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bestätigt: Die Kommission ent¬
schied, daß der von der tschecho-
siowakischen Regierung entsandte
Arbeitgebervertreter anerkannt
werden müsse, obwphl er Beamter
im tschechoslowakischen Ministe¬
rium für die verstaatlichte Schwer¬
industrie sei. Die Arbeitgeberkurie
hatte gegen seine Anerkennung
Einspruch erhoben.
Neben den der Fortbildung
des Arbeitsrechtes dienenden Be¬
schlüssen bildete heuer ein wichti¬
ges Diskussionsgebiet das Problem
der Produktivitätssteigerung. Aus
der eingehenden Aussprache, an
der sich auch Sozialminister MaisSl
beteiligte, ergab sich, daß gewisse
Voraussetzungen für eine Steige¬
rung der Produktivität, wenn sie
auch von der Arbeitnehmerseite
gefördert werden soll, erfüllt sein
müssen, nämlich: die Steigerung
der Produktivität darf nicht Arbeits¬
losigkeit hervorrufen, ferner müssen
die Vorteile einer höheren Pro¬
duktivität gerecht verteilt werden,
und schließlich darf von den Ar¬
beitnehmern nicht ein Arbeitstempo
verlangt werden, das sie größeren
Gefahren für ihre Gesundheit und
Sicherheit aussetzt.
Die Landesexekutiven
UMterdeiA
Versprechen und Haften
In der Bau- und Montageabteilung
der Sowjetischen Mineratölverwaltung
(SMV) wurden von 1200 Beschäftigten
400 entlassen und weitere Entlassun¬
gen werden vorbereitet.
So wie jedes Jahr wurde seltsamer¬
weise auch heuer wieder in Urgers-
bach, einem in Niederösterreich ge¬
legenen Ort, ein Erholungsheim der
Sowjetischen Mineralölverwaltung fei¬
erlich „eröffnet". Bei dieser „Eröff¬
nungsfeier" versicherte der Zentral¬
betriebsrat H e i n i s c h den erstaun¬
ten Anwesenden unter anderem:
„Die Arbeiter der Sowjetischen Mi¬
neralölverwaltung haben die besten
Arbeitsbedingungen von allen Arbei¬
tern in ganz Österreich, ln der SMV
braucht niemand Angst vor Arbeits¬
losigkeit zu haben."
Die Kommunisten der Böhler-Ybbs-
talwerke stellten am 1. Mai im Betrieb
eine Tafel auf, darauf stand geschrie¬
ben: „Wer nicht mit uns marschiert,
gehört zu den Kriegshetzern."
Sie notierten in Waidhofen jene Ar¬
beiter, die nicht am kommunistischen
l.-Mai-Aufmarsch teilnahmen. Die
Folge war vorauszusehen: Am 4. Mai
überreichte der kommunistische Per¬
sonalchef dem Betriebsrat eine große
Kündigungsliste, auf der 170 Arbeiter,
darunter langjährige Betriebsangehö¬
rige und Familienväter mit Kindern,
standen. 146 von den 170 Gekündigten
waren Arbeiter und Angestellte, die
trotz der Einschüchterungsversuche
auf dem l.-Mai-Aufmarsch der Kom¬
munisten nicht teilgenommen hatten.
Der Grund der Kündigung war Arbeits¬
mangel, obwohl kurze Zeit darauf
eine große Anzahl von Kommunisten,
die man aus entlegenen Gebieten
herbeigeholt hatte, aufgenommen
wurden.
Auf verschiedene Vorhaltungen,
warum so viele verdiente, langjährige
Betriebsangehörige gekündigt wurden,
sagte der Personalchef lakonisch: „Ich
mach' mir aus meinem Betrieb kein
Aitersheim."
Zwei Fälle nur aus der endlosen
Reihe von Terrorkündigungen in Usia-
Betrieben. Versprechen und Halten
sind eben zwei Begriffe. Der letztere
ist den Verkündern des volksdemo¬
kratischen Schlaraffenlandes vollkom¬
men fremd.
