mer noch mehr als 177.000 Arbeits-
ose vorgemerkt, um 30.000 mehr als
zum gleichen Zeitpunkt des Vor¬
jahres und um 60.000 mehr als 1951.
Soll die wirtschaftliche Entwick¬
lung Österreichs wieder aufwärts¬
gehen, dann gibt es nur eines: Der
rasche Abbau der Arbeitslosigkeit
muß in den Mittelpunkt der gesam¬
ten Finanz- und Wirtschaftspolitik
unseres Landes gestellt werden! Da¬
mit wird nicht nur den Arbeitslosen
gedient, sondern dies ist auch im
Interesse der gesamten Wirtschaft
und des Staates selbst notwendig!
Hunderttausende Arbeitslose be¬
deuten nicht nur schwere Ausfälle
an inländischer Kaufkraft, sie be¬
deuten Aufwendung vieler Millio¬
nen Schilling an Unterstützungen
und ein gewaltiges Absinken der
Staatseinnahmen aus der Lohn¬
steuer, der Umsatzsteuer, der Lohn¬
summensteuer; sie bedeuten Entfall
von Sozialversicherungsbeiträgen,
von Beiträgen für den Kinderbei¬
hilfenfonds und so weiter. Die stark
verminderte Kaufkraft einer großen
Zahl Arbeitsloser bedeutet den Be¬
ginn eines bösartigen Kreislaufes,
der abwärts zu vermehrter Arbeits¬
losigkeit, Preisverfall und Krise
führt.
Dabei ist das Ergebnis der Staats¬
einnahmen im Jahre 1952 durchaus
nicht ungünstig gewesen. Daß der
Bund seine Zahlungsverpflichtungen
oft nicht einhielt und dadurch zum
Ansteigen der Arbeitslosigkeit, vor
allem im Baugewerbe, beitrug, ist
deshalb nur schwer erklärlich. Es ist
eine falsche Anwendung von Steuer¬
geldern, sie später für Arbeitslosen¬
unterstützung aufzuwenden, statt
sie rechtzeitig für Arbeitsbeschaf¬
fung einzusetzen.
Der dringende Wunsch des Ge¬
werkschaftsbundes und der Arbei¬
terkammern, die Beschaffung von
Arbeitsplätzen in den Mittelpunkt
der Wirtschaftspolitik zu stellen,
veranlaßt sie natürlich auch, der
Beschaffung von finanziellen Mit¬
teln für den Ausbau der Wasser¬
kraftwerke durch eine Anleihe zu¬
zustimmen. Es hätte nach unserer
Meinung allerdings schon vor Mo¬
naten damit begonnen werden kön¬
nen, die gebesserte Geldflüssigkeit
der Banken auszunützen und Kre¬
dite aufzunehmen, so wie es von
uns vorgeschlagen wurde. Wenn in
den Banken eine Milliarde Schilling
an flüssigen Mitteln liegt, kann nie¬
mand behaupten, die Aufnahme
eines Kredites von 250 Millionen zur
Bekämpfung der Arbeitslosigkeit
werde zur Inflation führen. Das So¬
fortprogramm, das am 15. Jänner
1953 von Gewerkschaftsbund und
Arbeiterkammern aufgestellt wurde,
enthält den Vorschlag nach Bege¬
bung von Schatzscheinen in der
Höhe von 250 Millionen Schilling
und sofortigem Einsatz dieser Mittel
bei den öffentlichen Investitionen.
Und wie reagierte die Unternehmer¬
presse darauf?
„Inflationistische Forderungen"
nannte man diesen Vorschlag und
schrieb, „in diesem Programm
werde die Regierung unverhüllt auf¬
gefordert, den inflationistischen
Weg zu beschreiten".
Ende April aber nahm die Re¬
gierung einen Kredit von 100 Mil¬
lionen Schilling für den Wiederauf¬
bau der Oper bei den österreichi¬
schen Banken auf. Die Banken wer¬
den auch für die Energieanleihe
:hre flüssigen Mittel einsetzen und
damit einen Kredit für öffentliche
Investitionen geben.
