Arbeit&Wirtschaft 4/201532 Schwerpunkt
Milliardengräber?
1,1 Milliarden Euro sollen bei Förderungen und Verwaltung eingespart werden.
Zu wenig, meinen viele – und übersehen eine Vielzahl an Problemen.
I
m Vorfeld des ersten Sparpakets 2010
erhob die Nationalbank in einer Um-
frage, wo gespart werden soll. Neun
von zehn Befragten sprachen sich für
die öffentliche Verwaltung aus. Mit etwas
Abstand auf dem zweiten Platz landeten
Förderungskürzungen, die ebenfalls eine
Mehrheit befürwortete. Nicht genau ge-
fragt wurde allerdings, was unter Verwal-
tung und Förderungen zu verstehen sei.
Auch ExpertInnen sind sich in der Frage
nicht einig. So tagte die Untergruppe zur
„Untergruppe Förderungsreform“ der
Aufgabenreformkommission der Bundes-
regierung allein dreimal, um sich darauf
zu einigen, wie hoch das Fördervolumen
in Österreich nun eigentlich ist. Das Er-
gebnis waren drei verschiedene Zahlen,
denen jeweils unterschiedliche Vorstel-
lungen von Förderungen zugrunde lagen.
Die breite Definition umfasst alle öf-
fentlichen Zuwendungen, die entweder
der Subvention von Gütern und Dienst-
leistungen dienen, z. B. Verkehrsbetriebe,
Landwirtschaft, Gesundheitseinrichtun-
gen, Forschung, Kultur, oder Transfers an
Unternehmen darstellen – Investitions-
zuschüsse, nicht produktionsbezogene
Zahlungen an LandwirtInnen, Banken-
hilfen, sozialer Wohnbau etc. Zudem
können auch Transfers an private Organi-
sationen, z. B. die Aktivitäten der Kirche
im Sozial-, Bildungs- oder Gesundheits-
bereich sowie Rettung oder freiwillige
Feuerwehren, oder internationale Orga-
nisationen, vor allem der EU-Beitrag, als
Förderung verstanden werden.
Und hier beginnt das Problem. Die
meisten der befragten BürgerInnen dürf-
ten bei Förderungen an klassische Unter-
nehmens- und Landwirtschaftsförde-
rungen denken, weniger aber an Ordens-
spitäler, Feuerwehr, Weiterbildungskurse
oder vergünstigte Jahreskarten. Die klas-
sischen Förderungen machen allerdings
nur einen recht kleinen Teil der 17,8
Milliarden Euro aus, die im Jahr 2013
von Bund, Ländern und Gemeinden an
„Förderungen“ ausgezahlt wurden. Im
EU-Vergleich lag Österreich mit 5,4
Prozent der Wirtschaftsleistung auf Platz
9. Vorbei sind also die Zeiten, wo Öster-
reich aufgrund statistischer Verzerrun-
gen als „Europameister bei Förderun-
gen“ bezeichnet wurde – worauf oft der
Nachsatz folgte, dass dies zeige, wie groß
das Kürzungspotenzial sei.
Streichung von Doppelförderungen
Im Zuge der Steuerreform war man sich
schnell einig, dass die Gegenfinanzierung
zum Teil durch das Streichen von Dop-
pelförderungen ermöglicht werden soll.
Bei näherer Betrachtung konnten diese
allerdings nicht so leicht gefunden werden
– außer dort, wo sie politisch gewollt sind.
Ein Beispiel ist die Landwirtschaft, wo
Förderungen von der EU oft daran ge-
koppelt sind, dass Bund und Länder eben-
falls fördern. Oder im Kulturbereich, wo
etwa die Salzburger Festspiele von Bund,
Land und Gemeinde gemeinsam geför-
dert werden. Ebenso werden Unterneh-
men mehrfach gefördert, wenn sie viel-
seitig förderungswürdig aktiv sind: Große
Unternehmen können sich beispielsweise
die Ausbildung der Lehrlinge, ihre For-
schung oder Investitionen in die Energie-
effizienz gleichzeitig fördern lassen.
Kürzungspotenzial bei Unternehmen
Bei Unternehmen gibt es auch das –
schwer zu beziffernde – Kürzungspoten-
zial, das vor allem von der Schätzung des
sogenannten Mitnahmeeffektes abhängt.
Dieser bemisst das Ausmaß von förde-
rungswürdigen Aktivitäten, die auch oh-
ne Förderung durchgeführt werden wür-
den. Um an den oben aufgezählten Bei-
spielen anzuknüpfen: Das Großunterneh-
men würde ohne Lehrlingsförderung die
Lehrlingsausbildung wohl ebenso wenig
einstellen wie die Forschung ohne For-
schungsprämie.
Zweitens gibt es dort Einsparungs-
potenzial, wo der Förderzweck selbst
fragwürdig erscheint. Das betrifft etwa
Höhe und Breite der milliardenschweren
Landwirtschaftsförderungen. Auch wenn
die Landesförderung für den nächsten
zusätzlichen Golfplatz oder ein weiteres
Kleinstmuseum gestrichen werden wür-
de, wäre der soziale und wirtschaftliche
Schaden gering. Bei der Streichung der
Förderung des neoliberalen Hayek Insti-
tuts durch das Finanzministerium müss-
te politisch sogar der Empfänger selbst
dafür sein, weil er staatliche Eingriffe ja
strikt ablehnt. Einen nennenswerten
Beitrag zur Finanzierung der Steuerre-
form darf man sich von derlei Einzel-
positionen allerdings nicht erwarten.
Der Großteil der Förderungen ist so-
zial und wirtschaftlich sinnvoll und soll-
te sogar eher aufgestockt als abgebaut
werden. Das betrifft etwa die Mittel für
die aktive Arbeitsmarktpolitik, wo bei
Georg Feigl
Abteilung Wirtschaftswissenschaft und Statistik
der AK Wien