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„ln den industriell entwickel¬
ten Ländern", heißt es in dem
Manifest, das vom Londoner
Kongreß des IBFG heraus¬
gegeben wurde, „sind alle tech¬
nischen Voraussetzungen vor¬
handen, eine Welt zu schaffen
mit Vollbeschäftigung, Sicherheit
gegen Mangel sowie gegen Not
im Alter und bei Krankheit."
In der Ausübung seines Rechtes,
im Namen der Arbeiter der Welt
im Wirtschafts- und Sozialrat, in
der Internationalen Arbeitsoraani-
sation und anderen Körperschaften
der Vereinten Nationen mitzu¬
beraten, hat der IBFG konkrete
Vorschläge ausgearbeitet. Die An¬
strengungen des IBFG waren nicht
umsonst, denn die Vollversamm¬
lung der Vereinlen Nationen hat
im Jahre 1951 ein Programm an¬
genommen, das die Regierungen
verpflichtet, eine Vollbeschäf¬
tigungspolitik zu verfolgen.
Als die Delegierten zum ersten
IBFG-Kongreß das Manifest „Für
Brot, Frieden und Freiheit" annah-
men, waren sie sich darüber im
klaren, daß sie ihre neue Organi¬
sation mit einer Veraniwortung be¬
luden, die weit über die Brot- und
Butterprobleme der Löhne und
Arbeitsbedingungen hinausreicht.
Von Anfang an hat der IBFG den
Standpunkt eingenommen, daß die
Erhaltung des Friedens untrennbar
mit der Verteidigung der Freiheit
zusammenhängt.
Deshalb unterstützen die freien
Gewerkschaften die Anstren¬
gungen der demokratischen
Völker zu ihrer Verteidigung
gegen Aggression und Bedro¬
hung. Dabei mußte der IBFG
allerdings öfters die fehlende
Planung und Koordination
der Wirtschaft der freien Welt
kritisieren, da dies zu inflationi¬
stischen Preisauftrieben, wirt¬
schaftlichen Leerräumen und so¬
gar zu Arbeitslosigkeit
führte.
Auf den demokratischen Rech¬
ten einschließlich des Rechtes der
Arbeiter auf freie Organisierung
in Gewerkschaften ihrer eigenen
Wahl herumzutrampeln ist leider
nicht ein Monopol einzelner totali¬
tärer Länder. Der IBFG hat seine
Stimme gegen Zwangsarbeit und
Verletzung der Gev/erkschafts-
rechte in Diktaturen erhoben,
mußte aber auch andere Regie¬
rungen kritisieren, wenn sie die
Grundrechte der Arbeitnehmer
verletzten.
Selbstverständlich hat sich der
IBFG, der viele angeschlossene
Organisationen in unselbständigen
Gebieten hat, mit der Frage der
Herbeiführung der Selbstregierung
abhängiger Völker befaßt. Der
Generalrat des IBFG hat im Juli
1952 in Berlin ein 17-Punkte-Pro-
gramm beschlossen, das unter an¬
derem festlegt, daß ein bedeuten¬
der Prüfstein, ob ein Land zur
Selbstregierung reif ist, die Exi¬
stenz einer freien Gewerkschafts¬
bewegung sein soll, die die Rechte
der Arbeitnehmer garantieren
kann. Das sind einige der wich¬
tigsten Probleme, mit denen sich
der IBFG in den ersten drei Jahren
seines Bestehens beschäfiigt hat.
Der IBFG breitet sich Jahr für
Jahr aus, der kommunistische Welt¬
gewerkschaftsbund verliert ständig
an Boden. Der IBFG ist auf dem
richtigen Weg und wird auch im
vierten Jahr seines Bestehens für
Brot, Frieden und Freiheit aller
Völker eintreten.
Seite 2 Nr. 182 SOLIDASITÄT
Zollpolitik auf neuen Wegen ?
Wie alljährlich war auch diesmal der Jahreswechsel der Anlaß zu mehr
oder weniger optimistischen Prognosen für das Jahr 1953. Dem Finanz¬
ministerium blieb es Vorbehalten, gleich zu Beginn des neuen Jahres eine
Tat zu setzen, die als Herausforderung der arbeitenden Bevölkerung unseres
Landes angesehen werden muß. Unter Beratung auf den Ablauf eines Teiles
des § 5 des Zollüberleitungsgeselzes hat er für eine große Zahl von Waren
mit Wirkung vom 1. Jänner 1953 die beslehende Zollfreiheit, beziehungs¬
weise Zollermäßigung ganz oder teilweise aufgehoben. Daß sich das Finanz¬
ministerium dabei nicht von juristischen Überlegungen leiten ließ, geht
daraus hervor, daß für eine andere Gruppe von Waren — trotz des Fehlens
der bisherigen gesetzlichen Grundlagen — weiterhin ein begünstigtes Ver¬
fahren aufrecht bleibt.
