Wirtschaftspolitik – Standpunkte. 04 | 2012. seite 26 von 26
nis: Während die Beschäftigungseffekte
von ökologisch sinnvollen Strategien zur
Abfallvermeidung unklar sind, sind deren
Auswirkungen auf die Anzahl der Green
Jobs eindeutig: Müllvermeidung reduziert
die Anzahl der Green Jobs. Das heißt: Mehr
Green Jobs können nicht automatisch als
Zeichen für eine gute Umweltpolitik inter-
pretiert werden.
den drittgrößten bereich stellen die er-
neuerbaren Energien dar, wobei der größ-
te Beschäftigungseffekt dabei durch die
Großwasserkraft ausgelöst wird. Der Net-
tobeschäftigungseffekt der erneuerbaren
Energien ist positiv, unterscheidet sich aber
– berücksichtigt man auch die höheren Ein-
speisetarife – doch recht deutlich von den
sehr ambitionierten, beschäftigungspoliti-
schen Hoffnungen, die oft mit der Förde-
rung der erneuerbaren Energien verbunden
werden. Ein differenzierter Blick auf die ver-
schiedenen Energieträger ergibt dabei, dass
insbesondere die Kleinwasserkraft und die
Windkraft sehr positiv zu beurteilen sind.
Auch die Beurteilung der Photovoltaik re-
sultiert in einem guten Ergebnis. Die Bilanz
der Biomasse- und Biogasanlagen fällt da
schon schlechter aus, wobei diese insbe-
sondere von den verwendeten Rohstoffen
abhängt, und aufgrund steigender Preise
und mangelnder technischer Entwicklung
eher mit einem negativen Ausblick verse-
hen werden muss.
die vierte bedeutende green Jobs branche
stellt die thermische Sanierung dar. Sie ist
der einzige Bereich, wo sich das Umwelt-
anliegen wirklich mit spürbar positiven
beschäftigungspolitischen Wirkungen ver-
binden lässt. Der Beschäftigungseffekt der
thermischen Sanierung hängt allerdings we-
sentlich davon ab, woher die Mittel dafür
kommen: Am schwächsten sind sie, wenn
die Mittel für die thermische Sanierung
über eine Kürzung im Wohnungsneubau fi-
nanziert werden.
Green Jobs haben daher – mit Ausnah-
me der thermischen Sanierung – kaum
bis keine Auswirkungen auf den Arbeits-
markt. Angesichts der lange grassierenden
Furcht vor dem „Jobkiller Umweltschutz“
ist dies kein schlechtes Resultat. Allerdings
stellt sich die Frage, wie sinnvoll es ist, die
Anzahl an Green Jobs zu schätzen, wenn
anhand deren Zahl keine sinnvollen (be-
schäftigungspolitischen) Aussagen getroffen
werden können: Green Jobs können den
Arbeitsmarkt eben entlasten, aber auch be-
lasten. Beschäftigungsprobleme sind jeden-
falls nicht mit diesen Green Jobs zu lösen.
Sie können daher auch nicht als Ersatz für
eine gute Beschäftigungspolitik oder andere
wirtschaftspolitische Maßnahmen mit star-
ken beschäftigungspolitischen Auswirkun-
gen dienen.
Hinzu kommt, dass nicht einmal die
ökologischen Auswirkungen von Green
Jobs klar sind. So können mehr Green Jobs
– etwa aufgrund eines steigenden Abfall-
aufkommens – auch ein Zeichen für eine
schlechte Umweltpolitik sein.
Aspekte der Qualität von Arbeit wer-
den in der Green Jobs Debatte wenig be-
rücksichtigt. Dies dürfte auch daran liegen,
dass sich Green Jobs in der Realität deutlich
vom öffentlich geprägten Bild unterscheiden.
Während gerne mit hochbezahlten, techni-
schen Fachkräften geworben wird, sind die
Arbeitsbedingungen in vielen Umweltbe-
reichen durch schwere körperliche Arbeit,
gesundheitliche Belastungen und prekäre
Beschäftigungsverhältnisse gekennzeichnet7.
