Arbeit&Wirtschaft 1/201432 Schwerpunkt
Transatlantische Partnerschaft
der Konzerne?
Das Handels- und Investitionsabkommen ( TTIP) birgt Gefahren.
F
ür die Europäische Kommission
soll es das Prestigeprojekt der Au-
ßenhandels- und Investitionspoli-
tik der EU werden. Seit Beginn der
Diskussionen um ein umfassendes tran-
satlantisches Handels- und Investitions-
abkommen zwischen der Europäischen
Union und den USA, über das seit Juli
2013 verhandelt wird, rührt die Brüsseler
Behörde die Werbetrommel: Der Abbau
überflüssiger Hindernisse für Handel und
Investitionen über den Atlantik werde die
Wirtschaft ankurbeln und Millionen neu-
er Jobs schaffen. Doch trotz der wohl-
klingenden Versprechungen werden die
Kritik an den intransparenten Verhand-
lungen und die geäußerten Bedenken zu
den Verhandlungsinhalten nicht leiser.
Im Gegenteil: Immer mehr kritische
Stimmen – nicht zuletzt seitens der Ar-
beitnehmerInnenvertretungen – melden
sich zu Wort, die im Zuge des Handels-
paktes Deregulierung von wichtigen
Standards und Regeln sowie privilegierten
Schutz für transnationale Konzerne be-
fürchten. Der Kampf um die Deutungs-
hoheit hat daher längst begonnen.
Bisher drei Verhandlungsrunden
Worum geht es also bei den Verhandlun-
gen zur transatlantischen Handels- und
Investitionspartnerschaft (TTIP) und
welche Gefahren bergen die Verhandlun-
gen? Bislang haben die VertreterInnen der
EU-Kommission und der US-Regierung
drei Verhandlungsrunden hinter sich ge-
bracht. Auf dem Programm stehen die
weitreichende Liberalisierung des Han-
dels mit Industriegütern, landwirtschaft-
lichen Gütern und Dienstleistungen und
der Vergabe öffentlicher Aufträge sowie
die Verbesserung des Marktzugangs und
des Schutzes ausländischer Investitionen.
Auch der Schutz geistiger Eigentums-
rechte soll mit dem Abkommen voran-
getrieben werden.
Fragwürdige Wachstumsversprechen
All das soll laut einer von der EU-Kom-
mission in Auftrag gegebenen Studie in
einem Zeitraum von zehn Jahren zu ei-
nem Anstieg der Wirtschaftsleistung
(BIP) in der EU von 0,5 Prozentpunkten
führen – im optimistischen Szenario. Für
das realistischere „weniger ambitionierte“
Szenario bleiben lediglich 0,27 Prozent-
punkte übrig, was einem jährlichen BIP-
Anstieg in diesem Zeitraum von nüch-
ternen 0,027 Prozentpunkten ent-
spricht.1 Von einer aussagekräftigen
Prognose sind diese minimalen Zahlen
ebenso weit entfernt wie vom versproche-
nen Wirtschaftsmotor. Doch selbst diese
Ergebnisse sind aufgrund der fragwürdi-
gen Annahmen, die den verwendeten
ökonomischen Modellen zugrunde lie-
gen, mit Vorsicht zu genießen.
Im Vergleich zu den zu hinterfra-
genden volkswirtschaftlichen Effekten
sehen die Interessen der Unternehmen
ungleich handfester aus. Da die durch-
schnittlichen Zölle zwischen der EU
und den USA in den meisten Sektoren
ohnehin relativ niedrig sind, liegt der
Schwerpunkt der Liberalisierungsbemü-
hungen auf den sogenannten nicht-
tarifären Handelshemmnissen. Hierbei
geht es vor allem um Unterschiede bei
Regulierungen sowie Produkt- und Ver-
fahrensstandards in den beiden Wirt-
schaftsräumen, die aus der Sicht der
VerhandlerInnen „unnötige“ Kosten für
Unternehmen erzeugen. Dies reicht
etwa von unterschiedlichen Sicherheits-
und Abgasnormen in der Autopro-
duktion und Testerfordernissen von
Medikamenten über abweichende Re-
gulierungen von Chemikalien bis hin zu
Unterschieden bei Lebensmittelstan-
dards. Auf das bevorstehende Feilschen
um Harmonisierung oder gegenseitige
Anerkennung von unterschiedlichen
Regeln haben sich Großunternehmen
und ihre Lobbygruppen auf beiden Sei-
ten des Atlantiks bereits mit umfang-
reichen Forderungen vorbereitet. Zu
befürchten ist, dass wichtige Schutzbe-
stimmungen für ArbeitnehmerInnen,
Konsumentinnen und Konsumenten
sowie Umwelt ins Fadenkreuz der Dere-
gulierung fallen werden.
In vielen Bereichen könnten die in
den beiden Wirtschaftsräumen vorherr-
schenden Regulierungsansätze kaum
unterschiedlicher sein. Besonders der
Lebensmittelbereich ist hochsensibel,
hier waren die transatlantischen Bezie-
hungen bereits bisher von Handelsstrei-
tigkeiten geprägt. So sind beispielsweise
in den USA – im Gegensatz zur EU –
der Einsatz von Wachstumshormonen
bei Rindern und der Verkauf von Gen-
technik-Produkten ohne Kennzeich-
nung erlaubt.
Nikolai Soukup
Abteilung EU und Internationales, AK Wien
1 Theurl, Simon (2014): Transatlantic Trade and Investment Part-
nership (TTIP). Eine kritische Orientierungshilfe zur wirtschaftli-
chen Folgenabschätzung des Handels- und Investitionsabkom-
mens zwischen der EU und den USA.