34 Arbeit&Wirtschaft 9/2016
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eit weg vom Großstadtrummel,
im niederösterreichischen Sprö g-
nitz, liegt der mehrfach ausge-
zeichnete „Vorzeigebetrieb“ Son-
nentor. Es begann damit, dass der Unter-
nehmensgründer Johannes Gutmann sei-
ne Heimat Waldviertel nicht verlassen
wollte. Der übliche Karriereweg führte
damals wie heute weg vom Land in Rich-
tung Stadt – aber das „war so gar nicht
seins“. Was im Jahr 1988 als Ein-Mann-
Vision mit dem Verkauf von Bio-Kräutern
und Gewürzen startete, ist heute ein gro-
ßer Betrieb mit 400 MitarbeiterInnen und
einem Sortiment von 900 Produkten.
Auf der Wiese vor dem betriebseige-
nen Kindergarten „Sonnenscheinchen“
tollen lachende Kinder herum. Während
die Eltern im Waldviertler Kräuterun-
ternehmen arbeiten, werden ihre Spröss-
linge zwischen ein und sechs Jahren von
Kindergartenpädagoginnen betreut. Der
Kindergarten ist von sieben Uhr bis 17
Uhr geöffnet. Ein eigenes Ferienpro-
gramm entlastet die MitarbeiterInnen zu-
sätzlich und sorgt dafür, dass die Kleinen
auch kurzfristig versorgt werden können.
Zu hohe Erwartungen
Lange Zeit konzentrierten sich die Be-
mühungen für eine bessere Vereinbarkeit
von Beruf und Familie in erster Linie auf
Frauen. Langsam setzt sich die Erkennt-
nis durch, dass Frauen unter der Doppel-
belastung einzubrechen drohen. In einer
Studie hat sich die AK Wien die Erwar-
tungen junger Frauen in Wien genauer
angesehen. Für Ingrid Moritz, Leiterin
der Abteilung Frauen und Familie, war
das überraschendste Ergebnis: „Sie haben
extrem hohe Erwartungen an sich selbst.
Sie wollen im Beruf erfolgreich sein, ha-
ben aber auch sehr hohe Werte, wenn es
darum geht, Zeit mit den Kindern zu
verbringen.“ So hielten es 92 Prozent der
befragten Frauen für wichtig, sich selbst
zu verwirklichen. Zugleich wollten 82
Prozent viel Zeit mit dem Kind verbrin-
gen. 83 Prozent gaben an, sie möchten
gerne beruflich erfolgreich sein. Die AK-
Expertin hält fest: „Beides wird sich nicht
ausgehen.“
Die Ergebnisse decken sich aller-
dings mit dem, was Frauen weiterhin
vorgegaukelt wird, nämlich dass sie „eh
alles“ könnten. „Aber das stimmt nicht“,
hält Moritz fest. „Darum braucht es
auch die Männer.“ Viele von ihnen muss
man dabei gar nicht zu etwas zwingen.
Vielmehr zeigen immer mehr Väter In-
teresse daran, mehr Zeit mit ihren Kin-
dern zu verbringen und somit ebenfalls
aus dem Beruf auszusteigen. Dies ver-
langt allerdings nach einem anderen Um-
gang mit dem Thema Beruf und Familie.
Irene Mayer-Kilani
Freie Journalistin
Karriere und Familie für alle: Es ist Zeit, Karriere anders zu denken.
Lange Zeit konzentrierten sich die
Bemühungen für eine bessere Verein-
barkeit von Beruf und Familie in
erster Linie auf Frauen. Langsam
setzt sich die Erkenntnis durch, dass
Frauen unter der Doppelbelastung
einzubrechen drohen.
Familienfreundlich =
frauenfreundlich?