P.b.b. Zulassungsnummer: 02Z034644 M
Erscheinungsort Wien, Verlagspostamt 1040 Wien
Herausgeber, Verleger, Medieninhaber:
Bundeskammer für Arbeiter und Angestellte
1040 Wien, Prinz-Eugen-Straße 20-22
Satz und Layout: www.fielhauer.at | Jakob Fielhauer
Alle Fotos: AK Wien, Abteilung Betriebswirtschaft
Verlags und Herstellungsort: Wien
Der österreichische Kapitalmarkt steht
in den letzten Jahren immer wieder im
Zeichen undurchsichtiger Unterneh-
mens-, Korruptions- und Bilanzskan-
dale. Wie jüngste Beispiele (Hypo Alpe
Adria AG, Telekom Austria AG) zeigen,
reichen Appelle an Moral und Tugend
des „ehrbaren Kaufmanns“ nicht aus.
Der Ruf nach einem höheren Maß an
Transparenz, verstärkter Kontrolle und
mehr Diversität in der Unternehmens-
leitung wird immer lauter. Die Politik hat darauf reagiert
und auf europäischer Ebene zahlreiche Maßnahmen
gesetzt. Oberstes Ziel dabei bleibt allerdings – getreu dem
Shareholder-Value Prinzip – die Zufriedenheit der Investo-
rInnen zu gewährleisten.
Seit 2002: „Soft law“ in Österreich
Doch es geht um mehr und zwar um verantwortungsvolle
Unternehmensführung im Sinne aller Stakeholder (Beschäf-
tigte, KundInnen, Staat, etc.). Die maßgeblichen Leitlinien
dafür sind in börsennotierten Unternehmen allerdings nicht
ausschließlich verbindlich per Gesetz, sondern zusätzlich
auf freiwilliger Basis geregelt. Gegossen sind die durchaus
gutgemeinten Standards für Unternehmensführung und
-kontrolle in sogenanntes „soft law“, herausgegeben als
unverbindliche Kodizes. Bereits im Herbst 2002 ist für den
österreichischen Kapitalmarkt ein entsprechender Corpo-
rate Governance Kodex in Kraft getreten.
Evaluierung 2012: Alles beim Alten
Seit seiner Etablierung bekennen sich immer mehr
Unternehmen an der Wiener Börse zum Kodex; war es
2003 nicht einmal ein Drittel der Unternehmen, sind es
im Jahr 2012 bereits 84 Prozent. Doch der theoretischen
Akzeptanz der Kodex-Standards steht deren praktische
Umsetzung oftmals diametral gegenüber, fallen doch in die
Ära des Kodex die größten Börsenskandale der jüngsten
Vergangenheit. Ist der Corporate Governance Kodex doch
bloß ein „krallen- und zahnloser Tiger“, der sich beliebig
gegen den Strich streicheln lässt? Die Ergebnisse der
Kodex-Evaluierung der Abteilung Betriebswirtschaft der
AK Wien vom Oktober 2012 zeigen: Nur drei Unternehmen
(Do&Co Restaurants & Caterings AG, voestalpine AG und
Wienerberger AG) halten sich an alle Kodex-Empfehlun-
gen. Die überwiegende Mehrheit (93 Prozent) weicht von
zumindest einem Kodex-Standard ab.
Kodex-Empfehlungen bleiben wirkungslos
Am häufigsten missachten die Unternehmen wieder
einmal die Empfehlung zur individuellen Angabe der Vor-
standsvergütung: Sechs von zehn Unternehmen machen
daraus auch 2012 ein Geheimnis. Neben mehr Transpa-
renz sieht der Kodex aber vor allem eine Neuausrichtung
der Vorstandsvergütungssysteme nach den Kriterien
Angemessenheit und Nachhaltigkeit vor: Dies umgehen
40 Prozent der Unternehmen ebenso wie sich mehr als
ein Drittel weigert, zu den Grundsätzen der Vergütung
zu berichten. Zudem ist der Österreichische Corporate
Governance Arbeitskreis in der Frage der ausgewogenen
Vertretung von Frauen und Männern an der Unterneh-
mensspitze klar gescheitert: Im September 2012 sind in
der gesamten Unternehmensbreite der Wiener Börse nur
fünf Frauen (3 Prozent) im Vorstand vertreten, lediglich 11
Prozent der AufsichtsrätInnen sind weiblich.
10 Jahre und wie weiter…
Wie die Evaluierung der Einhaltungspraxis des Kodex
zeigt, ist das Prinzip der freiwilligen Selbstverpflichtung
gerade in den brennenden Fragen von „good governance“
gescheitert. Statt weitere zehn Jahre auf die Etablierung
von „soft law“ zu setzen, sollten die Kräfte für die gemein-
same Weiterentwicklung des Gesellschaftsrechts gebün-
delt werden. Und zwar im Sinne aller Stakeholder und
nicht wie bisher von ausgewählten Interessensgruppen.
Gefordert sind klare und verbindliche Regeln, deren Ein-
haltung extern überprüft wird und deren Nichteinhaltung
spürbare Sanktionen nach sich ziehen.
Download der Studie „Kodex-Report 2012“ unter
http://wien.arbeiterkammer.at/betriebsraete/ifam.htm
10 JAHRE UND KEIN BISSCHEN WIRKSAM:
CORPORATE GOVERNANCE KODEX IN ÖSTERREICHT
von CHRISTInA WIESER
Maga Christina Wieser ist
Referentin in der Abteilung
Betriebswirt-schaft der
AK-Wien