Hier besteht ein krasser Gegen¬
satz zwischen der Brandmarkung
der Arbeitnehmerforderungen als
„inflationistisch" und der kurz dar¬
auf erfolgten Aufnahme von Kredi¬
ten, die praktisch dasselbe ist wie
die Begebung von Schatzscheinen.
Ist es nicht ein Widerspruch, die
Vorschläge der Arbeitnehmerseite
als „inflationistische Forderungen"
abzutun und sie dann selbst in ähn¬
licher Form auszuführen oder de¬
ren Durchführung als rettende Tat
zu feiern? Demagogie in dieser
Frage ist nicht angebracht.
alle Fremdvaluten und Devisen um 22
Das bisherige Schilüngkurs-System
Um die Gründe für die Schilling¬
kursänderung und ihre Konsequenzen
richtig zu beurteilen, muß man sich
vor Augen führen, wie bisher die
Kurspolitik gehandhabt wurde. Neben
der Schilling-Dollar-Relation von
21,36 : 1 bestand auch bisher für ver¬
schiedene Zahlungen die Relation von
26 : 1. Der Fremde, der Dollars der
Nationalbank verkauft hatte, inklu¬
sive den Besatzungsmächten, erhielt
S 26,—•. Da Österreich ein Fremden¬
verkehrsland ist, die österreichische
Nationalbank also mehr Fremdwäh¬
rungen von Touristen zum Kurs von
S 26,—, dem sogenannten Prämien¬
kurs, angeboten erhielt, als sie sie zum
Prämienkurs an ins Ausland reisende
Österreicher verkaufen konnte, ergab
sich daraus für sie ein Defizit von
rund 350 Millionen Schilling im Jahr.
Dieses Defizit, eine versteckle
Subvention des Fremdenverkehrs,
wurde bisher aus dem Abwertungs¬
gewinn des Jahres 1949 gedeckt,
aber dieser Abwertungsgewinn ist
jetzt erschöpft. Wollte man das bis¬
herige Kurs-System beibehalten,
müßte diese Subvention für den
Fremdenverkehr aus Budgetmitteln
getragen werden.
Die Kopplungsgeschäfte
Neben dem Fremdenverkehr gab es
aber auch für lohnintensive Fertig¬
warenimporte bisher schon einen
begünstigten Kurs. Für verschiedene
Importe, zum Beispiel von Kaffee, Tee,
Kakao, Autos, Motorrädern und ähn¬
lichen Waren, wurden von der Na¬
tionalbank keine Devisen zum Kurs
von S 21,36 zur Verfügung gestellt. Es
mußte daher der Exporteur von lohn¬
intensiven Fertigwaren auch einen
Importeur von beispielsweise Autos
finden, der ihm seine im Export ver¬
dienten Devisen zu einem höheren
Kurs als S 21,36 abkaufte. Es subven¬
tionierte somit der Autokäufer den
Export von lohnintensiven Fertig¬
fabrikaten.
Dieses System, von dem der Ex¬
port zahlloser Waren abhing, funk¬
tionierte so lange, als die Expor¬
teure Importeure finden konnten,
die mit Ihnen ein sogenanntes Agio¬
geschäft machten.
Durch einige große Importe, zum
Beispiel das Geschäft von Kompres¬
soren gegen Futtermittel aus der
Sowjetunion, die im Rahmen eines
Dreieck-Geschäftes nach Deutschland
verkauft wurden und für die dann
Autos nach Österreich eingeführt
wurden, wurde aber der österreichi¬
sche Markt mit Agio-Importwaren
derart überfüllt, daß in jüngster Zeit
das Kopplungssystem vollkommen
zusammenbrach, da die Inlandpreise
für die Importwaren sanken und die
•Importeure nicht die Preise erzielten,
mit denen sie die Agios bisher zahlen
konnten.
Die Arbeitslosigkeit ist nicht nur
ein Unglück für die davon Betrof¬
fenen, sie schädigt auch die Wirt¬
schaft unseres Landes. Die Bekämp¬
fung der Arbeitslosigkeit liegt im
Interesse des gesamten Volkes.