Die neuen Zölle betreffen sowohl
Agrar-, wie Industrieprodukte. Auf
dem landwirtschaftlichen Sektor lal¬
len darunter: Zucker, Eier, fast alle
Sorten von Obst und Gemüse, Ge¬
würze und so weiter. Auf dem ge¬
werblichen Sektor sind vor allem
Textilien, Leder und chemische Pro¬
dukte, aber auch viele andere Er¬
zeugnisse davon betroffen. Insgesamt
wurde für einige hundert Waren das
begünstigte Verfahren aufgehoben.
Die neue Zollbelastung beträgt bis zu
100 Prozent des Warenwertes!
Auf Kosten der Konsumenten
Der Finanzminister dürfte durch
diese Neuregelung ungefähr 100 Mil¬
lionen Schilling Mehreinnahmen er¬
zielen, die Belastung der Konsumen¬
ten wird aber durch die Handelsspan¬
nen noch größer sein. Dazu kommen
noch die indirekten — nicht minder
gefährlichen — Auswirkungen.
Es ist klar, daß die inländischen
Produzenten im Schutze der Zoll¬
mauern die Möglichkeit haben,
ihre Verkaufspreise zu erhöhen, zu¬
mal ja bekanntiich der inneröster¬
reichische Wettbewerb durch kar-
tellartige Vereinbarungen weit¬
gehend aufgehoben ist.
Die schließlichen Auswirkungen —
die mit Rücksicht auf die derzeit in¬
folge der hohen Arbeitslosigkeit ge¬
ringe Kaufkraft nicht sofort eintre¬
ten werden —• lassen sich zur Zeit
noch nicht in vollem Umfange ab-
schätzen.
Es seien aber schon jetzt an Hand
von zwei Beispielen die Folgen dar¬
gestellt: Der Importpreis für ein Ei
beträgt im Durchschnitt etwa 60 bis
80 Groschen. Dazu kommt nunmehr
ein Zoll von 13 bis 14 Groschen pro
Stück. Dem so erhaltenen Grenzwert
werden dann die Handelsspannen von
insgesamt etwa 30 Prozent aufge¬
schlagen. Da die inländische Produk¬
tion nie bedarfsdeckend war (wir im¬
portieren jährlich Dutzende Millionen
Stück Eier), wird auch der Konsumen-
ienpreis für inländische Eier (die nicht
preisgeregelt sind!) durch die Import¬
preise bestimmt.
Die Konsumenten werden also
eine zwanzigprozentige Verteue¬
rung des Eierpreises in Kauf neh¬
men müssen. Ähnlich liegen die
Verhältnisse bei Gemüse und Obst.
Das zweite Beispiel sei dem ge¬
werblichen Sektor entnommen. Öster¬
reich hatte bis vor Jahresfrist einen
sehr großen Importbedarf an Futter¬
stoffen. Um diesem Mangel abzuhel¬
fen, wurde in Tirol, unter Heran¬
ziehung von ERP-Mitteln, eine neue
Fabrik errichtet. Diese, nach den
modernsten Grundsätzen produzie¬
rende Erzeugungsstätte erhält nun¬
mehr einen Zollschutz von etwa 50 Pro¬
zent. Bisher waren es n u r 30 Prozent.
Die Rechnung bezahlen die Beklei¬
dungsindustrie, die Gewerbetreiben¬
den und die Käufer dieser Textilien.
Höhere Zölle — größere Arbeits¬
losigkeit
In diesem Zusammenhang werden
wahrscheinlich die Unternehmerver¬
treter behaupten, daß der Finanz¬
minister den Arbeitern und Ange¬
stellten durch die Erhöhung des
Zolles den Arbeitsplatz sichert.
Es genügt wohl, auf die Erfah¬
rungen der Zwischenkriegszeit zu
verweisen, wo die Hochschutzzoll-
politik auch in Österreich wahre
Triumphe feierte, der durchschnitt¬
liche Beschäftigungsstand aber
kaum zwei Drittel gegenüber den
Jahren nach dem zweiten Welt¬
krieg erreichte, in denen Industrie
und Landwirtschaft auf einen Zoll¬
schutz verzichten mußten.
Im Jahre 1952 wurden aus bud¬
getären Gründen dreimal verschie¬
dene Zölle, darunter vor allem der
Textilzoll, erhöht. Die Folge war, daß
die Textilpreise~ hochgehalten wur¬
den, obwohl die Rohstoffpreise auf
dem Weltmarkt stark gefallen sind.
Die Arbeitslosigkeit in der Textil¬
industrie war die höchste, die wir seit
dem Ende des zweiten Weltkrieges
erlebten.
Abgesehen von der Belastung, die
die Konsumenten auf sich nehmen
müssen, wurde aber auch der öster^
reichische Export, insbesondere auf
dem Gewerbesektor schwer ge¬
troffen.
Durch die zu erwartende Ver¬
teuerung zahlreicher Vormateria¬
lien wird unsere Konkurrenzfähig¬
keit auf dem Weltmarkt beeinträch¬
tigt werden.
Das Gewerbe wird deshalb beson¬
ders betroffen sein, weil es von der
im Zollgesetz vorgesehenen Möglich¬
keit des Zoiivorinerkes bei Rohstoff¬
einfuhren für ihre Exportaufträge in¬
folge der Kompliziertheit des Ver¬
fahrens kaum Gebrauch machen kann.
