Arbeit&Wirtschaft 6/20138 Interview
Arbeit&Wirtschaft: Sascha Ernszt, du
wurdest im April dieses Jahres zum neu-
en Vorsitzenden der Österreichischen
Gewerkschaftsjugend (ÖGJ) gewählt.
Mit 25 Jahren gehörst du zu den soge-
nannten „Digital Natives“, den jungen
„Eingeborenen“ in der digitalen Welt,
groß geworden mit Mobiltelefon und
Computer. Wann war heute Früh dein
erster Griff zum Handy?
Sascha Ernszt: Ich habe es heute vom
Stecker runtergenommen und erst in der
Arbeit das erste Mal angeschaut. Wenn
wie heute meine Freundin bei mir schläft,
ist es mir wichtiger, mit ihr zu reden, der
Griff zum Handy kommt früh genug.
Mir ist auch wichtig, dass das Handy
nicht neben dem Bett liegt. Wenn ich
schlafe, schlafe ich und das ist meine Zeit.
Untertags schaue ich eh genug drauf. Ich
kann aber auch abschalten – wenn ich
am Berg bin, bin ich eben nicht erreich-
bar. Ich versuche mir da Zeiten der Abs-
tinenz einzurichten.
Wie war deine Politisierung?
Ich habe die HTL in der zweiten Klasse
abgebrochen und bin dann zur Firma
Siemens gekommen. Das war ein ein-
schneidender Moment, an den ich gerne
zurückdenke. Am ersten Arbeitstag wur-
den wir am Eingang abgeholt und in die
Lehrwerkstätten gebracht. Ich dachte da-
mals: „Das ist eigentlich genau das, was
du nie in deinem Leben machen wolltest,
eine Lehrausbildung.“ Dann war es ret-
tender Anker und meine letzte Chance.
Weil ich der Älteste in meiner Gruppe
war, sind die anderen oft zu mir gekom-
men: „Sascha, frag du nach, mach du das
…“ Ich habe mich einfach getraut zu fra-
gen, ob wir Pause machen können, früher
Schluss oder solche Dinge.
Nach den ersten zwei Wochen ha-
ben sich Gewerkschaft und Betriebsrat
bei uns Lehrlingen vorgestellt. Wir wa-
ren damals ca. 40 Lehrlinge und beka-
men die Mitgliedsanmeldung. Da habe
ich mir schon gedacht: „He, die wollen
Geld von mir.“ Es wurde uns zwar
viel erklärt, aber irgendwie war nichts
greifbar.
Bei der Gewerkschaftsanmeldung
haben mich alle gefragt: „Unter-
schreibst du das? Wenn du nicht unter-
schreibst, unterschreib ich auch nicht.“
Am Anfang haben wir uns irgendwie
gewehrt. Aber dann habe ich mir ge-
dacht, die machen sicher etwas Gutes
für uns, aber schauen wir uns das ein-
mal genauer an. Eine Woche später
wurde ich zum Gruppensprecher ge-
wählt und dann schließlich Jugendver-
trauensrat. PRO-GE-Jugendsekretär
Christian Illitz war übrigens mein Vor-
gänger dort. Ein Kollege wurde Vorsit-
zender, ich Stellvertreter. Der war auch
in seiner Heimat im Burgenland par-
teipolitisch engagiert. Wir haben viel
gelernt und er war in manchem ein
Vorbild. Ich war immer Nummer zwei
oder drei – also eine Position, in der
man viel bewegen kann, aber sich auch
noch von den anderen was abschauen.
Interessanterweise hat mein Vater,
der verstorben ist, als ich eineinhalb
Jahre alt war, denselben Weg einge-
schlagen: Er war Betriebsrat bei Sie-
mens. Ich habe mir während der Lehre
gedacht, dass ich mich nicht blöd auf-
führen sollte, weil mein Vater auch in
dieser Firma gearbeitet hat. Irgend-
wann hat dann meine Mutter im Ver-
lauf meines Weges gesagt: „Unglaub-
lich, du bist wie dein Papa, obwohl du
ihn kaum kennengelernt hast.“ Das
fasziniert sie bis heute.
Ich weiß nicht, ob Hilfsbereitschaft
angeboren ist. Ich habe mich nie ge-
scheut, zu einem Ausbilder hinzugehen
und zu sagen: „Das passt so nicht.“ Ich
habe vielleicht auch die richtige Art ge-
habt, bin freundlich geblieben. Die
Ausbilder haben außerdem gut reagiert:
„Passt, mir dir kann man wenigstens
reden – wir regeln das gemeinsam.“
Und dann hast du beschlossen, dieses
Talent für die ÖGJ einzusetzen?
Zur ÖGJ bin ich eigentlich nicht wegen
des Gewerkschaftsgedankens gekommen.
Das hat sich bei mir erst später gefestigt.
Als ich bei den ersten Gewerkschaftssit-
zungen war, bin ich vor allem wegen der
coolen Leute hingegangen. Da sind
Es geht um die Gemeinsamkeit
ÖGJ-Vorsitzender Sascha Ernszt über die jungen Leute von heute, Mitglieder-
werbung, Schulabbruch und Ausbildungsgarantie.
Z u r p e r s o n
Sascha Ernszt
Geboren: 7. April 1988 in Wien
Erlernter Beruf: Elektroenergie-
techniker
Gewerkschaftliche Funktionen:
2007–2011 Jugendvertrauensrat
bei Siemens AG,
seit 2011 Betriebsrat Siemens AG
seit 2009 Landesjugendvorsitzender der PRO-GE Wien
seit 2009 stv. Bundesjugendvorsitzender PRO-GE
seit 2013 Bundesvorsitzender der ÖGJ
seit 2013 Mitglied des ÖGB-Vorstands