Full text: Solidarität - Februar 1953, Heft 183 (183)

I zmtä Rüstet zum 3. Gesamtösterreichischen Gewerkschuftstreffen! 29. fiugusi bis B. September 1953 in Wien VTivr Wi«b u/» . 1 ^ • i o i h k I'> Ebendorfe Mit Bildbeilage — Vbb ZENTRALORGAN DES ÖSTERREICHISCHEN GEWERKSCHAFTSBUNDES 2. FEBRUAR 1953 i Nr. 183 PREIS 25 GROSCHEN Wer war gegen die In letzter Zeit wurde von Unternehraerseite wiederholt die Behauptung aus¬ gestellt, die Vertreter der Arbeiterschait betrieben eine bedenkenlose „Inila- tiouspolitik“, wenn sie darauf bestehen, daß der staatliche Auiwand für lang¬ fristige Investitionen, für den sozialen Wohnhausbau und für den Rentenauf¬ wand im heurigen Jahr nicht gekürzt wird. Inflation wurde plötzlich zum Schreckgespenst, das die Arbeiterschaft von ihrer Forderung auf gesicherte Ar¬ beitsplätze und gesicherte Altersrenten ablenken sollte. Wer aber war in Wirklichkeit in den vergangenen Jahren immer wieder eine zur Inflation trei¬ bende Kraft und wer hat auf der anderen Seite sogar Opfer gebracht, um eine Inflation zu verhindern? Wenn man sich die wirtschaftliche Entwicklung seit Ende des zweiten Weltkrieges vor Augen führt, läßt sich einwandfrei feststellen, daß die sogenannten „Wirtschaftstreibenden" auch "die Triebkräfte der Inflation 'waren. Ihre Bekenntnisse zur Notwendig¬ keit einer Stabilisierung erfolgten ausschließlich im Zusammenhang mit Lohn- oder Gehaltsforderungen der Gewerkschaften, während stets dann keine Rede davon war, wenn Agrarier und sonstige Produzenten höhere Preise forderten. Es bedurfte der ganzen Kraft des Österreichischen Gewerkschafts- bundes, um die solcherart drohend gewordene Gefahr einer Inflation immer wieder abzuwenden. Ein Verdienst des ÜG3 Die Gewerkschaften wollen nämlich weder Inflation noch Deflation, son¬ dern eine geordnete Wirtschaft im Interesse des gesamten Volkes. Und daß es in den vergangenen Jahren nicht wieder, so wie nach dem ersten Weltkrieg, zu einer Inflation ge¬ kommen ist, das verdankt unser Land in erster Linie dem verantwortungsbewußten Wirken des österreichischen Ge¬ werkschaftsbundes. Man erinnere sich in diesem Zu¬ sammenhang an jene Maßnahmen, die vom Gewerkschaftsbund angeregt be¬ ziehungsweise unterstützt wurden und entscheidend dazu beigetragen haben, die chaotischen Währungsverhältnisse der ersten Nachkriegszeit zu beseiti¬ gen, also beispielsweise an das Schillinggesetz vom 30. No¬ vember 1945 und an die W ä h- rungsreform vom 10. Dezember 1947. Aber auch die Preis- und Lohnabkommen sollten zur Stabilisierung der Währung beitragen. Die zunehmende wirtschaftliche Normalisierung führte später zu einem immer stärker werdenden Rin¬ gen um das natürlich noch immer unzureichende Sozialprodukt. Die Decke war nach wie vor zu kurz, und entsprechend der wirtschaftlichen und politischen Stärke wurde immer hef¬ tiger daran gezerrt. Der Rückgang des Schleichhandels nach der Währungsreform brachte viele Händler und Produzenten — in erster Linie die Agrarier — um ihre bisherigen unnatürlich hohen Über¬ gewinne. Die Zeit des mühelosen Ver- dienens war für die Unternehmer¬ schaft doch mehr oder weniger vorbei, man hatte sich aber so sehr daran gewöhnt, daß der Normalisierungs¬ prozeß einem heilsamen Fieber glich, jedenfalls einem Fieber, das seinen Ausdruck in Preissteigerungen fand. Verantttrortur.gsifoüe Lohnpolitik Schon allein dis Durchführung der zentralen gewerkschaftlichen Lohnpolitik in Form von Preis- und Lohnabkommen zeigt, wie verant¬ wortungsbewußt der Gewerkschafts¬ bund handelte. Die fünf Preis- und Inflation! Lohnabkommen waren durchaus nicht populär so wie' auch die Zurück¬ haltung bei Lohniorderungen wohl kaum zu großer Popularität beige¬ tragen haben. mag.'