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Schon als Kind hatte Theodor
Körner das Leben von der harien
Seite kennengelernt. Nach einem
Unfall isfcj.sein Vater, der Haupt¬
mann Körner, erst fünfzigjährig,
pensioniert worden; von der klei¬
nen Rente mußte die fünfköpfige
Familie leben. Sie übersiedelte
1884 in die Reichs- und Residenz¬
stadt, wo sie zuerst in der Nähe
der Nordwestbahn, dann auf der
Erdberglände wohnte. Theodor
Körner kam in die Realschule, die
in der Nähe gelegen war, und,
nachdem er sie mit „Sehr gut" ab¬
geschlossen hatte, 1891 in die Tech¬
nische Militärakademie. 1894 wurde
er als Leutnant ausgemustert und
auf seinen Wunsch zu den Pionie¬
ren nach Klosterneuburg versetzt.
überall, wo immer er diente, ob
als Leutnant, später als Hauptmann,
Major oder als Oberst, war er
sirenge gegen sich und voller Ver¬
ständnis gegen seine Untergebe¬
nen.
Als das alte Reich zerbrach und jeder Mensch sich entscheiden
mußte, da entschied sich Theodor
Körner für die Republik. Er sollte
ihre Wehrmacht aufstellen. In zwei
Jahren härtester Arbeit bemühte er
sich darum. Doch 1920 wurden ihm,
nach einer Änderung der Regie¬
rung und da er nicht gewillt war,
wider seine Überzeugung zu han¬
deln, Schwierigkeiten um Schwie¬
rigkeiten bereitet. Schließlich wurde
er zum Heeresinspektor ernannt,
um von Wien ferngehalten zu wer¬
den. Nachdem man ihn noch zum
Generalmajor avancieren ließ,
wurde er 1924 pensioniert, fast im
selben Alter wie einst sein Vater.
Die Sozialdemokratische Partei de¬
legierte ihn später in die Parla¬
mentskommission für Heerwesen,
die Stadt Wien entsandte ihn 1925
in den Bundesrat. 1934 wurde er
verhaftet und mußte als Unter¬
suchungshäftling elf Monate im
Wiener Landesgericht verbringen.
Viel könnte man aus den folgen¬
den Jahren erzählen, unzählige
Anekdoten schildern den aufrech¬
ten, demokratischen Menschen, der
sich von keinem Regime beugen
ließ. Eines wird immer denkwürdig
bleiben: was nach 1945 Theodor
Körner als Wiener Bürgermeister
geleistet hat. Der Aufbau dieser
Stadt in hoffnungslosester Zeit,
seine unermüdliche Arbeit, sein tap¬
feres Auftreten wider jedes unbe¬
rechtigte Verlangen der Besat¬
zungsmächte wird immer mit sei¬
nem Namen verbunden bleiben.
Und es ist verständlich, daß ihm
das österreichische Volk nach dem
Tode des großen Staatsmannes
Dr. Karl Renner 1951 die höchste
Würde des Staates anvertraute.
Nun feiern wir seinen 80. Ge¬
burtstag. Seitdem er am 24. April
1873 in Uj Szönyi bei Komorn ge¬
boren worden war, war er im rei¬
ßenden Strom des Lebens gestan¬
den; wie damals als junger Leutnant,
hatte er immer sein Leben einge¬
setzt, um das anderer zu erleichtern,
nie hat er gezaudert, wenn es galt
zu retten und zu helfen, immer ist er
ein Freund der Menschen geblie¬
ben. Wenn es Orden dafür gäbe
— unser Bundespräsident müßte
den höchsten bekommen.
Wir wollen ihm in diesen Tagen
wenigstens sagen, wir Arbeiter und
Angestellten, wie wir ihn verehren
und lieben, wie wir ihm für seine
unermüdliche Arbeit danken und
daß wir ihm noch viele Jahre bester
Gesundheit wünschen.
Fritz K o n i r
Die Preise seit Anfang 1952
i 5* -- ?.
