Motivation von Lehrlingen
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II. Einleitung
Etwa 40% der Jugendlichen zwischen 15 und 19 Jahren absolvieren in Österreich
eine Lehrlingsausbildung. Dieser Umstand weist auf die hohe Bedeutung der Lehr-
lingsausbildung hin, die nach wie vor maßgeblich zur Deckung des Bedarfs an
qualifizierten Arbeitskräften beiträgt. Die im europäischen Vergleich geringe Ju-
gendarbeitslosigkeit und eine hohe Quote von Abschlüssen auf der Sekundarstufe
II sind weitere Belege für ein gut ausgebautes System der beruflichen Bildung.
Eine direkt beruflich verwertbare Ausbildung und die Sozialisation der Lehrlinge
in der betrieblichen Praxis bilden die Grundlage für traditionell hohe Übertritts-
quoten in das Beschäftigungssystem.
Dennoch sieht sich das duale System der Lehrlingsausbildung mit bedeutenden
Herausforderungen struktureller Art konfrontiert. Zum einen sinkt die Ausbil-
dungsbereitschaft der Betriebe seit gut 15 Jahren deutlich. Zum anderen setzt
sich neben demographischen Veränderungen der Trend zu vollschulischen Ausbil-
dungen weiter fort. Der Rückgang der Lehrstellennachfrage aufgrund der Konkur-
renz durch berufsbildende mittlere und höhere Schulen und der abnehmenden
Anzahl von Jugendlichen eines Altersjahrgangs ist jedoch bislang nicht mit einer
grundsätzlichen Steigerung der Ausbildungsqualität einhergegangen. Dies ist mit
Auswirkungen sowohl auf die Ausbildungszufriedenheit der Lehrlinge, deren Ab-
schneiden bei der Lehrabschlussprüfung und auf die anschließende Beschäfti-
gungsfähigkeit als auch – grundlegend – auf die Attraktivität der dualen Ausbil-
dung bei potenziellen LehranfängerInnen verbunden. Abgesehen von einigen
hochqualitativen Ausbildungen v.a. im technisch-industriellen Bereich ist das
Image der Lehre generell in der Bevölkerung – trotz einschlägiger Kampagnen
und Bemühungen der Sozialpartner – prekär.
Im Kontext dieser Herausforderungen ist es nicht verwunderlich, dass die über-
wiegende Mehrzahl der Untersuchungen, die sich mit der Arbeitssituation und
Ausbildungszufriedenheit von Jugendlichen beschäftigen, ihr Hauptaugenmerk
auf die Identifikation struktureller und inhaltlicher Problemfelder legt.
Im bewussten Gegensatz dazu stehen im Mittelpunkt der vorliegenden Untersu-
chung Fallbeispiele guter und erfolgreicher Praxis in der Lehrlingsausbildung, die
insbesondere Aktivitäten und Rahmenbedingungen in Unternehmen zur Förderung
und Steigerung der Motivation und Ausbildungszufriedenheit der auszubildenden
Jugendlichen näher beleuchten. Aktivitäten und Rahmenbedingungen, mit denen
sich die untersuchten Unternehmen im Wettbewerb um die von ihnen auszubil-
denden Jugendlichen weit vorne positionieren, mit denen den Unternehmen am
Ende der Ausbildung aber auch sehr gut ausgebildete und hoch motivierte Fach-
arbeiterInnen zur Verfügung stehen.
Ein ausführlicher Theorieteil stellt den Hintergrund für die Verortung der erstell-
ten Fallbeispiele mit Hilfe eines Überblicks über den aktuellen Forschungsstand
bzw. im Rahmen grundlegender theoretischer Konstrukte, Modelle und Theorien
zum Themenbereich Motivation und Arbeits- bzw. Ausbildungszufriedenheit dar.
Das darauf folgende Kapitel verknüpft diese Ausführungen mit den grundlegenden
Ergebnissen und Erkenntnissen aus den Fallbeispielen, veranschaulicht durch die
Verwendung von Originalzitaten aus den Interviews. Im Anschluss geben die ein-
zeln angeführten Fallbeispiele einen Einblick in verschiedene Aspekte qualitäts-
voller und motivationsfördernder Ausbildungspraxis.
An dieser Stelle möchten wir uns bei all jenen, die durch ihre Bereitschaft zu den
zum Teil sehr ausführlichen Interviews diese Studie ermöglichten, herzlich bedan-
ken – bei den Ausbildungsverantwortlichen, aber insbesondere den Auszubilden-
den selbst!