Trotz regelmäßigen Arbeitseinsatzes in Deutschland – keine Anwendung des Mindestlohngesetzes ? W. KOZAK
DRdA ? 5/2017 ? Oktober386
debestimmungen auch zur Lösung der Rechtsfrage
anwenden müsste.
Gegenständliche Meldebestimmungen dienen aber
lediglich dazu, die Einhaltung des Mindestlohnes
durch Kontrollen der Behörden jenes Staates zu
ermöglichen, der für sein Territorium die Mindest-
lohnbestimmungen erlassen hat. Charakteristikum
dieser Bestimmungen ist, dass der Vertrag, auf-
grund dessen die Arbeitsleistung auf dem Staatsge-
biet des erlassenden Staates verrichtet wird, gerade
nicht unrechtmäßig wird, sondern die Verletzung
der Meldeverpflichtung „lediglich“ ein Bußgeld,
im österreichischen Sinne eine Verwaltungsstrafe
für den Täter, nach sich zieht. Eine wesentliche
Vo raus setzung der Anwendung einer forumsfrem-
den Eingriffsnorm ist daher nicht gegeben. Da diese
Normen lediglich Meldeverpflichtungen gegenüber
deutschen Behörden regeln und somit das Verhält-
nis des AG zu Dritten behandeln, sind diese daher
auch nicht als relevant für die Vertragsbeziehung
zwischen AG und AN anzusehen. Eine Einschät-
zung, ob und wie §§ 16 ff MiLoG gelten und anzu-
wenden sind, unterliegt daher ausnahmslos deut-
schen Behörden. Einen Zusammenhang zwischen
diesen Normen ist daher nur für diese relevant,
wobei die Fragestellung aber gerade umgekehrt zu
erfolgen hat: Wenn die Mindestlohnbestimmung
von § 20 MiLoG nicht anzuwenden ist, gelten die
Bestimmungen über die Meldeverpflichtung als
Eingriffsnormen in Deutschland trotzdem; dürfen
also deutsche Behörden dann kontrollieren?
Im Ergebnis sind die Eingriffsnormen von §§ 16
und 17 MiLoG also dogmatisch nicht für die
Wertung heranzuziehen, ob § 20 MiLoG Wirkung
verliehen wird, da sie zwischen den Vertragspart-
nern des Arbeitsvertrages auch am Erfüllungsort
keine Wirkung entfalten.
4.3. Dienstleistungsfreiheit und Anwendung
der Eingriffsnormen
Eine Wirkungsverleihung muss jedenfalls auch den
Vorgaben der Dienstleistungsfreiheit von Art 56
AEUV entsprechen. Dazu müssen mE zwei Krite-
rien gegeben sein: Zum einen muss die forums-
fremde Eingriffsnorm selbst dem Unionsrecht ent-
sprechen, zum anderen muss auch die Rechtsfolge,
wenn diese Wirkung verliehen wird, im Rahmen
von Art 56 AEUV liegen, wobei es zu beachten gilt,
dass die Entsendungs-RL aufgrund des Prozessver-
laufs nicht zu beachten war.
Die Norm kann aber dann als mit Art 56 AUEV ver-
einbar gelten, wenn die Rechtsfolge der betreffen-
den Schutznorm nicht über das Schutzniveau der
Entsende-RL hinausgeht (vgl Rebhahn in Franzen/
Gallner/Oetker [Hrsg], Kommentar zum europä-
ischen Arbeitsrecht Art 3 96/71/EG Rz 2 Ende, zu
Rechtsnormen). Einschränkungen der Dienstleis-
tungsfreiheit können grundsätzlich überdies nur
dann vorgenommen werden, wenn zwingender
Gründe eines Allgemeininteresses, wozu der AN-
Schutz zählt, vorhanden sind (vgl Ausführungen
EuGH 15.3.2001, C-165/98, Mazzoleni, Rz 27).
