6 Arbeit&Wirtschaft 6/2017
Sozial ist kein Mascherl
Anderen Staaten ist Österreich in Sachen soziales
Handeln noch weit voraus, doch auch bei uns
knabbern neoliberale Gedankenspiele am System.
Krankheit, Arbeitslosigkeit, Alter – der Sozial
staat steht uns bei. Gleichzeitig muss er die beste
Ausgangssituation für die jüngere Generation
sicherstellen.
Wie die Maßnahmen des Sozialstaats in
Österreich wirken, zeigt u. a. die positive
Verteilungs wirkung: Haushalte im unteren
Einkommensdrittel können ihren Anteil an den
Gesamteinkommen von 12,5 auf 20 Prozent
steigern.
Diese soziale Funktion wird bei der zunehmenden
Ungleichheit der Markteinkommen immer
wichtiger.
Der Sozialstaat wirkt für alle BürgerInnen:
„Pensionssystem und Arbeitslosenversicherungs
system können immer noch als Vorbild dienen,
weil sie breiter angelegt sind als in anderen Ländern
und mehr Menschen daran teilhaben können“,
erklärt Emmerich Tálos, emeritierter Professor für
Politikwissenschaft.
Neoliberale Diskurse sind der Gegenentwurf.
Bei diesem Ansatz stehen Marktaktivitäten im
Vordergrund, nur im Notfall soll es monetäre
Transfers geben – der Bedarf wird genauestens
nachgeprüft. Ziel ist es, Menschen eigenverantwort
lich handeln zu lassen. „Poor services for poor
people“, der Staat möchte nicht zu großzügig sein.
Auch in Österreich werden neoliberale Ansätze
diskutiert. Tálos: „In der Pensionsversicherung gibt
es neoliberale Vorstellungen, dass die individuelle
Vorsorge mehr Gewicht bekommt.“
Deutschland ist hier ein schlechtes Beispiel: Dort
hat die Riester-Reform das gesetzliche System der
Lebensstandardsicherung abgelöst. Ein hoher Teil
der Verantwortung für die Alterssicherung wurde
den Betriebs und Privatpensionen überantwortet.
Mit drastischen Auswirkungen: Durchschnittliche
Pensionen langjähriger Versicherter fallen in
Österreich bei Männern um gut 70 Prozent höher
aus, bei Frauen ist die Pension gar mehr als doppelt
so hoch.