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VII. Aufenthaltsrecht aus berücksichtigungs -
würdigen Gründen („Bleiberecht“)
1. Allgemeines
Auch vor dem 31. 3. 2009 bestand zwar die Möglichkeit, nicht recht-
mäßig aufhältige Fremde durch die Erteilung eines Aufenthaltstitels
aus humanitären Gründen zu legalisieren, allerdings war die Erlan-
gung des humanitären Aufenthaltsrechts größtenteils als Gnadenrecht
konzipiert. Als die in diesem Verfahren zentrale Behörde konnte die
Bundesministerin für Inneres einen Aufenthaltstitel erteilen. Die Kri-
terien für die Erlangung des Aufenthaltstitels waren jedoch weder ge-
nau festgelegt noch hatten die Betroffenen eine effektive Möglichkeit,
die Verweigerung eines Aufenthaltstitels aus humanitären Gründen
rechtlich zu bekämpfen.
Der Verfassungsgerichtshof sah die damals geltende Rechtslage als
verfassungswidrig an (VfGH 27. 6. 2008, G 246, 247/07). Hauptkritik-
punkt war, dass selbst bei Personen, bei denen eine Aufenthaltsbeen-
digung auf Grund ihrer überaus intensiven familiären und privaten
Bindungen zum Bundesgebiet nicht mehr zulässig war, nicht zwin-
gend ein Aufenthaltstitel zu erteilen war. Somit wurde in erster Linie
beanstandet, dass Personen, deren Aufenthaltsbeendigung nach Art 8
EMRK nicht zulässig war, nicht in weiterer Folge ein Aufenthaltsrecht
gewährt werden musste. Immer dann, wenn eine Aufenthaltsbeendi-
gung nicht mehr zulässig ist, ist dem/der Fremden in letzter Konse-
quenz ein Aufenthaltstitel zu erteilen.
Diesen Grundsatz versuchte der Gesetzgeber in einer Novelle umzu-
setzen, die am 1. 4. 2009 in Kraft trat. Das Grundprinzip der nunmehr
geltenden Regelungen, die in der Öffentlichkeit oftmals als Bleibe-
recht diskutiert werden, ist, dass immer dann, wenn eine Rückkehr-
entscheidung auf Grund der bestehenden familiären und privaten Bin-
dungen auf Dauer nicht zulässig ist, ein Aufenthaltstitel erteilt werden
muss. Durch die Novelle, die am 1. 1. 2014 in Kraft trat, wurde dieser
Grundsatz beibehalten. Allerdings änderte der Gesetzgeber die Zu-
ständigkeiten. Es ist nicht mehr Sache der Aufenthaltsbehörden, über
einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen zu
entscheiden. Vielmehr fällt dieser Bereich nun zur Gänze in die Kom-
petenz des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl.
Der frühere Zustand, dass bei bestimmten Fremden eine Aufenthalts-
beendigung nicht möglich war, jedoch kein Aufenthaltstitel erteilt
wurde, wodurch Menschen als Illegalisierte im rechtsfreien Raum le-