27Arbeit&Wirtschaft 6/2017
ten und das oberste Prozent mehr als
300.000 Euro brutto erhält.
Um einiges dramatischer stellt sich
die Verteilung der Vermögen dar: Wäh
rend das oberste Prozent ein Drittel der
Vermögen besitzt, bleiben der Hälfte
der Bevölkerung – den „unteren“ 50
Prozent der Haushalte – gerade zwei
Prozent des gesamten Vermögens. Oder
anders gesagt: Das Vermögen in Öster
reich ist in den Händen weniger Leute
konzentriert.
Sozialstaat reduziert Ungleichheit
Der österreichische Sozialstaat wirkt die
ser Entwicklung entgegen. Mit einer Ab
gabenquote von knapp 43 Prozent hat
die öffentliche Hand genügend Spiel
raum, um Maßnahmen für eine gerech
tere Verteilung zu ergreifen. Dies passiert
in Österreich vor allem dank positiver
Verteilungswirkung der Staatsausgaben.
Gäbe es etwa keine öffentliche Gesund
heitsversorgung, müssten Menschen mit
niedrigem Einkommen mehr als ein
Drittel ihres Verdienstes für Privatärz
tInnen, etwaige Krankenhausaufent
halte oder Medikamente ausgeben.
Ohne öffentliches Schulsystem
würden die Ausbildungskosten für die
nächste Generation bei Haushalten
mit wenig Einkommen fast die Hälfte
des monatlichen Verdienstes verschlin
gen. Obwohl der Sozialstaat alle Bürge
rInnen in sensiblen Situationen wie
Kindheit oder Krankheit unterstützt,
zeigen die oben genannten Beispiele,
dass diese Unterstützung gerade für
Menschen mit niedrigem Einkommen
existenziell ist.
Durch die sozialstaatlichen Leistun
gen können die Haushalte im unteren
Einkommensdrittel ihren Anteil an den
Gesamteinkommen so von 12,5 Pro
zent auf 20 Prozent steigern. Auch der
Anteil der Haushalte des mittleren
Drittels steigt, wenn auch nur geringfü
gig, von 29 auf knapp 31 Prozent.
Der Anteil des oberen Einkom
mensdrittels wiederum sinkt von 58,5
auf 49,5 Prozent. Letztendlich ist Ver
teilung der „verfügbaren Einkommen“
– also der Einkommen nach Steuern
bzw. Abgaben und öffentlichen Leis
tungen – deutlich gleicher als die Ver
teilung der „Markteinkommen“. Die
umverteilende Wirkung des österrei
chischen Sozialstaates hat sich mit der
zunehmenden Ungleichheit der Markt
einkommen verstärkt und konnte zu
mindest einen Teil der negativen Ent
wicklung abfedern.
Staatliche Leistungen im Rahmen
der Bildungs und Familienpolitik er
leichtern gesellschaftliche Teilhabe und
Integration, ermöglichen gesellschaft
lichen Aufstieg und erzeugen so ein
Mehr an Chancengerechtigkeit.
Dass die Ungleichheit ansteigt,
wenn öffentliche Ausgaben gekürzt
werden, wurde jüngst auch auf europä
ischer Ebene im Umgang mit der Fi
nanz und Wirtschaftskrise 2009 er
sichtlich. Nachdem die Nationalstaaten
beträchtliche Summen zur Bekämpfung
der Bankenkrise und für den darauf
folgenden Konjunktureinbruch auf
wenden mussten, schwenkte die euro
päische Wirtschaftspolitik auf einen
extremen Sparkurs ein: Die europäische
Antwort auf die Krise bestand vorran
gig in einer Verschärfung der Budget
regelungen im Rahmen des Stabili
täts und Wachstumspaktes, wodurch
budgetäre Spielräume eingeschränkt
wurden.
Wie Untersuchungen des Internati
onalen Währungsfonds zeigen, hatte
diese Sparpolitik negative Auswirkun
gen auf die ökonomische Ungleichheit
in den betreffenden Volkswirtschaften.
Die Budgetkürzungen verschärften die
wirtschaftliche Krise und führten zu
höherer Arbeitslosigkeit. Dadurch wur
den die Kosten der Bankenkrise letzt
endlich vor allem von Menschen mit
niedrigen Einkommen geschultert.
Gleichzeitig lässt steigende Arbeitslo
sigkeit die Staatseinnahmen sinken, so
dass die Sparbestrebungen paradoxer
weise zu einem Bumerang für den öf
fentlichen Haushalt werden können.
Gerechte Finanzierung
Klar ist, dass der Sozialstaat verbessert
und weiterentwickelt werden muss, da
mit die BürgerInnen auch im 21. Jahr
hundert in sensiblen Situationen wie
Krankheit, Arbeitslosigkeit oder Alter
geschützt werden. Gleichzeitig soll die
bestmöglichste Ausbildung für die
nächste Generation sichergestellt wer
den. Anstatt den Sozialstaat bis auf
sein Gerippe auszuhungern, muss da
für die Finanzierung gerechter gestaltet
werden.
Die EUKommission schätzt, dass
den europäischen Staaten jährlich
1.000 Milliarden Euro durch Steuerbe
trug und vermeidung entzogen wer
den. In Folge verlagert sich die Abga
benbelastung zunehmend auf Arbeit
nehmerInnen und kleine Unterneh
men. Vor allem die ArbeitnehmerInnen
schultern die Staatsfinanzierung. Dies
gilt für KleinverdienerInnen wie etwa
SupermarktkassiererInnen, Facharbei
terInnen, aber auch für die großzügig
entlohnten ManagerInnen, denn als
Anteil ihres Einkommens tragen alle
Erwerbstätigen etwa gleich viel zur Fi
nanzierung des Sozialstaates bei.
Korrektur der Schieflage rasch nötig
Auch in Österreich ist die Abgaben
be lastung ungleich verteilt: Während
Abgaben auf Arbeit etwa 55 Prozent
der Gesamtabgaben ausmachen und da
her im internationalen Vergleich sehr
hoch sind, rangiert Österreich bei ver
mögensbezogenen Steuern mit 1,3 Pro
zent der Gesamtabgaben auf den hinte
ren Plätzen.
Die von AK und Gewerkschaften
initiierte Lohnsteuerreform war ein ers
ter wichtiger Schritt zur Korrektur die
ser Schieflage – ihm sollten dringend
weitere folgen. Wichtig wäre zu verhin
dern, dass große Konzerne und reiche
Privatpersonen die öffentliche Hand
mittels Steuerhinterziehung und ver
meidungstricks prellen und in Folge zu
wenig zur Sozialstaatsfinanzierung bei
tragen.
Blogtipp
Silvia Rocha-Akis/Christine Mayrhuber:
„Umverteilung durch den Staat in Österreich“:
tinyurl.com/umverteilungstaat
WIFO-Studie
„Umverteilung durch den Staat in Österreich“:
tinyurl.com/staatumverteilung
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