Diese Einschränkung muss jedoch erforderlich und
verhältnismäßig sein (vgl Budischowsky in Mayer/
Stöger [Hrsg], EUV/AEUV, Art 56, 57 AEUV Rz 25
[Stand: April 2011, rdb.at]). Nach der Ansicht des
EuGH 2001 ist bei kurzfristigen Einsätzen von AN
in der Grenzregion in anderen Mitgliedstaaten eine
Verhältnismäßigkeitsprüfung dahingehend vorzu-
nehmen, ob das Schutzniveau der AN im Entsen-
destaat gleichwertig zu jenem der Empfangsstaaten
ist, wobei eine Berücksichtigung von Lohnhöhe,
Sozialabgaben, Steuer und Dauer der Arbeit vor-
zunehmen ist. Ebenso ist zu prüfen, ob die Beach-
tung des Mindestlohns im Aufnahmestaat nicht
zu unverhältnismäßig hohen Verwaltungskosten
führt (EuGH Rs Mazoletti, Rz 33 und 37). Überdies
ist nach Rebhahn zu prüfen, ob im Empfangs-
staat ansässige Unternehmen und AN durch einen
Wettbewerb über Lohndumping verdrängt werden,
da die Verhinderung eines unfairen Wettbewerbs
die Anwendung des Mindestlohnes rechtfertigen
würde (vgl Rebhahn in Franzen/Gallner/Oetker
[Hrsg], Kommentar zum europäischen Arbeitsrecht
Art 3 96/71/EG Rz 51). Eine solche Prüfung führte
aber unweigerlich dazu, dass aufgrund der fak-
tischen Schwierigkeiten der Durchführung eine
schnelle und transparente Feststellung der Geltung
von Mindestlöhnen, wie dies der EuGH ansonsten
fordert, nicht möglich wäre und Rechtsunsicher-
heit hinsichtlich der Geltung von der verpflich-
tenden Anwendung von Mindestlöhnen zur Folge
hätte. Gerade diese Rechtsunsicherheit könnte
aber Unternehmen von der Inanspruchnahme der
Dienstleistungsfreiheit abhalten und so eine nicht
gewünschte beschränkende Wirkung entfalten
(vgl zum Beschränkungsverbot: Budischowsky in
Mayer/Stöger [Hrsg], EUV/AEUV, Art 56, 57 AEUV
Rz 24 [Stand: April 2011, rdb.at]). Eine solche
Rechtslage würde daher den elementarsten Grund-
sätzen der Dienstleistungsfreiheit widersprechen,
eine generelle Übertragung der in der Rs Mazzo-
leni geäußerten Rechtsausführungen des EuGH ist
daher untunlich und nicht zielführend.
Da in gegenständlichem Fall die Dauer der Arbeits-
leistung in Deutschland überwog, der AN regelmä-
ßig die Touren zum und vom Flughafen betreute,
ein Geschäftsmodell vorliegt, dass Vorkehrungen
zur Berechnung der unterschiedlichen Lohnhöhen
jedenfalls verhältnismäßig erscheinen lässt und
auch bei Anrechnung aller österreichischen Ent-
geltbestandteile eine Lohndifferenz von 30 Euro-
cent pro Stunde vorliegt, wäre allein aufgrund des
Schutzes des fairen Wettbewerbs die Anwendung
der forumsfremden Eingriffsnorm europarechtlich
geboten, da diese im öffentlichen Interesse liegt
und nicht nur das Interesse der (einzelnen) Kl zu
bewerten ist. Auch bei diesem würde immerhin
eine Unterentlohnung für ca ein Drittel seiner
Arbeitszeit vorliegen.
4.4. Wertung der Forumsrechtsordnung
Der Anwendungsvorbehalt von Art 9 Abs 3 Rom
I-VO dient dazu, nur jene forumsfremden Eingriffs-
normen im Rahmen der innerstaatlichen Rechts-
ordnung zur Anwendung zu bringen, die den
Wertungsgrundsätzen dieser Rechtsordnung ent-
sprechen. Man könnte daher von einer Art „ordre