Arbeit&Wirtschaft 1/2015 33Schwerpunkt
tern und Dienstleistungen dem Diskri-
minierungsverbot zu unterwerfen. Vor-
arlberg und Wien haben inzwischen den
Diskriminierungsschutz bei allen Grün-
den angeglichen, nur in Niederöster-
reich gibt es bis heute beim Zugang zu
Gütern und Dienstleistungen nur einen
Schutz aufgrund der ethnischen Zuge-
hörigkeit und des Geschlechts.
Einzelfall oder System?
Diese Hierarchisierung – also der unter-
schiedliche Diskriminierungsschutz und
die Verbesserungen der rechtlichen Situ-
ation – erfolgt gerade auf Bundesebene
vielfach nur auf Druck von außen. Das
ist im Fall des Antidiskriminierungs- und
Gleichstellungsrechts oder beim passiven
Wahlrecht für Drittstaatsangehörige (das
aufgrund eines EuGH-Urteils seit 2006
besteht) die EU. Bei der Gleichstellung
homosexueller Menschen oder beim Ab-
bau von Diskriminierungen gegenüber
transsexuellen Menschen mussten natio-
nale Gerichte oder der Europäische Ge-
richtshof für Menschenrechte ein Macht-
wort sprechen. Fazit: Ohne den Druck
der EU hätte Österreich wohl keinen so
weitgehenden Diskriminierungsschutz
eingeführt.
Der EuGH betonte schon lange,
dass die Europäische Menschenrechts-
konvention zur gemeinsamen Verfas-
sungstradition der Mitgliedstaaten ge-
höre. Deshalb berief er sich in vielen
Urteilen auf diese Grundrechte. Trotz-
dem wurde immer wieder ein eigener
Grundrechtskatalog der EU gefordert.
Schließlich wurde ein Konvent mit des-
sen Erarbeitung beauftragt. Die Grund-
rechtecharta (GRC) wurde bereits im
Jahr 2000 feierlich proklamiert, sie trat
aber erst am 1. Dezember 2009 in
Kraft. Überwiegend fasst sie bereits be-
stehende Grundrechte zusammen. Sie
enthält einen eigenen Teil Gleichheit.
Dieser enthält das Gebot der Gleichheit
vor dem Gesetz, eine Bekräftigung der
Kulturen, Religionen und Sprachen
und spezielle Artikel zur Gleichheit von
Männern und Frauen und zu den Rech-
ten von Kindern, älteren Menschen
und Menschen mit Behinderungen.
Die GRC ist immer anwendbar, wenn
EU-Recht im Spiel ist, egal wer dieses
anzuwenden hat.
Art. 21 verbietet Diskriminierungen
aufgrund aller sieben oben genannten
Gründe, ergänzt aber noch Hautfarbe,
soziale Herkunft, genetische Merkmale,
Zugehörigkeit zu einer nationalen Min-
derheit.
Insbesondere der Art. 21 GRC hat
Hoffnungen geweckt. Wird der europa-
rechtliche Diskriminierungsschutz aus-
gebaut? Kann daraus etwas für die Ar-
mutsbekämpfung abgeleitet werden?
Was bedeutet diese Bestimmung bei
chronischen Krankheiten, die genetisch
bedingt sind?
Die Debatten um die Auswirkun -
gen der GRC dauern noch an. Inzwi-
schen hat sich bezüglich Art. 21 GRC
Ernüchterung durchgesetzt. Es handelt
sich nach überwiegender Meinung um
eine Unionszielbestimmung, die einzel-
nen Menschen keine durchsetzbaren
Rechte verleiht. Es ist aber nicht zu
leugnen, dass die GRC den Stellenwert
der Grundrechte gestärkt hat. Das ist
unter anderem ein Verdienst der in
Wien ansässigen EU-Grundrechteagen-
tur (FRA).
Abschließend lässt sich sagen, dass
das Europarecht die Initialzündung für
die österreichische Gleichstellungs- und
Antidiskriminierungspolitik war. Die
Richtlinien stärkten auch die österrei-
chische Zivilgesellschaft, der bei der Un-
terstützung von Diskriminierungsop-
fern und bei der Rechtsdurchsetzung
eine bedeutende Rolle zukommt.
Lücken
Im Jahr 2008 präsentierte die Europäi-
sche Kommission den Vorschlag einer
Richtlinie, um die Lücken des Diskrimi-
nierungsschutzes außerhalb der Arbeits-
welt zu schließen. Leider blockieren ei-
nige große Staaten – allen voran Deutsch-
land – die Verabschiedung. Derzeit sind
Impulse daher eher von der UNO zu er-
warten. Insbesondere die Konvention
über die Rechte von Menschen mit Be-
hinderungen (CRPD) hat zu weitrei-
chenden Diskussionen geführt. Auch in
diesem Fall wartet Österreich in vielen
Bereichen auf Kritik und Anregungen
von außen.
Internet:
Klagsverband zur Durchsetzung der Rechte
von Diskriminierungsopfern:
www.klagsverband.at
Schreiben Sie Ihre Meinung
an den Autor
volker.frey@klagsverband.at
oder die Redaktion
aw@oegb.at
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Erst die EU gab den entscheidenden Anstoß für
das Verbot von Diskriminierungen in Österreich.