BeiderUrlaubseinleilungbeachlen:
30. August
bis 6. September
Geweikschaftstreifen in Wien
ZENTRALORGAN DES ÖSTERREICHISCHEN GEWERKSCHAFTSRUNDES
26. MAI 1953 / NR. 191 PREIS 25 GROSCHEN
lugend will Arbeit V
Von Bundesminister Karl Maisei, Vizepräsident des ÖGB
Wie alljährlich werden auch heuer wieder die Vierzehnjährigen
die Pflichtschule verlassen. Dieses für die Jugend so schöne Ereignis
wird leider nur allzuoft vom Schatten einer drohenden Arbeitslosig¬
keit getrübt. Die eindrucksvollsten Jahre junger Menschen, die Jahre
der besten Aufnahmefähigkeit für eine berufliche Ausbildung, werden
vielfach zu Jahren der Untätigkeit.
Der österreichische Gewerk¬
schaftsbund hat seit Jahren immer
wieder auf die Gefahren hin¬
gewiesen, die aus dem Bestehen
der Jugendarbeitslosig¬
keit für' die Betroffenen sowie
für die Allgemeinheit entstehen.
Der Gewerkschaftsbund hat eben¬
so immer wieder zum Ausdruck
gebracht, daß er sich unter keinen
Umständen mit '.diesem Problem
abtinden, sondern daß er mit
ganzer Kraft zu dessen Lösung
beitragen wird.
Es geht um die Zukunft
Junge Menschen, die nach dem
Erreichen des vierzehnten Lebens¬
jahres zum Müßiggang sozusagen
verurteilt werden, sind den schäd¬
lichen Einflüssen der Straße und
des schlechten Umganges beson¬
ders stark ausgeliefert. Arbeits¬
willige Burschen und Mädchen,
die keine Lehrstelle finden kön¬
nen, verlieren viel an Selbst¬
bewußtsein und Lebensfreude Die
charakterliche Entwicklung sowie
auch die Einstellung zum Gemein¬
wesen hängt in hohem Maße da¬
von ab, daß man der Jugend eine
Möglichkeit bietet, berufliches
Können zu erwerben und damit
schlummernde Fähigkeiten zu ent¬
falten.
Die Jugend will Arbeit, Ar¬
beit, die ihrem Lehen Sinn und
Inhalt gibt und sie in die Lage
versetzt, sich später als quali¬
fizierte Arbeitskräfte ein men¬
schenwürdiges Dasein zu
sichern.
Die Frage der Berufsausbildung
ist aber auch für die Gesamtwirt¬
schaft von großer Bedeutung.
Österreich ist auf dem Weltmarkt
nur dann konkurrenzfähig, wenn
es Erzeugnisse höchster Qualität
zu liefern vermag. Solche Erzeug¬
nisse können aber nur von hoch-
qualifizierten Arbeitskräften her¬
gestellt werden. Aus arbeitslosen
Jugendlichen von heute aber kön¬
nen nur Hilfsarbeiter oder an¬
gelernte Arbeiter von morgen
werden. Fehlen jedoch in Zukunft
die qualifizierten Arbeitskräfte,
die in Industrie und Gewerbe
dringend benötigt werden, so
sinkt unsere Exportfähigkeit und
so sinkt unser Lebensstandard.
Hinzu kommt noch, daß Men¬
schen mit unzureichendem Berufs¬
können meist nicht genügend
Rückgrat in der Vertretung ihrer
Interessen besitzen. Je tüchtiger
ein Mensch in seinem Beruf ist,
desto besser und entschlossener
ist er als Gewerkschafter.
Lehrling und Unternehmer
Tn Kürze werden 123.400 Vier¬
zehnjährige die Schule verlassen,
das sind um 40.000 mehr als im
Vorjahr. Gegenwärtig sind bereits
etwa 42.000 Jugendliche ohne Be¬
schäftigung, 12.000 davon sind bei
den Arbeitsämtern als Lehrstellen¬
suchende vorgemerkt. Diese Tat¬
sachen dürfen von der Öffentlich¬
keit nicht übersehen und nicht
unterschätzt werden. Der Gewerk¬
schaftsbund hat bereits vor drei
Jahren den Entwurf eines B e-
rufsausbildungsge-
s e t z e s den zuständigen Stellen
zur Begutachtung vorgelegt. Die
Verwirklichung eines solchen Ge¬
setzes ist in höchstem Maße not¬
wendig geworden. Das Problem
der Jugendarbeitslosigkeit kann
und wird gelöst werden!
