Arbeit&Wirtschaft 10/2015 43Neues aus der SOZAK
Leben in den Betrieben auch gut an-
wenden können“, sagt Georg Sever von
der SOZAK-Lehrgangsleitung. Gerald
Mjka, Betriebsratsvorsitzender des Wie-
ner Krankenhauses Zum Göttlichen
Heiland, erinnert sich gerne an die stres-
sige, aber sehr lehrreiche Zeit zurück.
„Die Zeit während des Praxisfalls war
sehr intensiv. Wir erhielten die Auf-
gaben am Ende unserer Ausbildung, in
einer Phase, in der wir alle schon recht
müde waren. Der Praxisfall war sehr
fordernd und verlangte unsere gesamte
Konzentration, vor allem, wenn es
um Organisation und Kommunikation
ging.“
Interviews und Bilanzanalysen
Im Rahmen des Praxisfalles wurden die
TeilnehmerInnen in verschiedenste
Gruppen eingeteilt, die jeweils Betriebs-
ratskörperschaften des fiktiven Betriebs
Hoizhittn GmbH darstellen. In diesem
konkreten Fall sollte die Hoizhittn
GmbH als Unternehmensstandort in der
strukturschwachen Region Retz trotz gu-
ter Umsätze und Gewinne geschlossen
werden.
Die Belegschaft, dargestellt von Bri-
gitte Daumen, Georg Sever, Brigitte
Hons von der GPA-djp-Bundesrechts-
abteilung sowie Markus Oberrauter von
der Abteilung Betriebswirtschaft der Ar-
beiterkammer Wien, stellte konkrete
Anfragen, auf die die BetriebsrätInnen
augenblicklich reagieren mussten. Bei
den Anfragen ging es um Entlassungen,
Kündigungen, Anfragen von Karenzier-
ten, Bilanzanalysen oder um die korrek-
te Abhaltung von Betriebsratssitzungen
sowie Betriebsversammlungen. Auch
mussten die TeilnehmerInnen Inter-
views simulieren, die sie verschiedensten
Medien geben mussten. Hier wurden sie
von Barbara Trautendorfer von der
PRO-GE-Medienabteilung und Corne-
lia Breuß von der Abteilung Service und
Information der Arbeiterkammer Wien
trainiert.
Daneben mussten sie auch mit der
Personalchefin, die von Helga Fichtin-
ger aus der GPA-djp dargestellt wurde,
sowie mit der Geschäftsführung, ge-
spielt von Heinz Leitsmüller, Leiter der
Betriebswirtschafts-Abteilung der AK
Wien, Sozialplanverhandlungen führen.
Die Geschäftsführung wurde zudem
noch von einem Rechtsanwalt (aka
Silvia Hruska-Frank von der Abteilung
Sozialpolitik der AK Wien) unterstützt,
sodass auch noch das Rechtswissen
der SOZAK-TeilnehmerInnen abge-
prüft wurde.
Gerald Mjka und seine KollegInnen
sahen sich plötzlich mehreren Heraus-
forderungen gegenüber, die sie bewälti-
gen mussten. So mussten sie innerhalb
kürzester Zeit eine Team- und Kommu-
nikationsstruktur aufbauen. „Wir wuss-
ten nicht, wie lange das dauert und wel-
che Ausmaße der Fall annimmt, daher
war es sehr schwer für uns“, sagt Mjka.
„Es war die größte Herausforderung, ein
Team und eine Struktur aufzubauen,
damit alles reibungslos funktioniert.
Zudem mussten wir Entscheidungspro-
zesse festlegen und durchhalten.“
Um den Schwierigkeitsgrad zu erhö-
hen, wurden auch spezielle Situationen
mit MitarbeiterInnen simuliert – was
passiert mit Mitarbeiterinnen, die in
Karenz sind? Eine Herausforderung war
der Fall von „Rolli Wiel“, einem Mitar-
beiter mit einer Behinderung und ver-
minderten Erwerbsfähigkeit von 80
Prozent. Er hätte nur noch zwei Jahre
bis zur Pension und wäre bereit, bei ei-
ner eventuellen Weiterbeschäftigung auf
Teile seiner Abfertigung zu verzichten
… „Es war eine Herausforderung, auch
die individuellen Sorgen der Arbeitneh-
mer genauso ernst zu nehmen und nicht
untergehen zu lassen“, sagt Mjka.
Strategien entwickeln
Georg Sever erklärt die Schwierigkeiten
der Übung so: „Neben der Beantwortung
inhaltlicher Fragestellungen mussten in
vielen Bereichen Strategien entwickelt
werden. Was kann zum Beispiel von ein-
zelnen Themenverantwortlichen alleine
entschieden, aber was in der Gruppe rück-
besprochen werden? Welche Vorgangs-
weise wählt man bei der Beschaffung von
Informationen? Wie legt man die Kom-
munikation mit den Medien an? Welche
Strategie verfolgt die Körperschaft bei der
Verhandlung mit der Personalchefin? Wie
gehe ich strategisch beim Gespräch mit
dem Geschäftsführer vor?“
Nach jeder Übungs- bzw. Verhand-
lungssequenz sowie den jeweiligen Me-
dieninterviews wurde eine Feedback-
runde eingelegt, in denen die Fachex-
pertInnen mit den TeilnehmerInnen
deren Vorgangsweisen besprachen. Sie
hoben ihre Stärken, aber auch ihre
Schwächen hervor und gaben Ratschlä-
ge, wie sie die Schwächen ausgleichen
konnten.
Zudem wurden Praxistipps und
Tricks für Verhandlungen und Inter-
views vermittelt. „Außerdem wurde im-
mer darauf hingewiesen, wo Betriebsrä-
tInnen und GewerkschafterInnen in der
Praxis mit derartigen Situation konfron-
tiert sind“, ergänzt Georg Sever. Gerald
Mjka ist froh und dankbar, die Möglich-
keit gehabt zu haben, ein Worst-Case-
Szenario durchspielen zu können. „Der
ganze Prozess war hervorragend aufge-
baut. Wir wuchsen in unsere Rollen hi-
nein und konnten uns letztendlich mit
ihnen sogar voll und ganz identifizieren.
Herzlichen Dank an die Organisatoren,
die so etwas Großartiges auf die Beine
gestellt haben.“ Vielleicht geht Mjkas
Wunsch noch in Erfüllung: dass der Pra-
xisfall nicht nur fix in den SOZAK-
Lehrplan integriert, sondern auch sepa-
rat gelehrt wird.
Schreiben Sie Ihre Meinung
an die Autorin
maja.nizamov@gmx.net
oder die Redaktion
aw@oegb.at
I N F O & N E W S
Die TeilnehmerInnen der Sozialakade-
mie der Arbeiterkammer (SOZAK) arbei-
ten im Zuge des Lehrgangs jedes Jahr
in Kleingruppen an von den Gewerk-
schaften beauftragten Projektarbeiten
zu unterschiedlichen gewerkschaftspo-
litisch relevanten Themen. Betriebsrä-
tInnen, GewerkschaftssekretärInnen so-
wie Interessierte können diese Projekt-
arbeiten unter www.ichwardabei.at
downloaden oder im ÖGB-Verlag bestellen
(Michael Musser, +43 1 662 32 96-39732,
michael.musser@oegbverlag.at). In un-
serer neuen Serie stellen wir ausgewählte
Projektarbeiten vor.