Wie die Entwicklung in unserem
Lande weiter verläuft, wird wesent¬
lich davon abhängen, in welchem
Ausmaß die Politik des Staates dar¬
auf gerichtet ist, Investitionen vor¬
zunehmen, den Wohnungsbau und
den Export zu fördern, und somit
alles zu tun, um unsere Arbeitslosen
wieder in den produktiven Wirt¬
schaftsprozeß einzureihen.
Prozent teurer bezahlen.
Die Exportschwierigkeiten der
Industrie
Es war aber nicht nur die Finan¬
zierung der Fremdenverkehrsverluste
zu einem fast unlösbaren Problem ge¬
worden, es wurden nicht nur in jüng¬
ster Zeit die Kopplungsgeschäfte un¬
durchführbar, sondern es zeigte sich
vor allem, daß infolge der leicht rück¬
läufigen Konjunktur auf dem Welt¬
markt immer mehr und mehr iganz
entscheidende Warengruppen aus
preismäßigen Gründen im Export
nicht durchkamen. Nicht zuletzt häuf¬
ten sich ja in der Schwerindustrie in
der jüngsten Zeit die Absatzschwie¬
rigkeiten so sehr, daß eine radikale
Maßnahme zur Verbesserung der
Konkurrenzfähigkeit der österreichi¬
schen Exportindustrie unvermeidbar
war.
Wollte man nicht eine Verschär¬
fung der Arbeitslosigkeit in der
Exporlindustrie in Kauf nehmen,
wollte man vor allem den Arbeits¬
markt kräftig beleben, so gab es
unter den gegebenen Voraussetzun¬
gen kaum eine andere Möglichkeit
als die Änderung des Schilling¬
kurses.
Die Importseite
Wie schon erwähnt, bedeutet eine
Kursänderung nicht nur eine Erleich¬
terung für die Exportindustrie, son¬
dern auch eine Erschwerung oder —
genauer gesagt — eine Verteuerung
der Importe. Hätte es bisher keine
Kopplungsgeschäfte gegeben und
würden die Preise verschiedener
lebenswichtiger Importwaren nicht
gestützt werden, müßte sich daraus
eine 22prozentige Erhöhung aller Im¬
portwarenpreise ergeben.
Mehr als 10 Prozent der öster¬
reichischen Importe wurden aber
bereits im Kopplungsverfahren ein¬
geführt, und zwar zu Kursen, die
oft über dem neuen Schillingkurs
lagen. Für diese Waren ergibt sich
aus der Kursvereinheitlichung keine
Verteuerung. Gewisse Grundnah¬
rungsmittel werden weiter gestützt
werden, so daß sich auch bei ihnen
keine Verteuerung für den Konsu¬
menten ergeben kann.
Die Behauptung aber, daß sämtliche
Probleme der Kursänderung schon
gelöst seien, ist allerdings verwegen.
So steht noch nicht fest, ob nicht die
osteuropäischen Staaten aus der Kurs¬
änderung Forderungen auf Preisnach¬
lässe für ihre Importe und Preis¬
steigerungen für ihre Exporte ableiten
werden. Es ist so gut wie nichts vpr-
gekehrt, daß nicht das Holz, das nun
im Export um 22 Prozent höhere
Preise erzielt, nicht auch im Inland
teurer wird. Ebenso ist es möglich,
daß ein gewisser Prozentsatz der Im¬
portpreissteigerung von verschiedenen
Importrohstoffen von Verarbeitung
und Handel nicht in den Spannen
aufgenommen wird, sondern daß zu¬
mindest der Ve*such unternommen
Uttferdeäkk
Herr Stüber macht sich unnütze
Sorgen
„Sind denn die Geldreserven des
österreichischen Gewerkschaf Isbun-
des nur dazu da, um den Wahlkampf
der SPÖ zu finanzieren?'', rief der
VdU-Abgeordnete Stüber am
22. April 1953 bei der Parlaments¬
debatte über das Energieanleihe¬
gesetz mit flammender Entrüstung
(Auftrag ist eben Auftrag!) dem
Hoben Hause zu.
