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Stahl aus Österreich
Der zweite Weltkrieg hat eine
sprtinghafte Erhöhung des Stahl¬
bedarfs mit sich gebracht. Kano¬
nen oder Butter —• war die Parole.
Die damaligen Herrscher hatten
sich für Kanonen entschieden und
so entstanden auch in Linz riesige
Werkanlagen, in denen Stahl für
den Tod und für die Vernichtung
erzeugt wurde.
1945 war das Hüttengelände in
Linz teilweise ein Trümmerhaufen.
Aber Österreich und Europa
brauchen wieder Stahl, diesmal
für den Frieden und für den Wie¬
deraufbau. Der'Staat hat die Füh¬
rung dieses Werkes übernommen
und —- wie Minister Wald¬
brunner am 5. Jänner 1953 bei
der Eröffnung einer neuen Breit¬
bandstraße und eines Blasstahl¬
werkes in Linz sagte, — „aus
einem im Krieg entstandenen
überdimensionierten Torso ist ein
den österreichischen Verhältnis¬
sen angepaßtes modernes, lei¬
stungsfähiges Unternehmen, die
VOEST (Vereinigte österreichi¬
sche Eisen- und Stahlwerke), ent¬
standen."
Die neue Breitbandstraße
Die verantwortlichen Männer
dar österreichischen Eisen- und
Stahlwerke sahen sich nun vor
zwei Forderungen gestellt: Erstens
Stahlband in maximal sechs Meter
lange Stücke. Diese Grobblech¬
tafeln gelangen nach neuerlicher
Erwärmung und Vorbearbeitung
in die fünfgerüstige Fertigstaffel,
die Breitbandstraße, wo sie bis zu
zwei Millimeter ausgewalzt wer¬
den.
DieVOESThat sich fürdieZukunft
durch die neue Breitbandstraße,
die trotz geringerem Energie-
und Wärmebedarf die Produktion
und Qualität des Bleches gestei¬
gert hat, gegenüber den ausländi¬
schen Blechwalzwerken die so
notwendige Konkurrenzfähigkeit
gesichert.
Aus Eisen wird Stahl
In dem neuerbauten Sauerstoff¬
blasstahlwerk, dem ersten der
Welt, wird nach jahrelangen Ver¬
suchen nach einem neuen Ver¬
fahren durch Einblasen von reinem
Sauerstoff, gewöhnliches Roheisen
innerhalb von zwanzig Minuten
zu hochwertigem Stahl umgewan¬
delt.
6240 Quadratmeter Grundfläche
umfaßt das neue sogenannte Linz-
Donawitz-Stahlwerk, das mit den
in Betrieb befindlichen zwei Kon¬
vertern, das sind mit feuerfesten
Steinen ausgekleidete birnenför¬
mige Behälter von riesigen Aus¬
maßen, durchschnittlich 150.000
mehr Stahl zu erzeugen und zwei¬
tens aus diesem Stahl mehr, bes¬
seres und billigeres Blech zu wal¬
zen. Die VOEST hat die beiden
Forderungen allen Hindernissen
zum Trotz erfüllt.
Die Neugestaltung und Erweite¬
rung der Blechproduktion konnte
mit Hilfe der neuen halbkonti¬
nuierlichen, fünfgerüstigen Breit¬
bandstraße und dem vorgeschal¬
teten Block- und Brammengerüst
technisch hervorragend durch¬
geführt werden. Die aus Amerika
stammende Breitbandstraße wird
künftighin, bei einem dreischich¬
tigen Betrieb, im Jahre 360.000
Tonnen Bleche liefern, so daß der
devisenbringende Blechexport der
VOEST — er betrug 1952 bereits
30.000 Tonnen — noch weiter ge¬
steigert werden kann.
Riesige glühende Stahlblöck'e
(Brammen) werden auf der Bram¬
menstraße bereits auf die endgül¬
tige Breite (1500 Millimeter) des
zu erzeugenden Feinbleches ge¬
walzt und eine hydraulische
Schere schneidet das vorgewalzte
Seite 4 Nr. 182 SOLIDARITÄT
den Menschen Arbeit und Brot zu
sichern.
In dicke Asbestanzüge einge¬
hüllt, arbeiten unsere Kollegen in
der Nähe des Blasstahlkonverters,
in den aus stählernen Pfannen in
einem einzigen Arbeitsgang drei¬
ßig Tonnen Roheisen eingefüllt
werden. Unter donnerndem Ge¬
räusch wird durch eine Stahl¬
düse der Sauer- __
Stoff in den Kon¬
verter geblasen.