- Aber all das war notwendig, um eine Inflation zu verhindern. Uno der größte Teil der österreichischen Arbeiter- und Angestelltenschaft zeigte dafür volles Verständnis. Den bedenkenlosen und rein dem¬ agogischen Lohnforderungen der kom¬ munistischen Minderheit wurde immer wieder entgegengehalten, daß es nie¬ mals darum gehen könne, höhere Nominallöhne zu erhalten, denen in Wahrheit dann geringere Reallöhne entsprechen würden, sondern daß im wesentlichen nur eine Erhöhung des Sozialproduktes zu höheren Real¬ löhnen führen könnte. Der Gewerkschaftsbund hat in seiner Presse, in Versammlungen so- (Fortsetzung aut Seite 3) Jauckerl und Kur! Angesichts der in bedrohlichem Maße angestiegenen Arbeitslosig¬ keit beschloß eine gemeinsame Konferenz des Vorstandes des Ge¬ werkschaftsbundes und der Präsi¬ denten der Arbeiterkammern ein Sofortprogramm, dessen Verwirk¬ lichung allen einsichtigen Kreisen dringend geboten erscheint. Daß etwas zur Bekämpfung der über¬ handnehmenden Arbeitslosigkeit getan werden muß, ist ja inzwi¬ schen allen klar geworden, die Frage ist nur, v/as wirklich zum Erfolg führt. Die Fortsetzung einer deflationistisch wirkenden Politik, verbunden mit starken Einschrän¬ kungen öffentlicher Investitionen, ist jedenfalls das genaue Gegenteil von dem, was nun notwendig ge¬ worden ist. Deshalb haben Gewerkschafts¬ bund und Arbeiterkammern unter anderem die Begebung von Schaiz- scheinen in der Höhe von 250 M;.- lionen Schilling und sofortigen Ein¬ satz dieser Mittel bei öffentlichen Investitionen gefordert. Dies so!., so heißt es ausdrücklich, n u r e i n e vorläufige Maßnahme sein. Weitere, auf längere Sicht wirkende Maßnahmen müssen fol¬ gen, sobald dafür die Voraus¬ setzungen geschaffen sind. Dies wird Aufgabe des neu zu wählen¬ den Parlamentes sein. Unseren Argumenten vermag sich nun nicht einmal die der kon¬ servativen Unternehmerschaft nahe¬ stehende „Neue Wiener Tages¬ zeitung" zu verschließen. Am 23. Jänner veröffentlichte diese Zeitung unter dem Titel „Jauckerl oder Kur?" einen Leitartikel, in welchem richtig festgestellt wird: „Das Mittel, das uns der Gewerk¬ schaftsbund empfiehlt, ist — volks¬ tümlich gesprochen — ein dauk- ker!’, das im Augenblick eine Lin¬ derung bieten, nicht aber das Übel heilen kann." In den weiteren Aus¬ führungen stellt sich das Unterneh¬ merblatt jedoch auf den Stand¬ punkt, es sei nicht ein „Jauckerl" erforderlich, sondern vielmehr eine gründliche Kur. Nun hat aber bekanntlich ge¬ rade der Gewerkschaftsbund im¬ mer und immer wieder auf die Notwendigkeit einer gründlichen „Kur" unserer Wirtschaft hingewie¬ sen. Wir sind nämlich der Mei¬ nung, daß die Wirtschaft für die Allgemeinheit da ist und nicht für eine Handvoll Profitmacher. Eine entsprechende Kur wird und muß erfolgen, doch ist dies vom politi¬ schen Kräfteverhältnis in unserem Lande abhängig.
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