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§ 932 Abs 2 und 4 ABGB bestimmen den Vorrang der primären Gewährleistungsbehel-
fe, Verbesserung und Austausch, vor den sekundären Gewährleistungsbehelfen, Preis-
minderung und Wandlung. Der/Die ÜbernehmerIn kann demnach von dem/der Über-
geberIn zunächst nur die Verbesserung oder den Austausch der mangelhaften Sache
verlangen. Der Gesetzgeber sieht diese Zweistufigkeit der Gewährleistung vor, weil er
dem/der ÜbergeberIn eine „weitere Chance“ bieten will, den vertragsgemäßen Zustand
herzustellen. Preisminderung oder Wandlung kann der/die ÜbernehmerIn nur fordern,
wenn die Verbesserung und der Austausch nicht möglich sind, für den/die ÜbergeberIn
mit einem unverhältnismäßigen Aufwand verbunden wären oder wenn er dem Verlan-
gen des Übernehmers/der Übernehmerin nicht oder nicht in angemessener Frist nach-
kommt. Diese Rechte stehen unabhängig von der Art und der Schwere des Mangels zu
und sind ins besondere auch auf Werkverträge1050 anzuwenden.1051
Da ein „Austausch“ iSd Gesetzes nicht möglich ist,1052 kommt vor allem Verbesserung
in Frage. Die Verbesserung einer eingereichten Arbeit ist grundsätzlich möglich.
Gem § 879 Abs 3 ABGB ist eine Bestimmung dann gröblich benachteiligend und damit
unwirksam, wenn es sich nicht um eine sachlich berechtigte Abweichung von der für
den Durchschnittsfall getroffenen Regel des dispositiven Rechts handelt.1053
Die Einräumung einer Möglichkeit zur Verbesserung der mangelhaften Arbeit durch
die CrowdworkerInnen ist technisch wie rechtlich möglich. Fraglich ist, ob sie mit kei-
nen unzumutbaren Folgen für die AuftraggeberInnen verbunden ist, da der Prozess da-
durch klarerweise verlangsamt wird. Dennoch ist mE darauf hinzuweisen, dass die
Verbesserung innerhalb einer angemessenen Nachfrist1054 durchgeführt werden muss.
Deshalb sind dadurch mE auch keine unzumutbaren Folgen verbunden.
Durch die Vereinbarung der sofortigen Möglichkeit einer Wandlung des Vertrags wird
der/die WerkunternehmerIn seiner „zweiten Chance“ von vornherein beraubt. Des Wei-
teren normiert das Gesetz ausdrücklich jene Fälle, die den/die ÜbernehmerIn zur sofor-
1050 Siehe § 1167 ABGB.
1051 Welser in Koziol/Welser, Bürgerliches Recht II13 71; Zöchling-Jud, in Kleteèka/Schauer, ABGB-
ON1.02 § 932 ABGB Rz 4; Ofner in Schwimann/Kodek, ABGB Praxiskommentar4 § 932 ABGB
Rz 6 f.
1052 Ein Austausch ist nur bei Gattungsschulden möglich. Vgl Zöchling-Jud in Kleteèka/Schauer,
ABGB-ON1.02 § 932 ABGB Rz 9 f; Reischauer in Rummel, ABGB3 § 932 Rz 10; Ofner Schwimann/
Kodek, ABGB Praxiskommentar4 § 932 ABGB Rz 16.
1053 Kleteèka in Koziol – Welser/Kleteèka, Bürgerliches Recht I14 Rz 436; Graf in Kleteèka/Schauer
ABGB-ON1.01 § 879 ABGB Rz 279.
1054 Hinsichtlich der Beurteilung, ob eine Frist als angemessen zu betrachten ist, kann mE wohl auf
die Regelungen beim Verzug verwiesen werden. Dort hängt die Länge der Nachfrist von den
Umständen des Einzelfalles ab. Es muss aber der Schuldner die Möglichkeit haben, innerhalb
der Frist seiner Leistungspflicht nachzukommen. Bei Mikrotasks, deren Bearbeitung 10 Minu-
ten dauert, wäre mAn deshalb eine angemessene Nachfrist von weiteren 10 Minuten durchaus
zumutbar. Im Übrigen könnten Argumente gegen eine sachlich nicht gerechtfertigte Verzöge-
rung des Crowdwork-Prozesses im Rahmen der Beantwortung der Angemessenheit der Frist
Berücksichtigung finden, was mAn eher gerechtfertigt wäre, als eine pauschale Wandlung des
Vertrags bei Vorliegen eines Mangels zuzulassen.
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