Ziel vernünftiger Umweltpolitik sollte es
jedenfalls sein, mit ökologischen Investitio-
nen nicht nur sinnvolle Umweltschutzmaß-
nahmen durchzuführen, sondern wo mög-
lich – auch gute Arbeitsplätze, von denen
man leben kann, zu schaffen.
Optionen, dies zu tun, gäbe es viele: Der
Ausbau der Fernwärme, die Forcierung der
Wärmedämmung und Investitionen in den
öffentlichen Verkehr wären Möglichkeiten,
Umweltinvestitionen mit der Schaffung von
nachhaltigen und umweltfreundlichen Ar-
beitsplätzen zu verbinden.
Sven Hergovich, Abteilung Umwelt und Verkehr
1) Dieser Artikel basiert auf der noch unveröffent-
lichten Magisterarbeit „Der Nettobeschäftigungs-
effekt von Green Jobs am Beispiel Österreich“
von Sven Hergovich.
2) In den Aussendungen des Ministeriums ist gerne
von rund 210.000 Green Jobs die Rede. Diese
Zahl erhält man, wenn man rund 21.000 Han-
delsangestellte hinzurechnet (etwa weil sie auch
Bio-Produkte verkaufen). Diese Zurechnung ist
allerdings laut gültigem Eurostat- Methodenhand-
buch EGSS explizit verboten.
3) Ebenso fraglich erscheint es, dass immerhin 2.890
Beschäftigte in der Kraftwagenherstellung zu
den Green Jobs gerechnet werden (etwa weil sie
Rußpartikelfilter oder Müllwägen produzieren),
während die Beschäftigen des umweltfreundli-
chen öffentlichen Verkehrs nicht zu den Green
Jobs gerechnet werden.
4) Alle Zahlen sind den jährlich erhobenen Green
Jobs Schätzungen der Statistik Austria entnom-
men. Die Zahlen lassen sich hier finden: http://
www.statistik.at/web_de/statistiken/energie_und_um-
welt/umwelt/umweltorientierte_produktion_und_
dienstleistung/index.html
5) Schätzungen der nicht entlohnten Arbeitskräfte
für verschiedene Betriebstypen in der biologi-
schen und der konventionellen Landwirtschaft
können dem Grünen Bericht 2011 entnommen
werden: http://www.lebensministerium.at/publikati-
onen/land/gruener_bericht/gruener_bericht_2011.
html
6) Einen Übersicht über die Umwelteffekte der
biologischen Landwirtschaft findet man hier:
Niggli, U.; Schmid, O.; Stolze, M.; Sanders, J.; Scha-
der, C.; Fließbach, A.; Mäder, P.; Klocke, P.; Wyss,
G.; Balmer, O.; Pfiffner, L. und Wyss, E. (2009)
Gesellschaftliche Leistungen der biologischen
Landwirtschaft. Forschungsinstitut für biologi-
schen Landbau FiBL, 5070 Frick, Schweiz.
7) Einen guten Überblick über die Arbeitsbedin-
gungen der Green Jobber bietet die AK-Studie
Green Jobs: Arbeitsbedingungen und Beschäfti-
gungspotentiale, die in der Studienreihe Informa-
tionen zur Umweltpolitik erschienen ist. Sie kann
hier kostenlos heruntergeladen werden: http://
wien.arbeiterkammer.at/online/page.php?P=68&IP=
69290&AD=0&REFP=1412
Mehr green Jobs können nicht automatisch als zeichen für
eine gute umweltpolitik interpretiert werden.
green Jobs haben – mit ausnahme der thermischen sanierung
– kaum bis keine auswirkungen auf den arbeitsmarkt.
der ausbau der fernwärme, die forcierung der
wärmedämmung und investitionen in den öffentlichen
Verkehr wären Möglichkeiten, umweltinvestitionen mit
der schaffung von nachhaltigen und umweltfreundlichen
arbeitsplätzen zu verbinden.