Arbeit&Wirtschaft 9/201342 Wirtschaft&Arbeitsmarkt
I
nternationale Standortvergleiche gibt
es mittlerweile wie Sand am Meer. Al-
lein in der letzten Oktoberwoche gin-
gen mindestens drei davon durch die
Medien, darunter Doing Business (DB),
eine Bewertung der regulatorischen Rah-
menbedingungen für Unternehmen durch
die Weltbank. Die WKÖ erfasst in ihrem
Monitoring Report an die 150 solcher
Reihungen. Sie reichen vom simplen Ver-
gleich der Pro-Kopf-Einkommen bis hin
zu den „Flagschiffen“ Global Competi-
tiveness Index (GCI) des WEF und World
Competitiveness Scoreboard (WCS) des
IMD. Diese versuchen auf Basis von 121
bzw. 246 Indikatoren quer durch den wirt-
schaftsrelevanten Gemüsegarten die „Ge-
samtheit der Institutionen, Politiken und
Faktoren, die ein Land langfristig sein
Produktivitätsniveau erhalten lassen“
(GCI) – kurz: seine „Wettbewerbsfähig-
keit“ – zu erfassen und für 148 bzw.
60 Staaten zu vergleichen.
Vielzahl an methodischen Schwächen
Methodische Schwächen und Ungereimt-
heiten finden sich in diesen Rankings
zuhauf und wurden wiederholt von kriti-
schen ÖkonomInnen aufgezeigt, etwa
schon 1997 von Christian Bellak und
Richard Winklhofer, und zuletzt von
Miriam Rehm auf blog.arbeit-wirtschaft.
at. Neben dem grundsätzlichen Vorbehalt,
dass die Umlegung des Leitmotivs Wett-
bewerbsfähigkeit von der einzelbetriebli-
chen auf die volkswirtschaftliche Ebene
neoliberalen Ursprungs ist, also eine ideo-
logische Wurzel hat, betonen sie auch die
Schwierigkeiten bei der Bestimmung der
wirklich relevanten Indikatoren für diese
Wettbewerbsfähigkeit und ihrer empiri-
schen Abbildung, die auch durch theore-
tisch unterfütterte Berechnungsmetho-
den, wie sie in den Berichten zweifellos
angewendet werden, nicht gelöst werden
können.
Selbst wenn man diese und andere
Bedenken beiseite wischt und den Stand-
ortvergleichen eine gewisse Aussagekraft
über die Perspektiven der von ihnen un-
ter die Lupe genommenen Volkswirt-
schaften zubilligen will, stößt man sehr
bald auf weitere Fragwürdigkeiten. Zual-
lererst springt kritischen BetrachterInnen
die Diskrepanz zwischen dem Anspruch,
Aussagen über langfristige Entwicklungs-
potentiale zu treffen und der Wirklich-
keit der medialen Präsentation, die auf
Momentaufnahmen beschränkt bleibt,
ins Auge. Dass dabei die öffentliche
Wahrnehmung der Berichte nicht über
Irrelevantes wie „Österreich gegenüber
dem Vorjahr um zwei Plätze zurückge-
fallen“ hinausgeht und daraus bereits ein
„Absandeln“ des Wirtschaftsstandortes
konstruiert wird, liegt sicherlich auch an
den Gesetzmäßigkeiten des modernen
Medien- und Politikbetriebes. Diese Re-
duktion auf leicht verdauliche und ver-
kaufbare Häppchen ist aber bereits in
Struktur und Aufmachung der Berichte,
die zwar jährlich einen Wust von Quer-
schnittsdaten anbieten, im zeitlichen
Längsschnitt aber bestenfalls zwei bis
drei Jahre zurückblicken, angelegt. Allein
durch einen längerfristigen Rückblick
werden die meisten der vermeintlichen
Triumphe und Tragödien, die diese Ran-
kings dem Wirtschaftsstandort Österrei-
ch in den letzten Jahren beschert zu ha-
ben scheinen, auf den Rang eines
Strohfeuers zurechtgerückt. Im GCI
etwa hatte Österreich im Jahr 2005 ein
dramatisches Abrutschen um vier Plätze
hinzunehmen und kletterte dafür in den
folgenden drei Jahren um insgesamt sie-
ben Ränge hinauf. Der aktuelle Rang
(16) liegt knapp am Zehnjahresdurch-
schnitt von 17. Gleiches gilt für die Plat-
zierungen in einer EU-internen Wertung
(aktuell 7.). Auch die hier von Österreich
erreichte Benotung hat schon ihre Hö-
hen und Tiefen erlebt und ist im Mo-
ment wieder historisches Mittelmaß. Der
Eindruck, dass oft viel Lärm um nichts
gemacht wird, wird auch vom jüngsten
DB-Bericht, in dem Österreichs Platzie-
rungen sowohl global (30. Platz) wie
auch innerhalb der EU (11.) im langjäh-
rigen Durchschnitt liegen, bestätigt.
Verloren trotz Verbesserungen?
Mehr zum Nachdenken gibt auf den ers-
ten Blick die Botschaft des WCS. Hier hat
Österreich seit 2007 kontinuierlich an
Boden verloren und ist von Rang 11 auf
23 zurückgefallen. Zurückzuführen ist
dies zum größten Teil auf einen von vier
„Competitiveness Factors“ der zweiten
Ebene, der „Government Efficiency“, wo
der heimische Wirtschaftsstandort um
ganze 27 Plätze auf den 37. abgerutscht
ist. Wer dieses Ergebnis nicht als Abbild
eines allerorten beklagten politischen Still-
standes für plausibel hinnimmt, stößt al-
lerdings auf einige Eigentümlichkeiten.
Wie „abgesandelt“
ist der Standort Österreich?
Anmerkungen zur Fundiertheit von Standortrankings.
Robert Stöger
Mitarbeiter der Sektion „Koordination“
im Bundeskanzleramt und zuständig
für wirtschaftspolitische Analysen.