„Der Millionenschatz der Gewerk¬
schaft“, wie Herrn Stübers abhän¬
gigste aller österreichischen Zeitun¬
gen, „Der Unabhängige", groß aufge-
macht die notwendigen Geldreserven
des Gewerkschaftsbundes bezeichnet,
ist diesem Kreis der Unternehmer ein
Dorn im Auge. Mit finanziell starken
und daher schlagkräftigen Gewerk¬
schaften kann man eben nicht so
umspringen, wie man gerne möchte.
Die Mitglieder des öslerreichi-
schen Gewerkschaftsbundes aber
wissen, daß dieser „Millionenschatz"
nur ihren Interessen dient, und sie
wissen auch, daß für Wahlzwecke
noch niemals auch nur ein Groschen
von den Milgliedsbeilrägen aus-
gegeben wurde. Davon zeug! die von
der Konirollkommission, der Ver¬
treter verschiedener politischer Par¬
teien angjrhören, genau kontrollierte
RechmmgMegung in jedem Jahres¬
bericht des österreichischen Ge¬
werkschaf tsbundes.
Die Sorgen des Herrn Stüber um
die korrekt verwalteten Gewerk-
schaflsgelder sind also vollkommen
unbegründet. Wir tragen uns nur, ob
er vom Jahre 1938 bis 1945 auch
einmal den Mut aufgebracht hat,
sich um die Verwendung der DAF-
Beiträge zu kümmern oder gar
Schwindel mit dem „Volkswagen-^
sparen" anzuprangern? Heute aber
ist er so „mutig", zu versuchen, in
einer von den Unternehmerinteressen
diktierten Parlamentsrede außer dem
österreichischen Gewerkschaftsbund
auch die arbeitschaffende Energie¬
anleihe in Mißkredit zu bringen. In
beiden Fällen ein wahrhaft daneben¬
gegangener Versuch!
wird, diese Verteuerungen auf den
Konsumenten weiterzuwälzen.
Es darf aber nicht übersehen wer¬
den, daß gegenwärtig auf dem ln-
laridmarkt ein außerordentlich starker
Preisdruck besieht, so daß es dem
Handel und der Industrie kaum gelin¬
gen wird — falls die breite Masse der
Konsumenten sich nicht durch un¬
richtige Vorstellungen von den not¬
wendigen Folgen einer Kursänderung
zu unvernünftigen Handlungen ver¬
leiten läßt —, die Kostenverteuerung
der Konsumentenschaft aufzulasten,
um die Gewinnspannen aufrecht zu
erhalten.
Nichts wäre falscher, als zu glau¬
ben, daß mit der Schiliingkursände-
rung nunmehr zwangsläufig eine
Periode steigender lebenshaltungs-
kosten eingeleitet sei. Auch durch
die Verlängerung des am 30. Juni
1953 ablaufenden Preisregelungs¬
und Lebensmittelbewirtschaftungs¬
gesetzes soll die eventuelle Gefahr
einer Erhöhung der Lebenskosten
abgewehrt werden.
Viele Preise inländischer Erzeug¬
nisse werden durch die Kursverein¬
heitlichung nicht gehoben; im Gegen¬
teil, sie müssen sinken. Es wird sich
zeigen, daß neben dem Fleischprei«
auch andere Agrarpreise auf dem
gegenwärtigen überhöhten Niveau
nicht gehalten werden können. Die
Schillingkursänderung allein wird da¬
her auf längere Sicht keine Änderung
der Lebenshaltungskosten, höchst¬
wahrscheinlich aber eine Verbesse¬
rung der Besc: : itigungslage in der
Exportindustrie bringen, K.
Warum Schillingkursänderung?
Bekanntlich hat der Generalrat der österreichischen Nationalbank am
Donnerstag, dem 30. April 1953, beschlossen, die Relation des Schillings
zum Dollar auf den Kurs von 26 : 1 zu vereinheitlichen. Ab Montag, den
4. Mai 1953, erhalten somit Exporteure für den Dollar sowie natürlich auch
für alle anderen Fremdvaluten und Devisen, die sie an die Nationalbank
abliefern, um 22 Prozent mehr. Sie erhalten für den Dollar statt wie bisher
S 21.36 nunmehr S 26,—. Importeure müssen den Dollar und natürlich auch
Seite 2 Nr. 190 SOLIDARITÄT