Arbeit&Wirtschaft 6/201340 Schwerpunkt
Generation Praktikum
Praktika können den Einstieg ins Berufsleben fördern. Für viele junge Menschen sind
sie jedoch ein weiterer Schritt ins Prekariat.
G
eht es nach Veronika Kronberger,
ist die Generation Praktikum kein
Mythos, sondern drastische Rea-
lität. In der gesamten EU sind
mehrere Millionen junger Menschen als
Praktikantinnen und Praktikanten be-
schäftigt. In vielen EU-Staaten hat sich
ein regelrechter „PraktikantInnen-Ar-
beitsmarkt“ entwickelt. Die Generation
Praktikum ist auch eine Generation des
„Es wird schon irgendwie gehen“.
Späterer Eintritt ins Erwerbsleben
In Zeiten steigender Jugendarbeitslosig-
keit geben sich junge Erwachsene schnel-
ler am Arbeitsmarkt zufrieden. Haupt-
sache arbeiten, egal was und unter wel-
chen Bedingungen. Langfristig kann das
laut Kronberger nicht funktionieren. Die
Vorsitzende der Plattform „Generation
Praktikum“ verweist auf die schwerwie-
genden sozialen und ökonomischen Fol-
gen des wachsenden Praktikum-Daseins.
Schon jetzt haben sich fixe Anstel-
lungen im Vergleich zu den 1990ern um
fünf bis zehn Jahre verschoben. Frauen
bekommen später Kinder und die Kauf-
kraft junger Erwachsener verschiebt sich
entsprechend nach hinten. Es ist frag-
lich, wie lange sich die Wirtschaft den
Wegfall dieser wichtigen Zielgruppe
leisten kann. Mit dem späteren Eintritt
ins Erwerbsleben sind massive Einbu-
ßen bei den Pensionsansprüchen ver-
bunden. Vor allem für Frauen ist diese
Entwicklung ein weiterer Schritt in die
Altersarmut.
Zum besseren Verständnis der Ent-
wicklung einer eigenen Generation ist
ein historischer Vergleich der letzten 30
bis 40 Jahre hilfreich. Mit dem Anstieg
an Maturantinnen und Maturanten so-
wie Studierenden seit Ende der 1970er
sind mehr qualifizierte junge Leute auf
den Arbeitsmarkt geströmt. Ende der
1990er begannen Unternehmen, be-
rufsadäquate Erfahrungen bereits beim
Arbeitseintritt zu fordern. Erfahrungen,
die vielen Studierenden fehlen und nach
ihrer Ausbildung durch Praktika nach-
geholt werden. Der Bologna-Prozess
verschärfte diese Forderungen und
machte Pflichtpraktika zur Vorausset-
zung zahlreicher Studienabschlüsse. Das
Phänomen „Praktikum“ hat sich so seit
den 2000er-Jahren auch in Österreich
etabliert. Die Plattform „Generation
Praktikum“ erforscht dieses Phänomen
und betreibt Lobbying mit dem Ziel,
bessere Arbeitsbedingungen für Prakti-
kantinnen und Praktikanten zu erzielen.
Bei ihrer Gründung im Jahr 2006 gab es
weder statistisches Datenmaterial noch
arbeitsmarktpolitische Studien über de-
ren Situation. Seither wurde einiges
dazu publiziert.
Was ist ein Praktikum?
Der Überblick über die Lage in Öster-
reich bleibt jedoch unbefriedigend. Die
Schwierigkeit liegt unter anderem darin,
Praktika zu klassifizieren. Sprachlich wird
meistens nicht zwischen Volontariat, Fe-
rialjob, Pflichtpraktikum oder Trainee-
ship unterschieden. Aus rechtlicher Sicht
sind die Unterschiede jedoch gravierend.
Ob es sich um ein Praktikum handelt und
wenn ja, um welches, ist weniger von der
Vereinbarung zwischen ArbeitgeberIn
und PraktikantIn abhängig als von der
tatsächlichen Ausgestaltung der Beschäf-
tigung.
Ausbildungs- oder Arbeitsverhältnis?
Praktika können in Österreich als Ar-
beitsverhältnisse im Rahmen einer befris-
teten Anstellung oder als Ausbildungs-
verhältnisse gestaltet sein. Im Falle eines
Ausbildungsverhältnisses besteht weder
Anspruch auf Bezahlung, noch gilt das
Arbeitsrecht. Diese Form von Praktika
liegt vor, wenn keine Arbeitspflicht, kei-
ne persönliche Abhängigkeit, keine fixen
Arbeitszeiten und keine Eingebunden-
heit in den betrieblichen Arbeitsprozess
bestehen. Zudem muss der Ausbildungs-
zweck gegenüber der Arbeitsleistung
überwiegen.
Der springende Punkt ist laut Kron-
berger, dass Praktika zunehmend ihren
Ausbildungscharakter verlieren und
faktisch Arbeitsverhältnisse sind, ohne
rechtlich als solche gehandhabt zu wer-
den. Praktikantinnen und Praktikanten
arbeiten häufig unter schlechten Bedin-
gungen, ohne Kranken- und Sozialver-
sicherung und in Form von Ketten-
Praktika. Die Chancen auf reale
Beschäftigung sind gering.
Die Arbeitsbedingungen hängen
von der Form des Praktikums und der
Branche ab. Pflichtpraktika in Schulen
sind besser geregelt als Praktika von Stu-
dierenden und Graduierten. Besonders
problematisch erweisen sich einzelne
Branchen wie im Sozial- und Gesund-
heitsbereich, bei zivilgesellschaftlichen
Irene Steindl
Freie Journalistin