Zur Erfüllung des Tatbestandes der sexuellen Belästigung
§ 6 Abs 2 GlBG; § 45 VBO 1995
OGH vom 27.1.2017, 8 ObA 6/17s
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Rechtslage
Gemäß § 6 Abs 2 Z 1 GlBG liegt sexuelle Belästigung vor, wenn ein der sexuellen Sphäre zugehöriges
Verhalten gesetzt wird, welches
• die Würde der Person beeinträchtigt oder dies bezweckt,
• für die betroffene Person unerwünscht, unangebracht und anstößig ist und
• eine einschüchternde, feindselige oder demütigende Arbeitsumwelt für die betroffene Person
schafft oder dies bezweckt.
Gemäß § 45 Abs 2 Z 2 VBO 1995 liegt ein wichtiger Grund, der die Gemeinde zur Entlassung berech-
tigt, insbesondere vor, „wenn der Vertragsbedienstete sich einer besonders schweren Verletzung der
Dienstpflichten oder einer Handlung oder einer Unterlassung schuldig macht, die ihn des Vertrauens
der Gemeinde unwürdig erscheinen läßt, insbesondere wenn er sich Tätlichkeiten oder erhebliche Ehr-
verletzungen gegen Vorgesetzte, Mitarbeiter, Parteien oder Kunden zuschulden kommen läßt oder
wenn er gegen das Verbot gemäß § 4 Abs 5 verstößt“.
Problem
Fraglich war, ob der klagende Arbeitnehmer eine Kollegin sexuell belästigt hat und die ihm ausgespro-
chene Entlassung daher berechtigt war. Insbesondere stellte sich die Frage, ob in diesem Einzelfall für
den klagenden Arbeitnehmer überhaupt erkennbar sein konnte, dass sein Verhalten für die betroffene
Person unerwünscht war, weil ähnliches Verhalten von der betroffenen Kolleginnen die letzten Jahre
unwidersprochen blieb.
Ergebnis
Das Verhalten des klagenden Arbeitnehmers erfüllte den Tatbestand der sexuellen Belästi-
gung mangels Erkennbarkeit nicht. Die Entlassung war daher unberechtigt.
Entscheidungsgründe
Was war geschehen?
Der klagende Arbeitnehmer und seine Arbeitskollegin kannten einander schon jahrelang; sie pflegten
einen freundschaftlichen Umgang miteinander und es gab auch private Kontakte. Es gab einen indis-
kutablen Annäherungsversuch des klagenden Arbeitnehmers an seine Kollegin, der jedoch jahrelang
zurücklag und daher für das gegenständliche Verfahren nicht von Relevanz war. In den letzten Jahren
verhielt sich der Umgang so, dass der Arbeitnehmer seine Kollegin zur Begrüßung wiederholt umarm-
te und auch einmal auf den Mund küsste. Es ist nicht erwiesen, dass die Arbeitskollegin, der dies lästig
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