Ist das Arbeitsverhältnis vom Arbeitgeber wegen des Geschlechts des Arbeitnehmers oder
wegen der offenbar nicht unberechtigten Geltendmachung von Ansprüchen nach dem
GlBG gekündigt worden oder ist ein Probearbeitsverhältnis wegen eines solchen Grundes
beendet worden, so kann der Arbeitnehmer die Kündigung bei Gericht anfechten (§ 12
Abs 7 iVm § 15 Abs 1a GlBG; vgl hiezu auch 6.7.3)202. Ebenso ist die Kündigung bzw
Beendigung des Arbeitgebers anfechtbar, wenn sie wegen der ethnischen Zugehörigkeit,
der Religion, der Weltanschauung, des Alters oder der sexuellen Orientierung des Ar-
beitnehmers bzw wegen der nicht offenbar unberechtigten Geltendmachung von Ansprü-
chen nach dem GlBG erfolgt (§ 26 Abs 7 GlBG). Wird ein Arbeitnehmer, der nicht
dem besonderen Kündigungsschutz nach § 8 BEinstG unterliegt, vom Arbeitgeber wegen
seiner Behinderung gekündigt oder wird deswegen sein Probedienstverhältnis beendet oder
wegen der nicht offenbar unberechtigten Geltendmachung von Ansprüchen nach dem
BEinstG, so kann die Kündigung gerichtlich angefochten werden (§ 7f Abs 1 u
3 BEinstG)203.
Die Anfechtung einer Kündigung in den genannten Fällen ist als Individualrecht des Arbeit-
nehmers und nicht als betriebsverfassungsrechtliche Befugnis ausgestaltet, dh dass nur der
Arbeitnehmer und nicht auch der Betriebsrat anfechtungsberechtigt ist. Es stellt sich somit
die Frage, ob es dem verfassungsrechtlichen Gleichheitssatz entspricht, die Anfechtung einer
Kündigung oder Entlassung wegen bestimmter Motive und Sachverhalte grundsätzlich der
betrieblichen Mitbestimmung zu unterstellen (§§ 105 Abs 3, 106 und 107 ArbVG) und in
bestimmten Einzelfällen ausschließlich eine Individualanfechtung durch den Betroffenen
vorzusehen.
Falls sich der Arbeitnehmer bei der Kündigungsanfechtung auf das konkret vom Gesetz missbilligte
Motiv beruft, so hat er dies glaubhaft zu machen. Die Klage ist abzuweisen, wenn bei Abwägung aller
Umstände eine höhere Wahrscheinlichkeit dafür spricht, dass ein anderes vom Arbeitgeber glaubhaft
gemachtes Motiv für die Kündigung ausschlaggebend war (§§ 8 Abs 2, 9 Abs 2, 15 Abs 1 AVRAG,
§§ 12 Abs 12, 26 Abs 12 GlBG; § 7p BEinstG). Diese Vorgangsweise, die eine erleichterte Beweis-
führung ermöglichen soll, wurde dem Anfechtungsverfahren wegen der Kündigung aus verpöntem
Motiv nachgebildet (vgl 8.2.8.1.3).
Die Bestimmungen des allgemeinen Kündigungsschutzes nach § 105 ArbVG kommen je-
denfalls unabhängig von den besonderen Anfechtungsmöglichkeiten außerhalb des ArbVG
zur Anwendung. Wurde etwa der Betriebsrat von der beabsichtigten Kündigung nicht ver-
ständigt, dann ist die Kündigung ohnedies rechtsunwirksam (vgl 8.2.8.1.1) und damit aber
auch eine Anfechtung nach dem AVRAG bzw dem GlBG nicht möglich. Bei ordnungsge-
mäß eingehaltenem Vorverfahren nach § 105 ArbVG ist hingegen eine Anfechtung der
Kündigung gem § 105 ArbVG parallel zu jener nach dem AVRAG oder dem GlBG zulässig,
wenn entsprechende Anfechtungsgründe vorliegen (vgl 8.2.8.1.3 u 8.2.8.1.4).
Kündigung und Kündigungsbeschränkungen
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8.2.8.2.
201 Zur Dauer des Bestandsschutzes s OGH 26. 2. 2016, 8 ObA 1/16d, DRdA-infas 2016, 146.
202 Vgl insb Smutny/Mayr, Gleichbehandlungsgesetz (2001), 289; Trost, Mittelbare Diskriminierung durch die
Rechtsprechung zum allgemeinen Kündigungsschutz, in Floßmann/Trost (Hrsg), Aktuelle Themen der
Frauenpolitik (1994), 133; OGH 29. 9. 2015, 8 ObA 62/15y, DRdA 2016, 250 mit Bespr v Mair.
203 Vgl Spitzl, Arbeitgeberkündigung in Unkenntnis der Behinderteneigenschaft des Arbeitnehmers, ZAS 2005,
209.
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