Die Regierungserklärung (Mgctä
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Die hier auszugsweise angeführten
Punkte aus der am 15. April 1953 ab¬
gegebenen Regierungserklärung sind
für die Arbeiter und Angestellten be-
»onders bedeutungsvoll.
Fortsetzung der Investitions¬
tätigkeit
Die Bundesregierung wird der all¬
gemeinen Investitionstätigkeit durch
die Eröffnung neuer, nicht inflatio¬
närer Finanzierungswege einen kräf¬
tigen Antrieb geben müssen. Im
staatlichen Bereich stehen derzeit
verschiedene große Projekte in Vor¬
bereitung. Die zuständigen Ministe¬
rien haben die verschiedenen öffent¬
lichen Arbeiten bereits ausgeschrie¬
ben, zum Teil auch schon vergeben,
mit deren Beginn in der nächsten Zeit
zu rechnen ist. Mit Dank muß die In¬
vestitionstätigkeit der Länder und
Gemeinden anerkannt werden, die
sich in gleicher Weise bemühen, die
Arbeitslosigkeit einzudämmen. Diese
Investitionstätigkeit kann nicht allein
durch die budgetären öffentlichen
Mittel gesichert werden, da deren
Rahmen begrenzt ist. Die Bundes¬
regierung wird -sich daher bemühen,
durch eine entsprechende Anleihe¬
politik auch andere große Projekte
zu finanzieren.
Als erster Versuch soll in kurzer
Zeit eine Energieanleihe aufgelegt
werden, um den Ausbau unserer
Wasserkräfte fortzusetzen. Auch im
privaten Bereich kann die Zahl der
Arbeitsplätze durch eine Intensivie¬
rung der Investitionstätigkeit ver¬
mehrt werden.
Steuerliche Erleichterungen
Es liegt im Interesse der Arbeits¬
beschaffung, im Rahmen der budge¬
tären Möglichkeiten steuerliche Er¬
leichterungen zu bieten. Dies gilt vor
allem für die Lohn- und Einkommen¬
steuer, deren Skala zu einer Zeit ein¬
geführt wurde, in der der Schilling
noch ein Vielfaches seiner derzeiti¬
gen Kaufkraft hatte, und die sich da¬
her bei den derzeitigen Verhältnissen
sehr leistungsfeindlich. auswirkt.
Hand in Hand mit einer Änderung
der Progression soll eine Verein¬
fachung der Steuervorschriften ge¬
hen. Die sich dadurch ergebende
Übersichtlichkeit wird es dem Steuer¬
zahler dann ermöglichen, das Ausmaß
der Steuerleistungen selbst festzu¬
stellen
Die Vorlagen, die die Verein¬
fachung und Senkung der Lohn- und
Einkommensteuer beinhalten, werden
dem Nationalrat demnächst zugehen.
Sie zielen ausschließlich darauf ab,
die leistungsfeindlichen und produk¬
tionshemmenden Einflüsse der der¬
zeitigen Übersteuerung zu beseitigen.
Die steuerliche Entlastung kann sich
sogar in den nächsten Jahren in
einem Mehraufkommen auswirken
das der öffentlichen Hand wieder
einen Spielraum für Investitionen
gibt.
Förderung des Wohnungsbaues
Nicht zuletzt fühlt sich die Bundes¬
regierung verpflichtet, den Woh¬
nungsbau weiter zu fördern. Trotz
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Seite 2 Nr. 189 SOLIDARITÄT
der hohen Beträge, die den beiden
Fonds zur Verfügung stehen, koimte
der Bedarf an neuen Wohnungen
noch nicht voll befriedigt werden.
Die Heranziehung von privatem Ka¬
pital scheitert an der Unrentabilität.
