strömte das Geld primär in riskante Hypothekarkredite, die auf undurch-
sichtige Weise in Wertpapiere verwandelt wurden – bis die Immobilien-
preisblase platzte und die weltweite Finanzkrise auslöste.
Die aktuelle Krise wird manchmal ausschließlich auf zu riskante Speku-
lationen des Finanzsektors zurückgeführt. Ohne diese Spekulationsaben-
teuer wäre nach dieser Argumentation die Wirtschaft der Industrieländer
auf ihrem stabilen Wachstumspfad geblieben. Ich stimme dieser These
nicht zu und möchte in diesem Artikel die realwirtschaftlichen Hintergrün-
de beleuchten, die zur Entstehung der Finanzkrise beitrugen: Wegen der
zunehmenden Ungleichgewichte der Realwirtschaft „schwammen die
Banken im Geld“ und ließen sich auf immer riskantere Spekulationen ein.
Die Finanzkrise wurde somit aus zwei Quellen gespeist:
– der unverantwortlichen Kreditvergabe des Finanzsektors, die durch
Deregulierung und Liberalisierung ermöglicht wurde, und
– zunehmenden Ungleichgewichten der Einkommensverteilung, der
Leistungsbilanzen und der Vermögenspreisentwicklung.
2. Überschuldung der privaten Haushalte und
Finanzinstitutionen
Es besteht heute weitgehend Konsens, dass die Überschuldung der pri-
vaten Haushalte in den USA eine der zentralen Ursachen der Finanzkrise
war. Irving Fisher hatte schon in den Dreißigerjahren erkannt, dass das
Platzen von Kredit- und Vermögenspreisblasen Finanzkrisen auslöst. Ei-
nige Jahrzehnte später zeigte Hyman Minsky, wie bei blühender Wirt-
schaft stufenweise immer höhere Kreditrisiken eingegangen werden.
In den USA, dem Ursprungsland der weltweiten Finanzkrise, ist der
Schuldenstand aller volkswirtschaftlichen Sektoren zwischen 1981 und
2008 exorbitant gestiegen: von 164% auf 369% des BIP (siehe Tabelle).
Am stärksten fiel dieser Zuwachs bei den Finanzinstitutionen und den pri-
vaten Haushalten aus.1 Die Finanzinstitutionen nehmen typischerweise
kurzfristiges Geld auf und gewähren langfristige Kredite. Wenn Unsicher-
heit und Panik entstehen, dann werden die kurzfristigen Kredite nicht ver-
längert.2
Die Schulden des (nicht-finanziellen) Unternehmenssektors stiegen nur
mäßig. Die Industrie- und Handelsunternehmen konnten ihre Investitionen
weitgehend aus dem Cash-Flow finanzieren. Auch die Schulden des Staa-
tes nahmen bis zur Finanzkrise nicht dramatisch zu. Die Staatsschulden-
quote erreichte 2007 in den USA 67% des BIP. Erst infolge der Krise stie-
gen die Staatsschulden stark an.
154
Wirtschaft und Gesellschaft 39. Jahrgang (2013), Heft 2