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sowohl zwischen Großstädten (Metropolisierung) als auch auf intraregionaler Ebene (Abwanderung
aus dem ländlichen/peripheren Raum in Regionalzentren) statt. Das bedeutet, dass der ländliche bzw.
periphere Raum infolge von Marktkräften zunehmend entleert wird.
Diese Entwicklungen sind in Zusammenhang mit grundlegenden gesellschaftlichen Veränderungen zu
sehen. Traditionelle Vorstellungen über die Lebensweise und Organisationssysteme, die die Erhaltung
des Regionalstandorts zum Ziel hatten, verlieren an Bedeutung. Ebenso die traditionellen
Lebensformen – unsere Gesellschaften sind von zunehmender Mobilität und Flexibilität geprägt,
sowohl in der Arbeitswelt als auch im Privatleben. Raumplanung muss auf diese Entwicklungen
reagieren und gestaltend eingreifen. Nach Lendi (2003: 7) steht „Raumplanung für die die
zukunftsfähige Erhaltung und Gestaltung des Lebensraumes mit Chancen der individuellen,
politischen, wirtschaftlichen (insbesondere unternehmerischen) und sozialen Lebensentfaltung unter
Wahrung des ökologischen Gleichgewichts“. Wenn die Gesellschaft davon überzeugt ist, dass die
Erhaltung des ländlichen Raums aus unterschiedlichen Gründen wünschenswert ist, müssen sich die
institutionellen und gesellschaftlichen Systeme an die geänderten Verhaltensmuster der
wirtschaftlichen und sozialen Akteure anpassen. Dabei zählen zu den gesellschaftlichen Systemen
auch Werte und ihr Wandel über die Zeit, etwa die Gleichbehandlung der Geschlechter. Letztere
impliziert ein Überdenken der traditionellen Rolle der Frauen und Männer in der Gesellschaft und die
Implikationen für die Organisation der beiden Arbeitsfelder. Wenn diese grundsätzlichen Fragen nicht
gestellt werden, können sie auch nicht beantwortet werden, d.h. aktiv gestaltet werden.
Ökonomische Prozesse und Zwänge nehmen dann ihren Lauf, der mit Individualisierung und
Urbanisierung schlagwortartig umschrieben werden kann.
Es ist in diesem Zusammenhang nicht überraschend, dass der Nobelpreis in Ökonomie im Jahre 2009
an zwei Vertreter der Institutionenökonomie ging, Ostrom und Williamson. Ostrom hat in der
Begründung der Akademie den Preis für die Überlegungen zur Verwaltung des gemeinschaftlichen
Eigentums von Nutzerorganisationen erhalten. Das sind zentrale Fragen zur Organisation des
Gemeinwesens, etwa dem Umgang mit knappen lokalen Ressourcen.
Bis dato sieht man Gemeinwesenarbeit als unabhängig vom Wirtschaftssystem. Letzteres braucht nur
flankierende und ergänzende Maßnahmen, etwa die Sicherung der Beschäftigungsfähigkeit der
Arbeitskräfte, um zu funktionieren. Jedoch bedeutet die Entwicklung und Stärkung „Lokaler
Ökonomien“, dass Gemeinwesenarbeit wie die sozialen Dienste integral in die
Funktionsmechanismen des Wirtschaftslebens eingebaut werden, um Nachhaltigkeit sicher zu stellen.
Die Theorie der Gemeinwesenökonomie ist noch in einem Entwicklungsstadium, in dem
wissenschaftliche Erkenntnisse aus verschiedenen Disziplinen einfließen, mit dem Ziel, die Wohlfahrt
aller in unseren Gesellschaften nachhaltig zu sichern, unter Einbeziehung der Organisation einer
nachhaltigen Energieversorgung und Sicherung der Umwelt. Ansätze gelebter Solidarökonomien
findet man an vielen Orten der Welt, aber auch in Österreich. Sie werden als Alternativ? oder
Komplementärstrukturen wahrgenommen, bergen in sich aber zunehmend Elemente einer
nachhaltigen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Organisationsform. (Elsen 2007)