Es werden daher Mittel und Wege
gesucht werden müssen, um die be¬
grenzten öffentlichen Mittel auf brei¬
ter Basis wirksam zu machen. Die
Bundesregierung wird darüber hinaus
den Versuch unternehmen, für eine
zusätzliche Dotierung des Wohn- und
Siedlungsfonds und des Wohnhaus-
Wiederaufbaufonds auch in diesem
Jahre Counterpart-Mittel fredzube-
kommen.
Sozialgesetze
und Arbeitsbeschaffung
Auf sozialpolitischem Gebiet hat
unser Vaterland schon in der ersten
Republik eine vorbildliche Gesetz¬
gebung geschaffen, die auch in der
zweiten Republik fortgesetzt wurde.
Die Sozialgesetzgebung Österreichs
hat immer im Ausland ihre Anerken¬
nung gefunden, und die Bundesregie¬
rung wird diese weiterentwickeln.
Bei der Frage der Arbeitsbeschaf¬
fung für die Jugendlichen wird be¬
sonders an die Zusammenarbeit mit
den zuständiger Interessenvertretun¬
gen, den Kammern und dem Gewerk-
?schaftsbund, appelliert, die in den
vergangenen Jahren gemeinsam schon
manches wirtschaftliche und soziale
Problem vorbildlich gelöst haben
Gerade die Lösung des Problems dei
Jugendarbeitslosigkeit wird entspre¬
chende Maßnahmen erfordern, die auf
beiden Seiten Einsicht verlangen, vor
allem bei den großen Unternehmun¬
gen die Bereitschaft verlangen, ge¬
wisse Verpflichtungen zu überneh¬
men, um diese große soziale Frage
einer einwandfreien Lösung zuzu¬
führen.
Die Sicherung des Alters
durch die gesetzlichen Maßnahmen
ist für die Gesamtheit der Lohnemp¬
fänger gegeben. Ihre Ausdehnung auf
weitere Bevölkerungsschichten wird
die Bundesregierung beschäftigen
Vom 15. bis 16. April 1953 wurde
in Linz der 22. österreichische
Arbeiterkammertag abgehalten, der
sich auch mit dem Inhalt der Regie¬
rungserklärung beschäftigte. In sei¬
nem Referat erklärte Präsident M a n t-
1 e r unter anderem
„Wir haben die anerkennenden
Worte, die der Herr Bundeskanzler
für die Leistungen und die Opfer¬
willigkeit der Arbeiterschaft gefun¬
den hat, vernommen und uns ihrer
gefreut. Dies uro so mehr, als Herr
Ing Raab uns ix der Vergangenheit
als ein Verfechter der Unternehmer-
Interessen bei Kollektivvertragsver¬
handlungen bei wirtschaftlichen und
bei sozialpolitischen Forderungen ent¬
gegengetreten ist.
Wenn er nunmehr an die Mit-
arbeil der Gewerkschaften und
Arbeiterkammern appelliert, so er¬
klären wir, daß wir dazu bereit
sind, vorausgesetzt, daß auch die
Gegenseite ihrer Beitrag füi die
Sicherheit der Existenz und die
Sicherheit des Lebensstandards der
Arbeiter und der Angestellten lei¬
stet.
Das sind die Voraussetzungen füi
eine Zusammenarbeit und für die ge
deihliche Entwicklung de: Zukunft
unseres Landes
Der Arbeiterkammertag nimmt zu
der Regierungserklärung, dit er ge¬
stern angehört hat, keine ablehnende
Haltung ein. Wir vermissen zwar
manches in ihr, wir möchten aber
zunächst voraussetzen, daß diese Aus¬
lassungen nicht absichtlich gesche¬
hen sind, sondern daß die Regierung
müssen. Der Staat hat die Pflicht,
durch eine Stabilisierung der Wäh¬
rung und durch die Erstellung eines
ordentlichen Staatshaushaltes nicht
nur die Auszahlung der Altersrenten
und aller Renten zu sichern, sondern
auch deren Kaufkraft zu erhalten. Die
finanzielle Grundlage der Sozialver¬
sicherung soll im Staatshaushalt ge¬
regelt und dauernd gesichert werden.