„Laßts mi aus mit der Gewerk¬
schaft! Wann ich mich organisieren
laß, kriegt der Chef nur a Wut auf
midi und schmeißt mich bei der nädi-
sten Gelegenheit hinaus. Und wann
i meinen Posten bei der Arbeitslosig¬
keit verlier, wird midi die Gewerk¬
schaft auch nicht satt machen können.“
— Der kleine Angestellte oder Ar¬
beiter Müller oder Meier, der diese
Äußerung tut, ist zwar heute kein
-unbedingt typischer Fall mehr, aber
namentlich in kleineren Betrieben
/ kann man solche Bemerkungen doch
immer wieder hören. Das geht aus
einigen Berichten der verschiedenen
Landesexekutiven des österreichi¬
schen Gewerkschaftsbundes für das
abgelaufene Jahr 1952 hervor.
Heute weiß aber bereits jeder
Arbeiter und Angestellte, daß die
Zugehörigkeit zur Gewerkschaft
auf keinen Fall ein Entlassungs¬
grund sein kann. Meistens ist diese
„Angst" vor der Entlassung eine
billige Ausrede, um sich von der
Bezahlung des Gewerkschaftsbei¬
trages zu drücken.
„Wenn es noch immer Arbeiter
und Angestellte gibt, die fragen: .Wo¬
zu eine Gewerkschaft?1, dann sei ihnen
nur eine einzige Ziffer entgegenge¬
halten. Bei Interventionen und
Rechtsvertretungen wurden den Mit¬
gliedern 1952 S 1,286.324,13 gesichert
und hereingebracht“, berichtet die
Landesexekutive Salzburg, und fügt
hinzu: „Diese Beträge bilden jeden¬
falls eine wertvolle Illustration zu
der Behauptung: „,Ich brauche keine
Gewerkschaft.' Möge sich jeder, der
so spricht, auch die Frage vorlegen:
,Wie lange?"'
Ähnliche Erfolge konnten in allen
anderen Bundesländern erzielt werden.
So wurde auch in Niederösterreich an
vorenthaltenen Löhnen, Gehältern,
Abfertigungen usw. ein Betrag von
nicht viel weniger als einer Million
Schilling durch Interventionen, Kla¬
gen usw. hereingebracht.
Aber wie wichtig und notwendig
auch der Rechtsschutz ist, den die
Gewerkschaft zu jeder Stunde und in '
jeder Lage jedem einzelnen ihrer
Mitglieder zuteil werden läßt, ist
doch die Rolle, die sie im Wirt¬
schaftsleben unseres Landes spielt,
weit umfassender und tiefergehend.
Man denke nur an die Bekämpfung
der Arbeitslosigkeit, der willkür¬
lichen Preissteigerungen und der
Kartelle und Monopole.
1952 ein Wendepunkt
Die Berichte aus allen Bundes¬
ländern stimmen darin überein, daß
das abgelaufene Jahr 1952 einen
Wendepunkt in der Entwicklung der
österreichischen Wirtschaft seit Kriegs¬
ende bedeutet hat. Es ist gekenn¬
zeichnet durch ein rapides, ja viel¬
fach bedrohliches Zunehmen der Ar¬
beitslosigkeit. Am stärksten wurden
von ihr Niederösterreich, das Burgen¬
land und Kärnten betroffen. Aber
auch aus der Steiermark wird ein
Anwachsen der Arbeitsiosenzuhl ge¬
meldet.
In den am stärksten betroffenen
Ländern wurden die Arbeitslosen¬
referate ausgebaut, denen es gelang,
den notleidenden Kollegen immer
wieder die Lage zu erleichtern, durch
Beistandshilfen, durch besondere Ak¬
tionen, die einen verbilligten Fleisch¬
bezug ermöglichten, Kohle für die
Wiritermonate sicherten usw.
Aber mit der Linderung der Not
des einzelnen ist es natürlich nicht
getan. Es kam darauf an, die Ur¬
sachen der Krise zu erfassen und
eine Politik zu verfolgen, die die
wirtschaftliche Sicherung der ar¬
beitenden Bevölkerung gewährleistet
und verhindert, daß die Lage von
extremistischen Elementen ausgenützt
wird.