Hier hätte das Finanzministerium
durch eine Reform des administrativen
Verfahrens schon längst exportför¬
dernd wirken können, überdies werden
von der Zollerhöhung auch die soge¬
nannten Agioträger betroffen. Es sind
dies Waren, bei deren Einfuhr der
Importeur an einen bestimmten
Exporteur von arbeitsintensiven
österreichischen Erzeugnissen eine
Subvention bezahlen muß.
Da der Preis einer Ware ohne Kon-
eumrückgang nicht unbeschränkt er¬
höht werden kann, wird die Zoll¬
erhöhung in diesem Falle dazu füh¬
ren, daß die Exportsubvention, die
die Importeure der Agioträger zah¬
len können, kleiner werden wird.
Schwere Sedenken
Die Zolierhöhung wird aber nicht
nur den österreichischen Industriel¬
len und den Großagrariern nützen,
sondern vor allem der USIA, die
unter Umgehung der Zollvorschrif¬
ten schon bisher große Mengen von
Waren nach Österreich einiührte.
Ihr wird die Maßnahme des Finanz¬
ministeriums eine Erhöhung des Um¬
satzes und gesteigerten Gewinn
bringen.
Das ist um so bedauerlicher, als es
in der jüngsten Zeit infolge der
überraschend günstigen Devisenlage
möglich war, durch legale Importe die
illegalen Transaktionen der unter
ausländischem Schutz stehenden Spe¬
kulanten erfolgreich zu bekämpfen.
Diese Hoffnung ist nun bei vielen
Artikeln wieder zunichte gemacht.
Abschließend sei noch festgestellt,
daß diese überfallsartigen Zoll-
erhühungen auch im Ausland zweifel¬
los auf Widerstand stoßen werden,
zumal Österreich bereits einmal —-
anläßlich der internationalen Zoll¬
verhandlungen in Torquay im Jahre
1950 — seine Vertragspartner durch
unerwartete zollpolitische Maßnah¬
men provoziert hat.
Im allgemeinen Interesse muß also
gehoift werden, daß der Finanzmini¬
ster seinen Neujahrserlaß einer
grundlegenden Revision unterwirft.
(Fortsetzung von Seite 1)
Dia Arbeitslosen brauchen Arbeit!
Österreich kann es sich in
seiner besonderen weltpolti-
schen Situation nicht leisten,
die stets bewiesene Bereitschaft
der Arbeiter und Angestellten
zur Verteidigung der Freiheit
ihres Landes zu gefährden,
indem Hunderttausende von Ar¬
beitern und Angestellten mit
ihren Familien der Arbeitslosig¬
keit preisgegeben werden und in
der Gesamtheit der Arbeitenden
der Eindruck erweckt wird, daß
die Verantwortlichen ihnen das
Recht auf einen Arbeitsplatz nicht
zu sichern vermögen.
Der österreichische Gewerk¬
schaftsbund und die Arbeiter¬
kammern wenden sich daher mit
aller Entschiedenheit gegen die
Fortsetzung dieses Kurses.
Sofortprogtamm
Um die derzeitige deflatio¬
nistisch wirkende Entwicklung,
die die Vollbeschäftigungspolitik,
die Steigerung des Lebens¬
standards sowie die wirtschaft¬
liche Unabhängigkeit Österreichs
gefährden muß, zum Stillstand zu
bringen, forderte die Konferenz
als vorläufige Maßnahmen:
1. Einsteilung weiterer Abbau-
maßnahmen in der gesamten
Wirtschaft.
2. Begebung von Schatz¬
scheinen in der Höhe von 250
Millionen Schilling und soior-
tigen Einsatz dieser Mittel bei
den öffentlichen Investitionen.
3. Einsatz der aus der 500-
Millionen-Schilling-Freigabe für
den Budgetausgleich noch ge¬
bundenen 140 Millionen Schil¬
ling.
4. Senkung der Bankrale und
der weit überhöhten Kredil-
kosten.
5. Erleichterung der Liquidi¬
tätsbestimmungen für die Geld-
und Kreditinstitute.
Diese Maßnahmen sind ohne
inflationistische Wirkung im Rah¬
men des derzeitigen Kreditvolu¬
mens möglich und würden durch
ihren Einsatz Zehntausende wie¬
der in den Arbeitsprozeß ein¬
schalten, dem Staat Ausgaben für
Arbeitslose ersparen und neue
Einnahmen bringen.
Generalsekretär P r o k s c h
legte der Konferenz eine ent¬
sprechende Entschließung vor, die
von der sozialistischen und christ¬
lichen Fraktion einstimmig gegen
drei Stimmen der kommunisti¬
schen Fraktion angenommen
wurde.
Die Präsidien des Gewerk¬
schaftsbundes und des Kammer¬
tages wurden ermächtigt, die not¬
wendigen Schritte zur Durch¬
setzung der geforderten Sofort¬
maßnahmen zu unternehmen.
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