Ein wichtiges Kapitel auf sozial¬
politischem Gebiet bedeuten der
Schutz der Familie und die Maßnah¬
men, die besonders kinderreichen
Familien zugute kommen
Appell und Dank an die Arbeiter
und Angestellten
Die Arbeiterschaft in den Betrieben
hat in den vergangenen Jahren vor¬
bildlich und verantwortungsvoll am
Wiederaufbau unseres österreichi¬
schen Staates teilgenommen, und es
kann als besonderes Positivum gegen¬
über dem Ausland bezeichnet werden,
daß die Auseinandersetzungen zwi¬
schen den verschiedenen Berufsstän¬
den in Österreich in vorbildlicher
Weise ohne große Konflikte vor sich
gegangen sind und daß vor allem die
Gewerkschaften, als Vertretung dei
Arbeiterschaft, immer wieder große
Verantwortungsfreudigkeit gezeigt
haben.
Die Bundesregierung richtet an
die österreichische Arbeiterschaft
das Ersuchen, auch in Zukunft wie
bisher am Aufbau unseres öster¬
reichischen Staates mitzuarbeiten.
Nach Worten des Dankes an die
Beamtenschaft für ihre aufopfernde
Tätigkeit beim Wiederaufbau und be¬
sonders auch an die Exekutive, die
unter de-n schwierigsten Verhältnis¬
sen und oft sogar unter Einsatz ihres
Lebens die Sicherheit zu garantieren
gewußt hat, heißt es in der Regierungs¬
erklärung, daß in kurzer Zeit durch
Verhandlungen mit Vertretern der
Beamtenschaft ein Weg zu suchen
sein wird, um deren Bezüge an die
Kosten der Lebenshaltung anzuglei¬
chen.
als Ganzes bereit ist, im gegebenen
Zeitpunkt zu den Bedürfnissen dör
arbeitenden Menschen dieses Landes
positiv Stellung zu nehmen. Wenn
dies der Fall ist, kann sie unserer
Mitarbeit gewiß sein, die sich immer
nur vom Gesamtinteresse unseres
Landes leiten lassen wird."
Vom Arbeiterkammertag wurde
auch eine Resolution angenommen,
die mit folgenden Worten schließt:
„Die Regierungserklärung hat auf
die Leistungen der österreichischen
Sozialpolitik in der ersten Republik
hingewiesen und ihre Weiterführung
versprochen. Der Arbeiterkammertag
erwartet, daß die von den Arbeiter¬
kammern und Gewerkschaften wieder¬
holt geforderten Gesetze, insbesondere
das längst fällige österreichische Ar¬
beitszeitgesetz, beschlennigt verab¬
schiedet werden
Ebenso erwartet der Arbeiter¬
kammertag alsbald eine Senkung
der Lohnsteuei, die eine fühlbare
Erleichterung für die arbeitende
Bevölkerung bringen solL
Die neue Bundesregierung hat auch
das Jugendbeschäftigungsproblem als
brennend anerkannt. Der Arbeiter¬
kammertag beauftragt sein Büro und
alle Arbeiterkammern, unverzüglich
mit allen interessierten Stellen auf der
Grundlage der vorliegenden Vor-
sehläge zu verhandeln. Die Arbeiter¬
kammern haben alle zielstrebigen
Maßnahmen nach besten Kräften zu
unterstützen, die zur Eingliederung
der Jugend in oer. Arbeitsprozeß bei¬
tragen können.'
