Wirtschaftspolitik – Standpunkte. 03 | 2011. seite 18 von 24
tionale Ziele bereits jetzt festzulegen. Ver-
bindliche Zielvorgaben würden frühzeitig
Rechtssicherheit schaffen und wären auch
wichtige Impulsgeber für die Schaffung ei-
nes Marktes für Energieeffizienz-Dienstleis-
tungen.
nicht ohne den Verkehr. Die größten Ein-
sparungsmöglichkeiten gibt es im Bereich
der Gebäude und des Verkehrs. Letzte-
rer fehlt aber im Richtlinienentwurf: Laut
Europäischer Umwelt-Agentur ist der
Verkehrssektor (ohne internationalen
Flug- und Schiffsverkehr) für 19,7% der Ge-
samtemissionen der EU-27 verantwortlich.
In Österreich ist der Verkehr mit Anteil
von 33,5% (2009) der Hauptenergiever-
braucher. Ohne diesen Sektor bleibt die
Richtlinie wirkungslos. Für die AK ist das
inakzeptabel. Und die Begründung, dass
sich der Verkehrsbereich in der Zustän-
digkeit einer anderen Generaldirektion
befindet, reicht wohl nicht aus. Österreich
muss sich massiv dafür einsetzen, dass der
Verkehrsbereich als einer der am schnells-
ten wachsenden Energieverbraucher und
CO2-Emittenten in den Wirkungsbereich
dieser Richtlinie integriert wird. Denn auch
die Energieeffizienz-Maßnahmen im vor
kurzem vorgestellten „Weißbuch Verkehr“
stellen eher Absichtserklärungen dar, kon-
krete, verbindliche Vorgaben sind allerdings
nicht enthalten.
Masterplan gebäudesanierung. Hingegen
wird der Gebäudebereich in die Pflicht ge-
nommen. Es ist zwar ein wichtiger Schritt,
allerdings greift die Festschreibung einer
jährliche Sanierungsrate von 3 % bei öf-
fentlichen Gebäuden in mehrerer Hinsicht
zu kurz: Angesichts angespannter Budget-
situationen und Ausgabenkürzungen im
Rahmen der Konsolidierungspakete sowie
der höchst unterschiedlichen thermisch/
energetischen Gebäudebeständen in den
einzelnen Mitgliedstaaten ist die Festlegung
einer Sanierungsrate von 3% zu undifferen-
ziert. Die EU-Kommission beruft sich bei
der Festsetzung einer derart hohen, auf alle
Mitgliedstaaten gleich anwendbaren Rate
auf die Tatsache, dass dieses Effizienzziel
von vielen Ländern (GB, F, I, B) um 1,7%,
von den USA sogar um 2,2%-2,7% über-
troffen wird. Diese Zahlen relativieren sich
jedoch dadurch, dass die statistische Erfas-
sung nicht harmonisiert ist (bei I und F wird
von Umweltschutzorganisationen davon
ausgegangen, dass Doppelverrechnungen
erfolgen), bzw. bei den USA – dem größ-
ten Energieverschwender der Welt – von
einem ganz anderen Niveau ausgegangen
wird. Durch diese undifferenzierte Vorgabe
kommt es de-facto zu einer Bestrafung der
Mitgliedstaaten, die bereits jetzt eine hohe
Energieeffizienz aufweisen.
Zweckmäßiger wäre es aus Sicht der
AK, in einem ersten Schritt alle öffentlichen
Gebäude auszuweisen, die einen besonders
hohen thermischen bzw. energetischen
Sanierungsbedarf aufweisen und bei de-
nen mit den geringsten Kosten die höchs-
te Energieeffizienz zu erzielen ist – wobei
auch gesamtwirtschaftliche Erwägungen bei
der Auswahl einfließen könnten (Nutzung,
Beschäftigungswirkung). Grundsätzlich gibt
der Entwurf diese Möglichkeit in Absatz 3
schon vor. Weiters sind Überlegungen an-
zustellen, inwieweit auch der private Sektor
verstärkt integriert werden könnte.
Erst in einem zweiten Schritt wären
Ziele festzulegen (entweder Sanierungsra-
te oder Endenergieeinsparung). Mit einem
derartigen „Masterplan Gebäudesanie-
rung“ könnten alle vorhandenen Förder-
mittel und -instrumente sowie andere
Finanzierungsmöglichkeiten gezielt und ef-
fizient eingesetzt werden.
auch energieunternehmen haben ihren
beitrag zu leisten. Der Richtlinienentwurf
sieht vor, dass Energieverteiler oder – ver-
sorger verpflichtet werden 1,5% ihres im
abgelaufen Jahr realisierten Energieabsatz-
volumens einzusparen – ausgenommen da-
von ist der Verkehrsbereich (!). Die Energie-
einsparungen sollen bei den KundInnen der
Energieversorger erreicht werden. Derarti-
ge Energieeinsparungssysteme für die Ener-
giewirtschaft bestehen bereits erfolgreich
in einigen Mitgliedsländern. Wichtiges Signal
der EU-Kommission: Diese Verpflichtungs-
systeme können Auflagen enthalten, dass
Maßnahmen gezielt bei einkommensschwa-
chen Haushalten vorzunehmen sind. Ener-
gieeffizienz-Maßnahmen müssen für alle
zugänglich und leistbar sein. Viele Menschen
können ohne ausreichende Unterstützung
keine Energieeffizienz-Maßnahmen durch-
führen, um so ihre Energiekosten nachhal-
tig zu senken. Nach Eurostat (2009) sind
30 Millionen Menschen von Energiearmut
bedroht, in Österreich sind davon rund
350.000 Menschen betroffen. Diese Pro-
blematik wurde von der EU-Kommission
erkannt: es wird deshalb bei den obligato-
rischen Maßnahmen bewusst zwischen Alt-
und Neugebäuden unterschieden. Ob dies
allerdings ausreicht, bleibt abzuwarten.
Zusätzliche Hemmnisse bilden vielfach
mangelnde Informationen (wie z.B. über
Einsparmöglichkeiten) und offene Finanzie-
rungsfragen (wie z.B. mangelnde Förderan-
reize). Auch diese – nicht rechtlichen Barri-
eren – müssen beachtet werden.
Die Erwartung der EU-Kommission, dass
Energieeinsparung allein durch die Installa-
tion von intelligenten Zählern ermöglicht
wird, teilt die AK nicht. Intelligente Zähler
können zwar eine Verbesserung im Bereich
der Verbrauchsinformation und Rechnungs-
legung bringen, es ist aber höchst umstrit-
ten, ob derartige Verbrauchsinformationen
von den KonsumentInnen tatsächlich wahr-
genommen werden. Aus Sicht der AK wä-
ren Vor-Ort-Energieberatungen nötig, um
das Bewusstsein für den eigenen Verbrauch
zu stärken und den KonsumentInnen kon-
krete Informationen über Einsparungspo-
tentiale zu vermitteln.
Dorothea Herzele, Dominik Pezenka, Susanne Wixforth,
Abteilung Wirtschaftspolitik
1) KOM(2011) 370 vom 22.6.2011, Vorschlag für
eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und
des Rates zur Energieeffizienz und zur Aufhebung
der Richtlinien 2004/8/EG und 2006/32/EG
Mit einem derartigen „Masterplan gebäudesanierung“
könnten alle vorhandenen Fördermittel und -instru-
mente sowie andere Finanzierungsmöglichkeiten ge-
zielt und effizient eingesetzt werden.
Viele Menschen können ohne ausreichende unterstützung keine
energieeffizienz-Maßnahmen durchführen, um so ihre energiekosten
nachhaltig zu senken.