Wirtschaft und Gesellschaft
U nahhängige Analysten?
Rezension von: Jan Elmenhorst, Jost W
Kramer, Beeinflussung von Wertpapier
märkten durch Analystenkommentare
- Konfliktpotenziale und Lösungsansätze,
Rainer Hampp-Verlag, München und
Mering 2006, 105 Seiten, € 1 7,80.
Am 1 3. März 2000 gab es einen
bemerkenswerten "Spiegei"-Titel . l n
Anlehnung an Pieter Breughels be
rühmten Turmbau zu Babel konnte
man den damals aktuellen hektischen
Börsenboom als Luftschloss aus Fir
menlogos, umrankt von den düsteren
Wolken eines drohenden Kursgewit
ters, entlarvt sehen. Der zugehörige
Artikel im Inneren des Blattes ließ
keine Zweifel offen . Wer damals so
fort seine Aktien verkaufte, wurde vom
Krach des März 2000 und der darauf
folgenden mehrjährigen Baisse auch
kaum betroffen . Übrigens hatte es, wie
in solchen Fällen üblich, Warnungen
vor dem drohenden Crash schon Mo
nate zuvor gegeben: Am Europäischen
Forum Alpbach wurde etwa Ende Au
gust 1 999 bereits eine einschlägige
Studie des Instituts für Höhere Studien
präsentiert.
Im Katzenjammer nach dem Zusam
menbruch der spekulativen Blase um
die New Economy und infolge diverser
Gerichtsverfahren in den USA wur
de dann schmerzl iche Nabelbeschau
betrieben, und ihr verdankt das vorlie
gende Buch viel von seinem informa
tiven und spannenden Inhalt: Da wurde
- wieder einmal - das problematische
Naheverhältnis von Investmentbanken
und börsengängigen Unternehmen
aufgezeigt, da ging es um die keines
wegs uneigennützigen Ratschläge, zu
kaufen oder wenigstens zu "halten", mit
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32. Jahrgang (2006), Heft 4
denen abhängige Analysten ihre Klein
kunden zu "betreuen" pflegten etc.
Elmenhorst und Kram er erläutern zu
nächst die Grundlagen des Investment
Banking und dessen hauptsächliche
Geschäftsfelder, nämlich die Mittler
rolle der I nvestmentbanken bei Emis
sionen und deren Platzierung bei den
Investoren, die Anlegerberatung, die
Beratung bei Fusionen und Übernah
men. H ier wird bereits vermerkt, dass
Research {die Tätigkeit der Analysten)
kein eigenes Geschäftsfeld einer ln
vestmentbank darstellt. Die Analysten
agieren freilich nicht im interessen
freien Raum: Man spricht von Buy
Side- und Se/1-Side-Analysten. Die
Ersteren veröffentlichen ihre Berichte
aber weit seltener als die von den Ban
ken bezahlten Analysten der Se// Side
- und darin liegt ein großes Problem.
Elmenhorst und Kramer zitieren u. a.
aus dem nach dem Krach vom Früh
jahr 2000 erstellten Bericht des New
Yorker Generalstaatsanwaltes Eliot
Spitzer über eine Reihe von lnvest
mentbanken, in dem es heißt: "Re
search analysts were acting as quasi
investment bankers for the companies
at issue . . . producing misleading ra
tings that were neither objective nor
independent as they purported to be."
Die so genannten Chinese Walls, die
bankenintern die Unabhängigkeit der
Analysten garantieren sollten, existier
ten offenbar nur auf dem Papier. Unter
nehmen wie Enron scheuten nicht da
vor zurück, massivst zu intervenieren ,
wenn ein Analyst ihre Aktien auf "Hal
ten" herabstufte, wie das Merril l Lynch
1 999 tat - daraufhin wurde der Analyst
ausgetauscht und die Aktie wieder auf
"Kaufen" eingestuft (S 1 6f).
Offensichtlich sind d ie Analysten des
Emissionskonsortiums auch in der Zeit
nach der Emission (nach Ablauf der so
genannten Quiet Period) systematisch