Wie ajis de‘n Cjün-gsten Monats¬
berichten des Österreichischen Insti¬
tuts für Wirtschaftsforschung hervor¬
geht, erreichte der Lebenshaltungs¬
kostenindex für eine vierköpfige Ar¬
beiterfamilie im Februar 1953 688,4
Punkte gegenüber den Werten vom
April 1938. Da im Jänner 1952
der Lebenshaltungskostenindex 708,2
Punkte betragen hatte, sind sömit
die Lebenshaltungskosten kn Verlauf
eines Jahres um 2,9 Prozent gesun¬
ken. Dies ist der Effekt der Stabili¬
sierung, ausgedrückt in den Lebens¬
haltungskosten. Ein, wie man leider
feststellen muß, sehr bescheidener
Erfolg. Daß dieser geringe Er-
.folg der Stabilisierung, der nur durch
einen übergroßen Druck von der
Geldseite her erzielt werden konnte,
auf die kartellistische Politik der
österreichischen Geschäftswelt zu¬
rückgeht, ist unbestritten.
Es wird aber sicherlich manche
Kollegen geben, die der Auffassung
sind, daß selbst diese kleine Le¬
benshaltungskostensenkung nur in
der Statistik zu finden sei, während
die Wirklichkeit ganz anders aus¬
sieht. Bis zu einem gewissen Grad
ist diese Auffassung berechtigt.
Der Lebenshaltungskostenindex wird
nämlich nach einem Verbrauchs¬
schema der Vorkriegszeit berechnet.
Wie das Wirtechaftsforschungsinstitut
selbst dargelegt hat, haben sich aber
die Verbrauchsgewohnheiten der öster¬
reichischen Bevölkerung gegenüber
der Vorkriegszeit ziemlich geändert.
So wird z. B. um 22 Prozent weniger
Fleisch verbraucht als in der Vor¬
kriegszeit, hingegen um 20 Prozent
mehr Zucker. Der Zuckerpreis hat sich
im vergangenen Jahr nicht geändert,
der Fleischpreis ist stark gesunken.
Da aber im Lebenshaltungskosten¬
index Fleisch mit einer viel zu großen
Menge eingesetzt ist, heißt das, daß
die Lebenshaltungskosten in Wirk¬
lichkeit nicht so stark gesunken sind,
wie es der Index angibt. Freilich muß
man sich auch vor einer Überschät¬
zung der Fehlerquellen hüten, es
kann sich trotz aller Veränderungen
nur um Bruchteile von Prozenten han¬
deln.
Untersucht man im Lebenshaltungs-
kostenindex des Wirtschaftsforschungs¬
instituts, welche Waren sich im Preis
verändert haben, findet man, daß
24 von den 46 Positionen Preis¬
veränderungen nach oben oder unten
mitmachten. Die nachstehende Tabelle
gibt an, um wieviel Prozent sich der
Preis dier dem Index zugrunde liegen-
• den Waren geändert hat, wobei Plus
einen Preisanstieg, Minus eine Preis¬
senkung bedeutet.
Reis . • + 6,3%
Milch + 6,2%
Eier .. .— 7,5%
Schmalz.— 10,0%
Filz . 13,2%
Rindfleisch . — 5,0%
Schweinefleisch .— 12,0%
Kalbfleisch . 15,0%
Extrawurst . 4,2%
Marmelade + 8,1%
Äpfel .— 36,0%
Gemüse + 13,8%
Kartoffeln. + 18,2%
Hülsenfrüchte . — 5,4%
Kaffee . + 6,3%
Malzkaffee + 18,4%
Bier + 2,5%
Unterbekleidung . — 20,0%
Schuhe .— 5,0%
Kohle . 4,8%
Koks ... 0,7%
Holz — 12,7%
Verschiedene Haushaltungs¬
gegenstände . — 2,0%
Ferner sanken auch die Kosten
von Reinigung und Körperpflege, Bil¬
dung und Unterhaltung.
