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3. Fallbeispiele
Im Folgenden skizzieren wir 17 Fälle, in denen in Treu und Glaube handelnde AkteurInnen in Alltagssituatio-
nen mit dem Urheberrecht in Konflikt kommen können. Es werden dabei verschiedene Kontexte – Kindergar-
ten, Schule, Jugendkultur, "private" und zivilgesellschaftliche Mediennutzung – berücksichtigt. Diese Fälle
sind aus einer Vielzahl real-existierender Fälle synthetisiert.
Bereich 1: Kindergarten / Schule
Fall 1
Anlässlich des zwanzigjährigen Bestehens eines Kindergartens hat dessen Leitung gemeinsam mit den Pä-
dagogInnen beschlossen, das Jubiläum mit einer frühsommerlichen Gesangsveranstaltung im angrenzen-
den Park zu feiern. Dafür ist geplant, beliebte Songs aus der Kiddy-Hitparade mit angepassten Liedtexten zu
versehen, die einen anschaulichen Bezug zum Kindergarten herstellen.
Für den Liedernachmittag wird ein großer Aufwand betrieben. Eine Pädagogin bereitet sich schon Wochen
vorher auf ihre Gitarrenbegleitung vor, eine ihrer Kolleginnen macht sich an die kindergerechten Liedtexte,
die dann bei der Aufführung aber auch Eltern und FreundInnen die Möglichkeit zum Mitsingen geben sollen.
Die Nutzungsgenehmigung für die benötigte Parkfläche wird eingeholt, anschließend versendet die Kinder-
gartenleitung die Einladung zum Fest, zu dem tatsächlich mehr als hundert Gäste erscheinen
Problemfeld:
Die PädagogInnen können nicht beurteilen, ob eine Gesangsdarbietung auf Parkflächen als öffentli-
che Aufführung gilt. Sollte Öffentlichkeit im urheberrechtlichen Sinne gegeben sein, ist in der Regel
die Verwendung geschützter Werke melde- und lizenzpflichtig. Für die Adaption von Liedtexten im
Zusammenhang mit der Aufführung muss bei den RechteinhaberInnen eigens eine Genehmigung
eingeholt werden, was hohe Kosten und einen großen Transaktionsaufwand nach sich ziehen kann.
Im Falle einer Missachtung drohen Klagen und Schadensersatzansprüche. Auf der sicheren Seite
sind sie nur, wenn sie auf die Aufführung verzichten.
Fall 2
Eine Kindergruppe bereitet sich musikalisch auf ihre Weihnachtsfeier vor. Bereits in den Jahren davor hat
sich immer wieder gezeigt, dass auch Eltern und Verwandte angesichts der Begeisterung der Kleinen gerne
mitsingen, aber allzu oft nicht über Noten und Texte verfügen.
Aus diesem Grunde beschließen die Verantwortlichen der Kindergruppe, den Gästen die Teilnahme am
Gesang diesmal zu erleichtern. In mühevoller Kleinarbeit wird in den Bibliotheken der Kleinstadt nach Song-
books gesucht, um die entsprechenden Seiten der für die Feier ausgewählten Stücke zu kopieren und
schließlich in Form eines erweiterten Programmhefts auszuhändigen.
Problemfeld:
Die Verantwortlichen der Kindergruppe können schwer einschätzen, ob die benutzten musikalischen
Noten urheberrechtlich geschützt sind und ob die Vervielfältigung in diesem Fall der Lizenzierungs-
pflicht unterliegt. Auch ist oft nicht klar, wer diese Lizenzierung vornehmen kann (die Verwertungs-
gesellschaften oder die entsprechenden Musikverlage). Das führt neben den Verwertungsentgelten