Der Arbeiterkammertag zur Regierungserklärung
*6“ • -- appgs^Eii—rr
Wehleidige Provokateure
Eine Delegation einer „spontan*
einberufenen kommunistischen Be¬
triebsversammlung drang am 8. April
gewaltsam in die Räume des Gewerk-
schaftshauses in Wiener-Neustadt ein
und versuchte, wie die „Volksstimme“
mit biederen Worteri versicherte, auf
rein „demokratische“ Art und Weise
eine größere Anzahl kommunistischer
Delegierter zum kommenden Gewerk¬
schaftstag der Metallarbeiter zu er¬
langen. Wer kennt nicht die „demo¬
kratische Art und Weise" der USIA-
Demokraten — gemeine Beschimpfun¬
gen, Drohungen und Gewalttaten? Sie
wurde auch in Wiener-Neustadt wie¬
der angewendet Und sie wird, be¬
sonders in der letzten Zeit, in Form
von grundlosen Verhaftungen und
brutalen Einschüchterungsversuchen
verdienter Betriebsräte durch kommu¬
nistische Polizeihäuptlinge fortgesetzt.
Als selbstverständliche Reaktion
auf diese Tatsachen beschloß der
niederösterreichische Landesvof stand
der Gewerkschaft der Bau- und Holz-
arbeitei eine Resolution, ir, der er die
Kommunisten davor warnt, die Me¬
thoden der gewaltsamen Besetzung
von Gewerkschaftshäusern fortzu¬
setzen, da sonst die 95 Prozent der
nicht von ausländischen Agenten ver¬
hetzten aufrechten österreichischen
Gewerkschafter zu Selbsthilfema߬
nahmen schreiten müßten.
So wie immer, wenn die österrei¬
chische Arbeiterschaft einen kommu¬
nistischen Terrorakt energisch zu¬
rückweist (siehe die Oktoberlage 1950),
hebt nun die „Volksstimme" eine web-
leidige Tirade an. Sie spricht von
„Brachialgewalt" und von einem
„äußerst gefährlichen Weg", den der
ÖGB beschreitet. Das ausländische i
Sprachrohr am Fleischmarkt ist also
der von den Volksdemokratien über¬
nommenen Meinung, daß grundsälz- /
lieh immer der Angegriffene schuld
sei — sofern er natürlich kein Kom¬
munist ist.
Was den gefährlichen Weg anbe¬
langt, den der ÖGB beschreitet, so
hat die „Volksstimme" recht; er xsl
gefährlich — und zwar für Kommu¬
nisten, die eine demokratische Tole¬
ranz als Schwäche und die Demo¬
kratie als den Saatboden für die Dik¬
taturen betrachten.
&ie Hran&enfcasbe
Eine Leserin der „Solidarität", Kol¬
legin Herta Frauwalinet, hat uns
ein nettes Gedicht eingesendet, welches
wir nachstehend veröflentlichen. Es
freut uns, daß sie zu dem Thema
Krankenkasse iii einer so positiven
Art Stellung nimmt, — noch dazu in
poetischer Form.
Nicht essen kannst du? Und nicht schlafen?
Du klagst, daß es im Rücken sticht?
Man merkt es auch an deinem Schaffen,
Spann nicht den Bogen, bis er bricht!
Du sagst, zum Arzt willst du nicht gehen,
Denn füi „privat'’ hast du kein Geld? —
Glaubst du, die Kassenärzte sehen
Nicht auch genau so, was dir fehlt?
bist du schon jemals dort gewesen? —
Dann schimpf nicht, wenn du es nicht weißt.
Ich war schon dort und bin genesen,
Und weiß, was Kranksein wirklich heißt
Bei manchen Steuern, da verstehe
Ich nie, was mit dem Geld geschieht,
Doch wenn ich in die „Kasse“ gehe,
Begreif ich.es, weil man was sieht
Hier spür ich es, wofür ich zahle:
Gesundheit, Leben hängen dran.
Und so wie ich bezahlen alle,
Weil Krankheit jeden treffen kann.
Nur Unvernunft und bösex Wille
Macht unsre Krankenkasse schlecht,
So beschimpfen leider viele
Das eigne schwex erkämpfte Recht.