Die Ursachen der Krise — und
auch darin stimmen alle Berichte
überein — sind in erster Linie die
allmähliche Verminderung der Mar¬
shall-Hilfe und Rückschläge auf
dem Weltmarkt, die eine vorüber¬
gehende Krise der Textilindustrie
zur Folge hatten. Auch das Bauge¬
werbe wurde durch die Einschränkung
der Bautätigkeit in Mitleidenschait
gezogen und riß dadurch das Bau¬
nebengewerbe in die Krise mit hin¬
ein.
Aber trotz der Krisenverhält¬
nisse im abgelaufenen Jahr
konnten die Gewerkschaften in
fast allen Bundesländern ihren
Milgliederstand erhöhen. Nur in
Kärnten und in Vorarlberg waren
leichte Rückgänge zu verzeichnen.
Sie finden ihre Erklärung vielfach
in Pensionierungen und in der Ab¬
wanderung von arbeitslos gewor¬
denen Mitgliedern.
Ein besonderes Augenmerk wurde
auch im vergangenen Jahr der Er¬
fassung der Frauen und der Jugend
gewidmet. Die Frau, die neben ihrer
Berufsarbeit oft auch Hausarbeit zu
leisten hat, verfügt vielfach über zu
wenig Freizeit und ist daher zumeist
verhindert, gewerkschaftliche Funk¬
tionen auszuüben; doch konnten da
fast überall nennenswerte Fortschritte
erzielt werden.
Unsere lugend
Was die Jugend betrifft, so war
sie nicht nur von der Arbeitskrise
stark betroffen, sondern sie hat es
auch oft viel schwerer als erwach¬
sene Arbeitnehmer, ihre sozialen
Rechte zu wahren. Besonders häufig
sind die Fälle, daß dem Lehrling oder
dem jugendlichen Arbeiter mit Posten-
verfust gedroht wird, wenn er den
ihm von der Sozialversicherung zuge¬
standenen Krankenurlaub antreten
will. Doch konnte im allgemeinen
festgestellt werden, daß sich der
Gesundheitszustand der heranwach-
senden Jugend verbessert hat.
Internats- und Berufsausbildungs¬
kurse, Heimabende, Theater- und
Filmvorführungen, Sportveranstaltun¬
gen aller Art dienten in reicher Zahl
der Ausbildung und kulturellen
Hebung der Jugend, für die fast
überall schöne, moderne Heime zur
Verfügung sieben. Nur Oberöster¬
reich meldet einen Mangel an Heim¬
stätten, so daß die Jugend sich dort
meist in Gasthäusern versammeln
muß, deren Atmosphäre gewiß nicht
als förderlich bezeichnet werden kann.
Kultur und Fremdenverkehr
Vorträge und Diskussionsabende,
Theaterringe und Theatergemein¬
schaften, eine immer wachsende Zahl
von Filmvorführungen, die besonders
dort, wo, wie etwa im Burgenland,
die Bevölkerung erst kilometerweit
bis zum nächsten Kino gehen muß,
großen Anklang fanden, füllen das
reiche Programm der Bildungsreferate
auch für die Erwachsenen. In Nieder¬
österreich ist man im vergangenen
Jahr zum erstenmal darangegangen,
eine eigene Schauspielergruppe zu¬
sammenzustellen, und zwar die
„Wiener Komödie“, die sich sehr
vorteilhaft von anderen Schauspieler¬
gruppen unterscheidet, die in Niedev-
österreich „Kultur" verbreiten. Sie
hat im Organisationsgebiet der
Landesexekutive 130 Theatervor¬
stellungen und 14 künstlerische
Abende aller Art veranstaltet.
Ein besonderes Kapitel der öster-
reichischen Wirtschaft bildet der
Fremdenverkehr. Die absolut höchste
Zahl an Übernachtungen hat Salz¬
burg zu verzeichnen. Der Anteil der
Ausländer ist im ständigen Wachsen.
Er ist im vergangenen Jahr auf
45.5 Prozent gestiegen. Der Be¬
richt der Landesexekutive erklärt
diese Erscheinung mit dem immer
stärkeren Aufkommen des „Sozial-
tourismus". An die Stelle des wohl¬
habenden Fremden, der sich oft
berichten
wochenlang an einem Ort aufgehalten
hat, tritt immer mehr der Tourist
aus den Kreisen der arbeitenden Be¬
völkerung, der seinen Aufenthalt oft
nur auf wenige Tage beschränken
muß.
