24 infobrief eu & international Ausgabe 4 | Oktober 2013
wien.arbeiterkammer.at
Während gemeinsame Anleihen aus
progressiver Sicht als Mittel der So-
lidarität gelten können, stellt sich
die Frage, ob die derzeit diskutierten
Modelle nicht mit Bedingungen kom-
men, die ArbeitnehmerInneninteres-
sen zuwiderlaufen und die Solidari-
tät wiederum untergraben.
Warum Schuldenvergemein-
schaftung? n Vor dem Ausbruch
der aktuellen Krise machten die Fi-
nanzmärkte keinen wirklichen Un-
terschied zwischen den Volkswirt-
schaften der Eurozone. Die Folge
war, dass renditesuchendes Kapital
aus den Zentren mit ihren Export-
überschüssen in die europäische
Peripherie floss und dort zur Bla-
senbildung entschieden beitrug. Mit
dem Ausbruch der Krise gingen die
Zinssätze der Staaten rasant ausei-
nander und trieben gemeinsam mit
den Aufwendungen für die Banken-
rettungen vor allem die südeuropäi-
schen Staaten in die Schuldenkrise.
Die bisher dominante Antwort auf
diese Situation war die verheerende
Sparpolitik, festgeschrieben im Fis-
kalpakt, oder in den „Übereinkünf-
ten“ mit der Troika. Das Ergebnis ist
die schwerste Rezession der Nach-
kriegszeit, die die Staaten der euro-
päischen Peripherie ungleich härter
trifft.
Eine mögliche Antwort um die Macht
der Finanzmärkte gegenüber den
einzelnen Staaten zu schwächen,
besteht in der gemeinsamen Aus-
gabe von Anleihen. Die Grundidee,
anstatt das alle 17 Euro-Staaten
einzeln ihre Anleihen begeben, wer-
den diese zentral als Gemeinschafts-
anleihen ausgegeben. Jeder Staat
würde weiterhin die Schulden, die er
über diese Anleihen aufnimmt inklu-
sive der Zinsen, alleine abbezahlen.
Eine gemeinsame Haftung, wür-
de nur beim Zahlungsausfall eines
Staates schlagend. Dabei handelt
es sich durchaus nicht um eine neue
Idee, allerdings wird sie seit dem Be-
ginn der Eurokrise wieder verstärkt
diskutiert.1 Durch gemeinsame An-
leihen könnten sich alle Staaten zu
den gleichen Zinssätzen verschul-
den. Die Zinsen würden dabei für die
allermeisten Staaten sinken. Dieser
Ansatz kann auch als ein Element
der Solidarität in einer gemeinsamen
Währungsunion gesehen werden.
Die Kritik an diesem Ansatz, wie sie
vor allem aus Deutschland kommt:
Staaten würden die niedrigen Zins-
sätze auf Kosten der anderen Staa-
ten ausnutzen, um sich übermäßig
zu verschulden. Viele der Staaten,
die heute als „Schuldensünder“ an
den Pranger gestellt werden, haben
aber auch vor der Krise, als die Zins-
sätze annähernd gleich waren, ihre
Schuldenstände nicht erhöht und
z.T. sogar stark abgebaut. So lag der
öffentliche Schuldenstand in Spani-
en vor dem Ausbruch der Krise ge-
rade einmal bei 36% des BIP. Erst in
der Krise und nicht zuletzt durch die
Sozialisierung der Verluste der Ban-
ken, stiegen die Schulden auf 84%
2012 des BIP.2
Zu den politischen Argumenten tritt
noch die Frage, ob gemeinsame An-
leihen im Rahmen der bestehenden
Verträge rechtlich möglich wäre,
da das in den Verträgen (Art. 125
AEUV) festgeschrieben Bail-Out-Ver-
bot dadurch verletzt werden könnte.
Ob und welche Modelle unter dieses
Verbot fallen, ist und wird Gegen-
stand von Auseinandersetzungen
sein. Die beiden in der ExpertInnen-
gruppe diskutierten Vorschläge sind
jedenfalls unter der Prämisse ent-
wickelt worden, eine Vertragsände-
rung zu vermeiden.
Schuldentilgungsfonds n Die nun
in der ExpertInnengruppe unter der
Leitung der österreichischen Öko-
nomin Gertrude Tumpel-Gugerell
In Richtung gemeinsame europäische Anleihen
Eurobills und Schuldentilgungsfonds
– eine Lösung für die Eurokrise?
Eurobills und Schuldentilgungsfonds
Anfang Juli 2013 setzte die Europäische Kommission eine ExpertInnenkommission ein,
die sich mit der Durchführbarkeit eines Schuldentilgungsfonds und sogenannten Eurobills beschäftigen
soll. Die Kommission geht damit einen Schritt in Richtung gemeinsame europäische Anleihen.
Martin Konecny
Die bisher dominante
Antwort auf diese
Situation war die
verheerende Sparpolitik,
festgeschrieben
im Fiskalpakt, oder in
den „Übereinkünften“
mit der Troika.
»
Viele der Staaten, die
heute als „Schulden-
sünder“ an den Pranger
gestellt werden, haben
auch vor der Krise ihre
Schuldenstände nicht
erhöht und z.T. sogar
stark abgebaut.