Bei der Betrachtung . der Prozent¬
zahlen muß man sich allerdings vor
schnellen Schlüssen hüten, will man
nicht denselben lächerlichen Fehler
machen wie ein Diskussionsredner,
der anläßlich des 5. Lohn- und Preis¬
abkommens in einer Gewerkschafts¬
versammlung sagte: „Die Briefmarken
sind um 200 Prozent gestiegen, so
groß ist also die Verteuerung unserer
Lebenshaltung." Die Preissteigerung
von Milch ist durch die Qulitäts-
steigerung überkompensiert, hatte
doch die Milch im Jänner 1952
um Va Prozent Butterfett weniger als
im 'Februar 1953. Eine Senkung des
Schweinefleischpreises um 12 Prozent
wiegt im Index viel stärker als die
Erhöhung des Kalbfleischpreises um
15 Prozent. Für Schweinefleisch wird
nämlich rund dreimal so viel auf¬
gewendet wie für Kalbfleisch. Ander¬
seits darf man wieder das Gewicht
Das höchste Ziel einer weisen
Staatsführung muß es sein, zu
verhindern, daß irgendwo ge¬
schickte und arbeitsgewohnte
Hände müßig im Schoß liegen
müssen. Die Vollbeschäfti¬
gung entspricht den Forderungen
sozialer Gerechtigkeit und ist da¬
her ein Teil des Idealbildes der
Demokratie, nach dem wir streben
müssen.
Bundespräsident Dr. Theodor Kör¬
ner am 14. August 1952 bei der
Tausendjahrfeier der Stadt Rottenmann.
der Preissenkung der Äpfel nicht
überschätzen, da auch diese nicht ganz
ein Drittel so schwer im Index wie¬
gen wie Schweinefleisch. Kurz, im
Durchschnitt ergibt sich, wie schon
gesagt, eine indexmäßige Senkung der
Lebenshaltungskosten um 2,9 Prozent.
Gegenüber dem Höhepunkt der
Preissteigerungen im Oktober 1951
ist natürlich der Rückgang etwas
größer, allerdings kann dieser Rück¬
gang an den Indexzahlen nicht ge¬
messen werden, da ja bekanntlich im
Oktober 1951 fiktive Preise im Index
standen, wie z. B. ein amtlich ge¬
regelter Fleischpreis, der aber in
Wirklichkeit nicht eingehaiten wurde.
Zusammenfassend kann jedenfalls
festgestellt werden, daß im vergan¬
genen Jahr eine weitgehende Preis¬
stabilität mit einer leichten Preis¬
senkungstendenz herrschte.
Zieht man aber in Betracht, daß
auf dem Weltmarkt die Rohstoff¬
preise beträchtlich gefallen sind,
daß in anderen Ländern viel früher
und viel stärkere Preissenkungen
in den Jahren 1951 und 1952 ein¬
traten und berücksichtigt man, daß
das gesamte Preisniveau einer
Volkswirtschaft für die Konkur¬
renzfähigkeit auf den Weltmärkten
von Bedeutung ist, kann man das
Ergebnis der Stabilisierung als
durchaus unbefriedigend ansprechen.
Nicht nur für die Verbesserung des
Lebensstandards, sondern auch für
die Konkurrenzfähigkeit der öster¬
reichischen Volkswirtschaft auf dem
Weltmarkt und damit für dtie Voll¬
beschäftigung sind weitere Preis¬
senkungen der Industriewaren, aber
auch der landwirtschaftlichen Pro¬
dukte dringend notwendig. Von die¬
sem Gesichtspunkt aus müssen auch
die noch immer nicht erloschenen
Preisforderungen von Land- und
Forstwirtschaft betrachtet werden,
denn ebenso wie die übrige Bevölke¬
rung kann sich in der Zukunft die
Landwirtschaft eine Verbesserung
ihrer Wirtschaftslage nicht von Preis¬
forderungen zum Nachteil der Kon¬
sumenten, sondern von einer Mehr¬
produktion erwarten. h. k.