Auch in Kärnten hat der Fremden¬
verkehr eine Steigerung erfahren, die
ausschließlich auf einen stärkeren
Zustrom von Ausländern zurückzu-
führen ist, denn die Übernachtungen
von Inländern sind um 3,6 Prozent
zurückgegangen. Die Übernachtungen
von Ausländern erhöhten sich hin¬
gegen um 14 Prozent. Die Gäste aus
Westdeutschland stehen mit 42.9 Pro¬
zent an der Spitze.
Der Kärntner Fremdenverkehr
bemüht sich, den steigenden An¬
sprüchen der Gäste in jeder Bezie¬
hung entgegenzukommen. Vor allem
wurde an das Gast- und Hotel¬
gewerbe appelliert, nicht durch
überhöhte Preise den Ruf Öster¬
reichs als Fremdenverkehrsland zu
schädigen.
Wie notwendig es ist, auch im
Fremdenverkehr richtig zu planen,
wird im Bericht der Landesexekutive
Tirol besonders beleuchtet. Während
in der Sommersaison 1952 die Zahl der
im Hotel- und Gastgewerbe beschäf¬
tigten Arbeitnehmer um rund 8000
zugenommen hat, hat in der gleichen
Zeit die Zahl der arbeitslosen gast¬
gewerblichen Arbeiter nur um 2200
abgenommen. Das heißt, daß mehr als
6000 aus der Landwirtschaft stam¬
mende Arbeitskräfte in die Fremden¬
verkehrsbetriebe eingeströmt sind,
obwohl noch über 4000 gastgewerb¬
liche Arbeiter arbeitslos blieben. In
den seltensten Fällen aber kehren die
neu eingeströmten Kräfte nach der
Saison aufs Land zurück, sondern
suchen andere Beschäftigungen und
vermehren die Zahl der Arbeitslosen.
Es ist dies nur eine Seite^^die nac
Problem der Landflucht zeigt. Hier
wird es notwendig sein, besomla*«.
Vorkehrungen zu treffen.
Arbeit im Ausland
Ein Sonderproblem ergibt sich für
die Landesexekutive Vorarlberg durch
die sogenannten Grenzgänger. Das
sind jene Personen, die täglich einer
Beschäftigung im benachbarten Liech¬
tenstein oder in der Schweiz nach¬
gehen. Ihre Zahl sank im abgelaufe¬
nen Jahr von 3085 auf 2656. Hier ist
eine Zusammenarbeit mit den zustän¬
digen gewerkschaftlichen Organisa¬
tionen der Nachbarländer erforderlich,
und es gelang wiederholt, die Inter¬
essen der Österreicher in diesen
Ländern z.u wahren. Da sich auch
in der Schweiz gewisse Krisenerschei¬
nungen zeigten, galt es, die Entlassung
von Grenzgängern möglichst zu ver¬
hindern. Auch mit den bayrischen
Gewerkschaften wurden gute Bezie¬
hungen angebahnt.
Es sind dies nur einige wenige Aus¬
schnitte aus den umfassenden und
eingehenden Berichten der Landes¬
exekutiven des ÖGB der acht Bundes¬
länder. Aber auch diese wenigen
Streiflichter leuchten das weite und
vielfältige Gebiet ab,
in dem die österreichische Gewerk-
schaitsbewegung unermüdlich und
oft unter den schwierigsten Verhält¬
nissen tätig ist und mit den Inter¬
essen ihrer Mitglieder zugleich die
wirtschaftlichen Interessen unseres
Vaterlandes verteidigt.
Nicht immer wird dies auch,von der
Unternehmerseite erkannt. Auch im
vergangenen Jahr sah sich die
Gewerkschaft zuweilen gezwungen,
die Rechte der Arbeitnehmer, die Er¬
langung von Kollektivverträgen durch
gerichtliche Interventionen, da und
dort mit Warnstreiks durchzusetzen.
Umso erfreulicher ist es, wenn die
Landesexekutive Tirol berichten kann,
daß dort die Gewerkschaftsbewegung
von allen Behörden und Dienststellen
anerkannt und beachtet wird.
Seite 2 Nr. 196 SOLIDARITÄT