Arbeit&Wirtschaft 1/201334 Schwerpunkt
W
issenschaftsminister Karlheinz
Töchterle war im Frühling 2012
Gast im WIFO-Ökonomen-
club, wo eine von seinem Haus
in Auftrag gegebene Studie zum Thema
Studiengebühren vorgestellt wurde. Für
den Minister waren flächendeckende Ge-
bühren nicht nur vorstellbar, sondern
auch ratsam, da diese seiner Meinung nach
das „Commitment“, die Verbindlichkeit
bzw. den Einsatz für das Studium stark
erhöhen würden. Den Einwurf aus dem
Publikum, dass laut „Studierenden-Sozi-
alerhebung“ etwa 60 Prozent der Studie-
renden im Durchschnitt 20 Stunden pro
Woche arbeiten müssten, um sich ihr Stu-
dium finanzieren zu können, und dass
mehr Zeit fürs Studium das „Commit-
ment“ wohl wesentlich mehr erhöhe als
zusätzliche Belastungen, ließ Töchterle
unbeantwortet. Umso interessanter er-
scheint es, einen genaueren Blick auf eben
jene Studie zu werfen, die, obwohl vom
eigenen Haus beauftragt, dem Minister
ein Dorn in seiner Argumentation sein
dürfte.
44.000 Studierende online befragt
Für die Studierenden-Sozialerhebung
wurden im Sommersemester 2011 mehr
als 44.000 Studierende an allen öffentli-
chen Universitäten, Fachhochschulen
und Pädagogischen Hochschulen vom
Institut für Höhere Studien (IHS) online
befragt. Diese Erhebung umfasste unter-
schiedlichste Bereiche des Studierenden-
alltags, von Studienmotiven und -wahl
über Erwerbstätigkeit unter Studieren-
den und deren finanzielle Schwierigkei-
ten bis hin zu Studieren mit Kind.
Für die Fragestellung „Wer kann wie
in Österreich studieren und mit wie viel
Einsatz?“ finden sich also viele Antwor-
ten auf den über 1.000 Seiten der Erhe-
bung. Einige wenige sollen hier nun ge-
nauer beleuchtet werden.
Soziale Herkunft entscheidend
Die Schulbildung der Eltern sowie deren
soziale und ökonomische Situation sind
in Österreich stark für Bildungswegent-
scheidungen der Kinder verantwortlich
und somit auch dafür, ob ein Studium
aufgenommen wird und welches. Die
soziale Herkunft hat massive Auswir-
kungen auf die persönlichen Rahmen-
bedingungen und vor allem auf die finan-
ziellen Möglichkeiten, unter denen ein
Studium stattfinden kann.
Ein Viertel der inländischen Studien-
anfängerInnen an Unis und Fachhoch-
schulen stammt aus AkademikerInnen-
haushalten. Die Studierwahrscheinlich-
keit für Kinder aus sogenannten „bil-
dungsnahen“ Familien ist also zwei-
einhalbmal höher als für solche aus so-
genannten „bildungsfernen“ Familien,
bei denen weder Vater noch Mutter Ma-
tura haben. Der Faktor ist seit Anfang
der 1990er-Jahre zwar deutlich gesun-
ken – damals war die Wahrscheinlich-
keit sogar viermal so hoch –, allerdings
lässt sich die Annäherung hauptsächlich
durch die Ausweitung des Fachhoch-
schulsektors erklären, dessen soziale Zu-
sammensetzung ausgeglichener ist als
jene an den Universitäten: Studierende
mit Vätern mit mindestens Matura sind
an FHs um den Faktor zwei, an Univer-
sitäten um den Faktor drei gegenüber
der Gesamtbevölkerung überrepräsen-
tiert. Auch im Vergleich mit anderen
europäischen Staaten sind in Österreich
Studierende aus bildungsnahen Schich-
ten unverhältnismäßig stark vertreten.
Erstmals wurden auch Rekrutie-
rungsquoten nach beruflicher Stellung
der Eltern berechnet. Es zeigt sich, dass
besonders beim Beruf des Vaters starke
Unterschiede vorliegen. Die Quoten
von Studierenden, deren Väter Beamte,
Angestellte oder Selbstständige sind, be-
laufen sich auf etwa vier Studienanfän-
gerInnen pro 100 Väter, jene von Arbei-
tern auf lediglich einen/eine AnfängerIn
je 100 Väter – Landwirte schlagen mit
einer Quote von zwei von 100 zu Bu-
che. Diese Struktur findet sich sowohl
an wissenschaftlichen Universitäten als
auch an FHs. Nur Kinder von Landwir-
ten erreichen dort eine ähnlich hohe
Quote wie jene von Angestellten, Beam-
ten etc. Besonders alarmierend ist die
Unterrepräsentanz von Kindern Er-
werbsloser (etwa 0,3:100).
Studium und Job vereinbaren
Über 60 Prozent der Studierenden arbei-
ten während des Semesters, Männer mit
21 Stunden durchschnittlich etwas mehr
als Frauen (18 Stunden), wobei es
große Unterschiede nach Studienfach
gibt. So arbeiten z. B. „nur“ die Hälfte
der MedizinerInnen in einem durch-
schnittlichen Ausmaß von 12 Stunden,
wohingegen 68 Prozent der JuristInnen
auf ein durchschnittliches Stundenaus-
Der Papa wird’s schon richten
Auch ohne Studiengebühren können sich nach wie vor eher Kinder aus begüterten
Haushalten ein Studium in Österreich leisten.
Autorin: Petra Völkerer
Bildungsökonomin der AK Wien