Im nächsten Au¬
genblick gleicht
der riesenhafte
Behälter einem
flammenden Vul¬
kan. Eine unge¬
heure Hitze
strahlt aus, Fun¬
ken sprühen und
ein schwerer
Qualm legt sich
auf die Lungen
der Ofenarbeiter.
Körner, als er den Lehrlingen
ihr schönes Heim übergab. Und
eine Stunde vorher hatte der Bun¬
despräsident den ersten Spaten¬
stich zu einem neuen Kinderambu¬
latorium der VOEST getan, die
damit als erstes Industrieunter¬
nehmen Österreichs den etwa
6000 Kindern im Siedlungsgebiet
der VOEST eine vollkommen
kostenlose ärztliche Betreuung an¬
gedeihen läßt.
„Die modernsten technischen
Einrichtungen bleiben unzuläng¬
lich", sagte Minister W a 1 d-
Die gesamten
Arbeitsvorgänge
sind irgendwie
primitiv, unddoch
ist man von der
Wucht der Hun-
dert-Tonnen-
Kräne und den
ungeheuren Aus¬
maßen der An¬
lage zutiefst be¬
eindruckt. Vier¬
mal in einer
Schicht wird der
Konverter ge¬
füllt, das heißt
viermal Gefahr
und höchste Ver¬
antwortung für unsere Kollegen,
das heißt aber auch, in einer
Schicht neue 120 Tonnen Stahl für
Österreichs Wiederaufbau und
Wirtschaft.
Aber der 5. Jänner 1953 war
auch für die Arbeiter und Ange¬
stellten der VOEST-Werke in
sozialer Beziehung ein bedei}-
tüngsvoller Tag. Ein Lehrlingsheim
Dreimal wird das Eisen „umgeschiittet", ehe es als hoch¬
wertiger Stahl in die Formen rinnt.
brunner in seiner Eröffnungs¬
rede, „wenn die geeigneten Men¬
schen fehlen. Sich auch um den
Menschen zu kümmern, hat hier
ein verstaatlichter Betrieb ein
großes Vorbild gegeben."
Der 5. Jänner 1953 war ein
großer Tag für die VOEST, deren
Belegschaft seit 1945 von 4400 auf
12.400 gestiegen ist und die im
Der Eundespräsident übergibt den Lehrlingen der VOEST ihr neues Heim.
Tonnen Rohstahl im Jahr erzeu¬
gen wird.
Der für den Blasvorgang nötige
Sauerstoff wird ebenfalls in den
VOEST-Werken in einer eigenen
Sauerstoffanlage erzeugt, welche
stündlich 2300 Kubikmeter tech¬
nisch reinen Sauerstoff liefert.
^in den Vereinigten Stahlwerken
in Linz wurde in zäher, ziel-
bewußter Arbeit ein genialer Ge¬
danke verwirklicht. Erstmalig auf
der ganzen Welt konnte ein be¬
triebsreifes Stahlherstellungsver¬
fahren entwickelt werden, bei
dem reiner Sauerstoff in neu¬
artiger Weise verwendet wird
und das man heute schon in der
Fachwelt als „Linzer Verfahren“
bezeichnet. In Kürze wird es auch
in Donawitz angewendet werden.
Das neue Sauerstoffblasstahl¬
werk der VOEST, in dem Stahl
auf einfachem Wege billiger und
in besserer Qualität hergestellt
wird, versetzt Österreich in die
Lage, auch in der internationalen
Konkurrenz der Stahlproduktion
zu bestehen und dadurch tausen-
Durch eine Düse wird Sauerstoff in das flüssige Eisen geblasen. Die Arbeit
am Konverter ist schwer und gefährlich.
wurde eröffnet, in dessen saube¬
ren, wohnlichen Räumen fünfhun¬
dert Lehrlinge nach des Tages Ar¬
beit ihre Feierstunden verbrin¬
gen können und Pflege und Er¬
holung finden.
„Im Mittelpunkt aller Arbeit
und allgr Produktion steht der
Mensch", sagte Bundespräsident
abgelaufenen Jahr 1952 einen Ge¬
samtumsatz von 2,7 Milliarden
Schilling hatte, von dem allein eine
Milliarde aus dem Export stammt.
Ein großer Tag für die VOEST
und zugleich eine Bestätigung
der zielbewußten planvollen Arbeit
der verstaatlichten Betriebe.
Franz Nekula-Berton
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