Neues aus der Judikatur des EGMR zu gewerkschaftlichen Grundrechten ? V. Wedl
468 DRdA ? 5/2009 ? Oktober
gangs seines Alt-Arbeitgebers (ET verfiel nach den
Übertragungsvorgängen in Konkurs) stellte er das
Begehren, als Abteilungsleiter weiterbeschäftigt zu
werden; hilfsweise beantragte er die Feststellung, dass
ein Arbeitsverhältnis zu Ferrotron bestehe.
Wohl wissend, dass gem Art 4 Abs 1 der BÜ-RL
(technische oder organisatorische Änderungen beim
Erwerber) eine (sofortige) Kündigung des übernommenen
Arbeitsverhältnisses dem Erwerber unbenommen bliebe,
tendiert der EuGH zur Rechtsfolge des Art 4 Abs 2
BÜ-RL. Dieser RLen-Vorschrift entspricht § 3 Abs 5
AVRAG jedoch nur zum Teil. Hat also Österreich die
Vorschrift des Art 4 Abs 2 BÜ-RL mangelhaft umgesetzt,
indem nur der Tatbestand der kollektivvertrags- oder
betriebsvereinbarungsbegründeten Verschlechterung,
nicht aber jener der „Nichtübernahme“ das „privilegier-
te“ (Schima, aaO 151) bzw „außerordentliche“ (Binder,
AVRAG [2001] 169) Kündigungsrecht des AN auslöst?
4.1. Muss auch eine Funktion(sbezeichnung) über-
nommen werden?
In den Rn 51 und 52 (iVm dem Klagebegehren laut
Rn 18) deutet der EuGH an, dass der Kl Klarenberg
nicht nur Anspruch auf Zuweisung eines Arbeitsplatzes
hat, der demjenigen entspricht, den er beim Veräuße-
rer hatte. Es müsse wohl auch ein Arbeitsplatz „als
Abteilungsleiter“ sein.
Dies erscheint unter österr Spruchpraxis, etwa zur
Versetzungsmitwirkung, überzogen. Auf Funktionsbe-
zeichnungen besteht demnach nur in Ausnahmefäl-
len, etwa im Fall einer qualifizierten, unwiderruflichen
Vereinbarung, ein Rechtsanspruch. Ob die Worte des
EuGH diesbezüglich gleich auf die Goldwaage gelegt
werden sollten, ist mE zu bezweifeln.
5. Schlussbemerkung
Der EuGH hat großteils Fragen und Prüfaufträge
an das vorlegende Gericht zurückgegeben und im
Anlassfall noch nichts endgültig beantwortet. Er hat
jedoch sein prinzipielles Verständnis eines Betriebs-
teilübergangs vertieft und einmal mehr sein diesbe-
zügliches Wertungsprinzip aufgezeigt: Die Arbeitsver-
hältnisse stehen in enger Beziehung zu („kleben an“)
den materiellen oder immateriellen Produktionsmitteln.
Werden diese, ganz gleich in welcher Organisations-
struktur, weiterhin genutzt, wird auch der Betriebsmit-
tel-Arbeitsplatz-Bezug nicht durchbrochen.
Dass aus einer „ihre Identität wahrenden wirt-
schaftlichen Einheit“ ein „seine Identität wahrendes
wirtschaftliches Ergebnis“ wird, ist aber letztlich nur
unter Berücksichtigung des Selbstverständnisses einer
„Herrschaft der Richter im Recht ohne Staat“ (Perntha-
ler, JBl 2000, 691) nachvollziehbar.
HANNES SCHNELLER (WIEN)
Personalia
Zum 70. Geburtstag von Karl Spielbüchler
„Vom Bezirksrichter im Mühlviertel zu einem der
maßgebenden und profiliertesten Mitglieder des VfGH“,
„Richterpersönlichkeit und Wissenschafter: Karl Spiel-
büchler [...] vereinigt beides in vorzüglicher Weise“: So
sind die Laudationes von Cerny/Floretta/Strasser ein-
geleitet, die in dieser Zeitschrift zum 60. (DRdA 1999,
425) bzw zum 65. Geburtstag (DRdA 2004, 494) des
Jubilars erschienen sind. Es ist für mich eine schwieri-
ge Aufgabe, zum bevorstehenden 70. Geburtstag des
em. Univ.-Prof. Karl Spielbüchler am 27.9.2009 noch
etwas nachzutragen, das noch nicht gesagt worden
ist. Selbst der Hinweis auf seinen Geburtsort Bad Ischl
und auf seine Ansässigkeit in der Gosau, in der er seit
seiner Emeritierung an der Universität Linz ständig lebt,
fehlt nirgends, einer Landschaft, mit der er verbunden
ist wie mit keinem anderen Ort. Ich würde sogar so weit
gehen zu sagen, dass man mit „der Gosau“ bei Spiel-
büchler auch eine bestimmte Haltung kennzeichnen
kann, die den erdverbundenen Intellektuellen, der dem
humboldtschen Bildungsideal ebenso nahe ist wie der
Einfachheit des Landlebens, kennzeichnet. Überspitzt
formuliert: Was sich in der Gosau als gut und richtig
erwiesen hat, kann in Linz (Wien oder anderswo) nicht
ganz falsch sein. Und die Erfahrung scheint dies häufi-
ger zu bestätigen als zu widerlegen.
Spielbüchler entstammt einer sozialdemokrati-
schen Familie: Sein Vater – politisch Verfolgter des
Ständestaates – war 1945 Bürgermeister von Gosau,
wurde im selben Jahr Abgeordneter zum Nationalrat
und gehörte den beiden Häusern des Parlaments
nahezu 25 Jahre ununterbrochen an. Sein Sohn, unser
Jubilar, ursprünglich dem Richteramt zugeneigt, hat
sich von Rudolf Strasser, einem Rattenfänger juristi-
scher Talente, zur Wissenschaft und zur Übersiedlung
an die Universität (damals noch Hochschule) Linz
überreden lassen, um sich dort schon mit 31 Jahren
für bürgerliches Recht und Arbeitsrecht zu habilitieren.
Seine Habilitationsschrift „Der Dritte im Schuldver-
hältnis (über den Zusammenhang von Schuld- und
Sachenrecht)“ deutet schon auf einen Schwerpunkt
seiner wissenschaftlichen Interessen neben dem
Arbeitsrecht, nämlich das Sachenrecht, hin. Auch „der
Dritte“ ließ ihn nicht los, wie seine Kommentierung der
Anweisung in Klang3 zeigt. Seine Treue zum Arbeits-
recht hält er nicht nur durch seine Publikationen, allen
voran das Lehrbuch über Individualarbeitsrecht, das
wohl als bislang in seiner Kombination von Präg-
nanz, Kürze und wissenschaftlicher Tiefe unerreichtes
Standardwerk auf diesem Gebiet gelten kann: Er ist
seit Anbeginn Mitglied und in der Nachfolge Hans
P rson lia