Psychische Belastungen der Arbeit und ihre Folgen
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größere Kostenfaktor betrifft Personen, die gestresst sind aber von sich behaupten, dass sie damit gut
zu Recht kämen. Hier fallen Kosten für den Medikamentenkonsum ebenso an wie Arbeitsausfälle
infolge von Krankenständen oder einer Verringerung der Arbeitsproduktivität. Dieser Studie zufolge
machen die Kosten der psychischen Arbeitsbelastungen etwa die Hälfte der gesamten
arbeitsbedingten Gesundheitsstörungen aus, die im Jahr 2000 bei 7,85 Mrd. Schweizer Franken oder
2,4 % des BIP lagen.
Eine kanadische Studie (Brun/Lamarche 2006) zeigt, dass 38,8 % der 15- bis-75- jährigen Arbeitskräfte
am Arbeitsplatz einem gewissen Stress ausgesetzt waren, 25 % einem relativ starken und 5,4 % einem
sehr starken (Daten für 2004). Der Anteil der Personen, die in der Arbeit Stress empfinden, steigt im
Laufe der Zeit. Der Großteil der Zunahme resultiert aus Veränderungen in der Arbeitswelt, in
gewissem Maße aber auch aus einer steigenden Erwerbsbeteiligung.33 Gesundheitserhebungen
ergaben, dass sich der Anteil der Arbeitsunfähigkeit infolge von psychischen Krankheiten zwischen
1987 und 1998 von 7 % auf 13 % erhöhte; ebenso stieg der Anteil der Fehlzeiten infolge psychischer
Faktoren und die Inanspruchnahme von Erwerbsunfähigkeitspensionen infolge psychischer
Krankheiten. Die Gesamtkosten, die sich aus den direkten Gesundheitskosten, dem Arbeitsaufall und
der Abschwächung der Arbeitsproduktivität ergeben, beläuft sich gemäß Tangri (2003) für 2001 auf
jährlich etwa 2,4 % des BIP, gemäß Stephens/Joubert (2001) auf nur halb so viel.
Bödeker et al. (2002 und 2006) haben für Deutschland aufgezeigt, dass im Jahr 1998 im Schnitt etwa
17 % aller direkten Kosten für die Behandlung von Krankheiten im Erwerbsalter auf psychische
Krankheiten entfielen, wobei die Hauptauslöser dafür in hohen psychischen Arbeitsanforderungen
und einem geringen Handlungsspielraum bei der Arbeit lagen, in geringerem Maße bei gewissen
Gefahrenstoffen. Damit nahmen die direkten Behandlungskosten für psychische Krankheiten den
zweiten Rang hinter den Kosten für die Behandlung von Krankheiten des Skeletts, der Muskeln und
des Bindegewebes ein. Wenn man berücksichtigt, dass sich psychische Belastungen nicht nur in
psychischen Krankheiten niederschlagen, sondern auch in anderen Krankheiten, die im Fall einer
psychischen Zusatzkomponente den Krankheitsverlauf tendenziell verlängern (vgl. Füzi 2009; siehe
auch Kapitel 4.1.2 in der vorliegenden Studie), erhöhen sich die Kosten noch einmal. Insgesamt
ergaben die Berechnungen von Bödeker et al. (2002) Kosten von umgerechnet 28 Mrd. € bzw. 1,4 %
des BIP, die sich aus körperlichen Arbeitsplatzbelastungen ergaben, und von 24 Mrd € bzw. 1,2 % des
BIP für psychische Belastungen.
Eine rezente Studie zeigt für Australien (medibank 2008), dass sich die Kosten für Stress am
Arbeitsplatz auf 2,9 % des BIP belaufen. Dabei entfallen 40 % der Kosten auf die Betriebe und 60 % auf
die Volkswirtschaft. Die Kosten für die Betriebe und die Wirtschaft setzen sich zu etwa gleichen Teilen
aus Präsentismus, d.h. unproduktiver Arbeitszeit infolge von Stress, und Absentismus, d.h.
krankheitsbedingtem Arbeitsausfall infolge von stressbedingten Krankheiten oder Unfällen,
zusammen.
Infolge der Schwierigkeiten bei der Abschätzung der gesamtwirtschaftlichen Kosten von
arbeitsbedingtem Stress geht man zunehmend dazu über, die mikro-ökonomischen Kosten zu
schätzen (Cox et al. 2009). In diesem Fall sind die wesentlichen Kostenelemente neben den Fehlzeiten,
den Lohnfortzahlungen, dem Ausfall an Wertschöpfung, der Verringerung der Produktivität, weil
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Das besagt, dass Personen mit einer geringeren Stressresistenz eher im Haushalt verbleiben. Infolge von
wirtschaftlichen Zwängen müssen jedoch auch diese Personen vermehrt ins Erwerbsleben eintreten.