle als Investition in Humankapital hinaus
großteils nicht weiter definiert wird, abgesehen von einer zumindest teilweise einfließenden Unter-
scheidung zwischen allgemeiner und beruflicher Bildung, formeller und informeller Bildung, wobei
die Bedeutung der Allgemeinbildung in der Diskussion wieder zunehmend präsent ist.176
Dies gilt auch für bildungspolitische Programmatiken, wie sie etwa die Europäische Union forciert,
wenngleich diese notgedrungen neben Wettbewerbsfähigkeit und Innovation auch für soziale Inte-
gration und Chancengleichheit plädieren. Die Mainzer Erklärung als Ergebnis einer EU-Konferenz zu
”Zukunftsfähigkeit durch Weiterbildung in Europa” hält dementsprechend ”Weiterbildung als Beitrag
zur Chancengerechtigkeit” und ”Innovation in der Weiterbildung als Daueraufgabe” fest.177 Auch im
impliziten Bezug auf Schlüsselqualifikationen wird eine entsprechende (allerdings in dieser Formu-
lierung ebenso adaptive - s.o. - Ausrichtung) Breite des Bildungsbegriffs deutlich:
“Moreover, the frequently used operational definition of human capital as ‘skills and know-
ledge acquired in the course of initial education’ neglects other important aspects, not least
non-cognitive or ’cross-curricular’ abilities that are acquired outside formal settings but are
175 nach Tippelt/ van Cleve (1995) , S. 76
176 Lassnig/ Pechar (1992), S. 267, konstatieren dies bereits 1989
177 Mainzer Erklärung (1999), S. 49