Utifefded
Ztupe
Gleichgesthaltet
Die Deutsche Presseagentur (DPA)
meldet aus Berlin, daß „das Insti¬
tut für Bek1eidungsk u I tur
der Sowjetzone jetzt die ersten
Grundkollektionen für Konfektion und
Trikotagen herausgebracht hat. Darin
sind alle Artikel bis zur Unterhose
zunächst als Typen ohne Rücksicht
auf spätere modische Ideen enthalten.
Alle Modelle sind gemäß Anweisung
frei von zersetzenden kosmopoliti¬
schen Einflüssen und tragen dem
sozialistischen Realismus Rechnung.“
Es wird also in Zukunft in der
deutschen Sowjetzone ein Wagnis
sein, eine nicht „grundkollektivierte"
Unterwäsche zu tragen. Schon an der
Badehose kann man von nun an an
dem ostzonalen deutschen Bürger er¬
kennen, ob er „frei von zersetzenden
kosmopolitischen Einflüssen" ins —
zum Leidwesen der Behörden derzeit
noch nicht genormte — Wasser steigt.
Man könnte darüber fast lachen,
wenn diese Gleichschaltung nur bei
den Kleidern bliebe. Aber sie wird
früher oder später auch auf die in¬
dividuelle Lebensart ausgedehnt und
endet mit der „Typisierung“ des Den¬
kens — Gehirn in Uniform, im Zei¬
chen einer „freien Demokratie".
Eine nette Einladung
Eine wirklich nette Einladung ist
der Prospekt zum 3. Gesamtöster¬
reichischen Gewerkschaftstreffen, das
vom 30. August bis 6. September 1953
in Wien slaltündet.
Sklaven schleppen eine Sieges¬
säule über die Wiener Ringstraße
Am 5. September 1953 wird auf der
Wiener Ringstraße ein einmaliges Schau¬
spiel zu sehen sein: Sechzig symbolische
Gruppen und Wagen werden im Rahmen
eines imposanten Festzuges den sozialen
Aufstieg der arbeitenden Menschen vom
rechtlosen Arbeitssklaven zum freien,
gleichberechtigten Menschen zeigen. Be¬
deutende Künstler entwerfen bereits jetzt
die einzelnen Gruppen, unter denen sich
auch ein Sklavenzug mit der Sieges¬
säule des Pharao befindet. Dieser Fest¬
zug über die Wiener Ringstraße ist einer
der Höhepunkte des 3. Gesamtösterreichi¬
schen Gewerkschaltstreffens, das vom
30. August bis 6. September in Wien
staltfindet.
(Fortsetzung von Seite 1)
Und nun an die Arbeit!
sowohl durch Verwendung eines
Teiles der Steuereinnahmen als
auch durch Auflage von Anleihen
erfolgen. Entscheidend ist das Er¬
gebnis.
Wenn wir auch die Bekämpfung
der Arbeitslosigkeit als vordring¬
lichste Aufgabe betrachten, so soll
das nicht heißen, daß wir der Er¬
ledigung der schon im vorigen
Nationalrat zur Beratung gestande¬
nen Sozialgesetze mindere Bedeu¬
tung zumessen. Wir erwarten von
der neuen Regierung und vom
neuen Nationalrat, daß man in
bezug auf die wichtigen ausstehen¬
den Sozialgesetze noch in dieser
Session zu Ergebnissen kommt.
Wir wissen allzu gut, daß in der
gegebenen Situation, in der sich
unser Land befindet, die neue Re¬
gierung keine Wunder wirken
kann. Wir wollen ihr ja auch
keine Vorschußlorbeeren spen¬
den. Was wir voraussetzen, ist,
daß sie bei Bewältigung der
schwebenden Probleme ein rasches
Tempo, wie es der Not der Zeit
entspricht, vorlegt.
Seite 2 Nr. 188 SOLIDARITÄT