Ein Teil der Unternehmerschaft
hat allerdings eine andere Vor¬
stellung von der Lösung dieses
Problems. Das Jugendschutz¬
gesetz sei daran schuld, daß so
viele Jugendliche ohne Lehrstellen
sind. Mit anderen Worten aus¬
gedrückt heißt das: Man will aus
der Einstellung von Jugendlichen
ein Geschäft machen. Das be¬
stehende jugendschutzgesetz ist
vom Parlament beschlossen wor¬
den. Die Forderung nach Ver¬
schlechterung soll man sich aus
dem Kopf schlagen. Sie wird sich
nie erfüllen; dafür garantiert der
ÖGB!
Viele Unternehmer versuchen
dieses Problem mit einem anderen
zu verknüpfen, das ihnen, aus ver¬
ständlichen Gründen, besonders
schwer am Herzen liegt. Sie sagen:
Wir sind gerne bereit, Jugend¬
liche als Lehrlinge einzustellen,
doch soll man uns dafür die
Steuer ermäßigen, andernfalls
ist ein kleiner Gewerbebetrieb
nicht in der Lage, Lehrlinge zu
halten.
Dazu ist zu sagen, daß lehrling-
haltende Betriebe ohnehin ge¬
wisse steuerliche Vorteile ge¬
nießen. So gelten die aus der
Lehrlingshaltung erwachsenen Auf¬
wendungen als Betriebsausgaben,
die den steuerpflichtigen Gewinn
mindern. Die Lehrlingsentschädi-
gungeh zählen außerdem nicht
bei der Ermittlung der Lohnsum¬
men. überdies stimmt es gar nicht,
daß kleine Gewerbebetriebe nicht
in der Lage sind, Lehrlinge zu
halten. Wie aus einer dem Bun¬
desministerium für soziale Ver¬
waltung vorliegenden Statistik
hervorgeht, stellt gegenwärtig das
Gewerbe 73 Prozent aller Lehr¬
plätze zur Verfügung. Die öster¬
reichische Privatindustrie
hingegen beschäftigt im Verhält¬
nis zur Zahl ihrer Arbeiter nur
knapp zwei Prozent Ju¬
gendliche. Gerade die Industrie
aber benötigt in steigendem Maße
den Nachwuchs an qualifizierten
Arbeitskräften.
Die lugend kann nicht warten!
Der österreichische Gewerk¬
schaftsbund steht auf dem Stand¬
punkt, daß das Jugendschutzge¬
setz nicht verschlechtert werden
darf, sondern daß es durch ein
Berufsausbildungsgesetz. ergänzt
werden soll. Dieses Berufsausbil¬
dungsgesetz soll die Grundlage
für die Schaffung von Lehrwerk¬
stätten und für die Vermehrung
von Lehrstellen in Industrie und
Gewerbe bilden.
Doch die Zeit vergeht sehr
schnell. Die Jugend kann nicht
warten! Es müssen schon jetzt ge¬
eignete Vorkehrungen getroffen
werden, um die Jugendarbeits¬
losigkeit wirksam zu bekämpfen!
Erfreulicherweise ist es nun
endlich so weit, daß eine Reihe
geeigneter Maßnahmen von dem
für diese Frage zuständigen
Ministerkomitee zur Bekämpfung
der Jugendarbeitslosigkeit ge-*
troffen werden können. Dazu
gehört vor allem zunächst die
Einführung eines neun¬
ten Schuljahres.
Vierzehnjährige, die keine Lehr¬
stelle oder keinen Arbeitsplatz fin¬
den, sollen in Hinkunft die Schule
um ein Jahr länger besuchen kön¬
nen. Im Hinblick darauf, daß rund
vierzig Prozent der Schulentlasse¬
nen das Lehrziel nicht erreichen,
erscheint die Verlängerung der
Schulzeit unbestreitbar als zweck¬
mäßig. Allerdings soll der Besuch
dieses zusätzlichen Schuljahres
vorerst freiwillig sein.
Um der Unternehmerschaft
die Haltung von Lehrlingen zu
Der Gewerkschaftsbund stellt nicht nur Forderungen nach besseren Möglich¬
keiten für die Berufsausbildung unserer Jugend, sondern er leistet selbst
Vorbildliches! Im Bilde: Die Werkhalle der neuerrichteten Lehrwerkstätte
des ÖGB im Schloß Krumpendorf in Kärnten.