3CETA
DEMOKRA
TIE
Wichtigste Ergebnisse
1. Die Erfahrungen, die Kanada bereits innerhalb der
Nordamerikanischen Freihandelszone NAFTA gesammelt
hat, zeigen deutlich die Gefahren der Investitionsschiedsge–
richtsbarkeit. Auf Grundlage von NAFTA wurde Kanada 35-
mal von Investoren verklagt, sechs dieser Klagen wurden
entweder verloren oder mit einem Vergleich beendet. Alles in
allem hat Kanada Entschädigungen mit einem Gesamtwert von
über 171,5 Millionen CAN$ an ausländische Investoren gezahlt.
Die Konzernklagen richten sich gegen ein breites Spektrum
politischer Maßnahmen, die den Wert von Auslandsinvestitionen
angeblich mindern – darunter Klagen gegen ein Fracking-
Moratorium und die damit verbundene Widerrufung von
Erkundungslizenzen sowie gegen ein Gerichtsurteil zum
Entzug zweier Arzneimittelpatente, weil die Medikamente
nicht den Anforderungen entsprachen. Ausländische
Investoren verlangen alles in allem mehrere Milliarden
Dollar Entschädigung von der kanadischen Regierung.
2. Die CETA-Regeln zum Schutz von Investoren räumen
diesen noch größere Privilegien ein als NAFTA und erhöhen
damit das Risiko, dass diese Klagerechte gegen zukünftige
politische Maßnahmen benutzt werden:
a) durch den Schutz der „legitimen Erwartungen“ im Rahmen
der Bestimmung der „gerechten und billigen Behandlung“
riskiert CETA, ein “Recht” von Investoren auf einen stabilen
regulatorischen Rahmen festzuschreiben. Damit hätten
Investoren eine mächtige Waffe in der Hand, um gegen
regulatorische Veränderungen zu Feld zu ziehen, selbst
wenn diese durch demokratische Entscheidungen oder
neu gewonnene Erkenntnisse erforderlich sind.
b) CETA würde Investoren im Finanzsektor weitreichendere
Klagemöglichkeiten als NAFTA ermöglichen. NAFTA
beschränkte diese Klagemöglichkeiten noch auf das Recht
zum freien Kapitaltransfer und den Schutz vor Enteignung.
Diese Rechte werden durch CETA ausgeweitet auf den
äußerst vagen Standard der „gerechten und billigen
Behandlung“, was GesetzgeberInnen, die eigentlich für
Verbraucherschutz und stabile Finanzmärkte sorgen
sollen, extrem beeinträchtigen könnte.
3. Das Risiko für die kanadische Regierung, von Banken
und Versicherungen verklagt zu werden, steigt durch CETA
enorm an. Diese Risiken treten immer klarer hervor, denn auch
spekulative Investoren nutzen zunehmend die Investor-Staat-
Klagerechte, um mithilfe von Investitionsrechtsanwälten Profite
mit Klagen gegen von Finanzkrisen betroffenen Regierungen
einzustreichen. Die Investitionsströme zwischen der EU und
Kanada sind im Finanzsektor enorm und gerade diese Branche
erhält durch CETA weitreichende Klagerechte.
4. Durch CETA erhöht sich das Risiko für die EU und
ihre Mitgliedstaaten, von kanadischen Investoren aus dem
Bergbausektor, der Öl- und Gasindustrie verklagt zu werden.
Die Investitionsströme aus Kanada in die EU sind von erhebli-
cher Bedeutung in diesen Sektoren und zahlreiche kanadische
Bergbauunternehmen sind in der EU bereits an umstrittenen
Projekten zur Rohstoffgewinnung beteiligt. Branchen-Insider
feiern CETA bereits als “bahnbrechendes” Abkommen, das
“mit weitreichenden Auswirkungen für Bergbauunternehmen”.
Weltweit machen Bergbau-, Öl- und Gasunternehmen, die im-
mer häufiger von Konzernklagerechten Gebrauch.
5. Kanadische Tochterfirmen von in den USA ansässi-
gen Multis können durch CETA europäische Regierungen
verklagen, auch wenn die EU möglicherweise Investor-
Staat-Klagerechte aus der Transatlantischen Investitions-
und Handelspartnerschaft (TTIP), zu der gegenwärtig die
Verhandlungen laufen, herausnimmt oder diese beschränkt.
Dies ist besonders beunruhigend für EuropäerInnen, da die ka-
nadische Wirtschaft weitestgehend von US-Unternehmen do-
miniert wird. Auch Tochterunternehmen von ausländischen
Konzernen in der EU könnten mit Konzernklagerechten gegen
die kanadische Politik vorgehen.
6. Unternehmen aus der EU, Kanada und den USA sind
schon heute die eifrigsten Nutzer von Investor-Staat-
Klagen, man darf also davon ausgehen, dass sie die CETA-
Klagerechte gegen Kanada und Europa nutzen werden. 53%
aller Investor-Staat-Klagen (299 Fälle) weltweit wurden von
Investoren aus der EU, 22% (127 Fälle) von US-Investoren
initiiert und kanadische Investoren sind die fünfthäufigsten
Nutzer der Investitionsschiedsgerichtsbarkeit.
7. Auf beiden Seiten des Atlantiks wächst der Widerstand
gegen Investor-Staat-Klagerechte im CETA – in zivilgesell-
schaftlichen Organisationen, Gewerkschaften und sogar inner-
halb der EU-Mitgliedstaaten. Die Europäische Kommission und
die kanadische Regierung versuchen indes mit irreführender
Propaganda, die Öffentlichkeit zu beruhigen. Ihre Strategie be-
steht darin, die Risiken der privaten Schiedsgerichte herunter-
zuspielen und die Aufmerksamkeit von den Kernproblemen auf
allenfalls kosmetische Korrekturen zu lenken.
8. Die von der Europäischen Kommission und der ka-
nadischen Regierung angekündigten “Reformen” zur
Beruhigung der KritikerInnen werden den Missbrauch des
Systems durch Investoren und SchiedsrichterInnen nicht
verhindern. Das Gegenteil ist der Fall: Durch CETA wird der
Geltungsbereich von Investor-Staat-Klagerechten massiv aus-
geweitet. Für die EU, ihre Mitgliedstaaten und Kanada bedeutet
das unvorhersehbare und beispiellose Haftungsrisiken.
Es besteht keine Notwendigkeit, ein eigenes Rechtssystem
zum Schutz von ausländischen Investoren zu errichten,
vor allem nicht in stabilen Rechtsräumen wie der EU und
Kanada. Die heutigen multinationalen Konzerne verfügen
über ausreichend Erfahrung, Risiken abzuschätzen und ih-
re Gewinnerwartung entsprechend auszurichten. Sollten die
Risiken zu groß sein, ist der Rückgriff auf private Versicherer,
öffentliche Investitionsgarantien oder nationale Rechtssysteme
ohne weiteres möglich.
Verkaufte Demokratie appelliert an GesetzgeberInnen in der
EU und in Kanada, den Investitionsschutz im CETA und an-
deren Abkommen abzulehnen, darunter auch die umstrittene
Transatlantische Investitions- und Handelspartnerschaft (TTIP)
und das transpazifische Abkommen (TPP).