4 Arbeit&Wirtschaft 10/2011Historie
Linkswalzer
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50 Euro kostet der Eintritt
zum Wiener Opernball, etwa ein
Drittel der Bedarfsgerechten Min-
destsicherung. 9.000 Euro legt man
für die günstigste Loge hin, eine Super-
marktkassiererin ar beitet etwa ein halbes
Jahr für dieses Geld.
18.500 bezahlt Baumeister Richard
Lugner für seine Loge im 2. Rang, im
Einzelhandel steht man zehn Monate
für das Geld im Laden – z. B. in der
Lugner-City, wo man vielleicht am
Sonntag „Kino-Mode“ verkauft.
Die Sonntagsöffnung möchte der
verhaltensoriginelle Baumeister, der sich
2011 über einen Umsatz von 143,3
Mio. Euro freuen durfte, sogar am
Europäischen Gerichtshof für Men-
schenrechte einklagen. Ein Menschen-
recht auf Umsatzsteigerung lässt sich
auch mit der Schaffung von Arbeits-
plätzen be gründen.
Erschreckend schamlos
Er wird’s schon brauchen, denn im-
merhin bewirtete er beim Opernball
2013 (nach Redaktionsschluss) nicht nur
Oscar-Preisträgerin Mira Sorvino,
sondern auch Filmlegende Gina
Lollobrigida. Beide Damen wohnen we-
der in Richies Gästezimmer, noch kom-
men sie aus alter Freundschaft. Lugner
wird sie aber trotzdem zum Essen ausfüh-
ren und mit Champagner bewirten. Das
kostet – und bringt auch etwas: PR ist
Mörtels Mörtel für gute Geschäfte.
Vom „diskreten Charme der Bour-
geoisie“ kann man bei Lugner nicht
sprechen, dafür breitet er nur allzu gerne
sein Privatleben mit Katzis, Mausis, Ha-
sis und Bambis in der Öffentlichkeit
aus, getrieben von fast erschreckender
Schamlosigkeit.
Doch das geschieht nicht nur der
reinen Eitelkeit willen – geschicktes
Product-Placement verschaffte dem Star
einer eigenen Fernsehserie so manches
Schnäppchen. Seine Baufirma hat der
Baumeister schon 1997 an seine Söhne
übergeben; so offen er ist, was Persön-
liches angeht, so verschlossen zeigt er
sich, was Geld sachen betrifft. Und ist er
auch der bekannteste „Reiche“ unseres
Landes, zu den reichsten Österreichern
gehört Richard Lugner nicht.
Das sind die beiden Selfmademen
Dietrich Mateschitz und Johann Graf,
Begründer des Glücksspielskonzerns
Novomatic, mit laut Liste des Wirt-
schaftsmagazins Forbes je 5,3 Mrd. Dol-
lar, knapp gefolgt vom relativ frisch
verheirateten Karl Wlaschek und über-
flügelt von den Familien-Clans der Por-
sche, Piëch und Flick. Sie alle schaffen
mehr oder weniger Arbeitsplätze, die
meisten von ihnen sind in diesem Land
groß geworden, sind hier zur Schule ge-
gangen, leben hier, wie laut Report des
Investmenthauses Valluga 72.100 Milli-
onärInnen, die meisten in Wien, Nie-
der- und Oberösterreich. Ihnen gegen-
über stehen eine halbe Million
Menschen, die in Österreich 2012 von
Armut betroffen waren.
Mehr Verteilungsgerechtigkeit
Fakt ist, dass die Reichen reicher wer-
den, während Gewinne und Vermögen
einen sehr geringen Beitrag zum öster-
reichischen Steueraufkommen leisten. In
Österreich stammen nur 1,3 Prozent des
Steueraufkommens aus vermögensbezo-
genen Steuern. In der OECD sind es
durchschnittlich 5,5 Prozent.
Diese Steuern endlich anzuheben,
würde mehr Verteilungsgerechtigkeit
bringen – für unser Land und seine
Menschen. Die Reichen und Super-
reichen könnten sich dennoch weiter
ihre Loge am Opernball leisten. Und
wir uns ein paar unterhaltsame Stunden
im Patschenkino beim alljährlichen
Quotenhit, wo wir sehen, dass reich we-
der schön noch glücklich bedeuten muss
– nicht einmal besonders schlau: Ein
Spektakel, auf das ich wie jedes Jahr sehr
gerne verzichte.
Katharina Klee
Chefredakteurin
Standpunkt
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