VW-
Kommt ein neuer Zolltarif?
Im Jahre 1948 beschlossen die Teilnehmerstaaten an der Organisation für
europäische Zusammenarbeit (OEEC) die Erstellung eines einheitlichen Zoll¬
tarifschemas, auf welches alle europäischen Zolltarife umzustellen sind. Dem
Exportkaufmann wird dadurch die Feststellung der jeweiligen Zollhöhe für
die einzelnen Produkte erleichtert und es verringert sich die Gefahr falscher
Einstufungen aus protektionistischen Gründen durch die Behörden des Ein¬
fuhrlandes. Darüber hinaus ermöglicht ein einheitliches Schema den inter¬
nationalen Vergleich der Zollbelastungen einzelner Waren. Die Erstellung
eines solchen Schemas ist daher zu begrüßen.
In Österreich wird schon seit mehl
als einem Jahr an der Umstellung
de« Tarifes auf dieses neue — das so¬
genannte Brüssler — Schema ge¬
arbeitet. Es handelt sich dabei nicht
nur um die Einreihung der verschie¬
denen österreichischen Zolltarilpositi-
onen in den neuen Tarif, sondern es
müssen auch die im derzeit gelten¬
den Tarif angewendeten spezifischen
Zölle (Berechnung des Zolles nach
dem Gewicht der Ware) auf Wertzölle
(Berechnung des Zolles nach dem
Wert der Ware) umgestellt werden.
Der österreichische Zolltarif stammt
aus dem Jahre 1924. Für die seit die-
eem Zeitpunkt auf den Markt gekom¬
menen Waren sind neue Zollsätze
festzulegen.
Der Hauptgrund für das verhält¬
nismäßig langsame Fortschreiten der
Arbeiten für den neuen Zolltarif
liegt jedoch darin, daß von der
österreichischen Industrie und der
Landwirtschaft beabsichtigt ist, an¬
läßlich der Tarifumstellung eine
allgemeine Zollerhöhung durchzu-
seizen.
Begründet wird diese Forderung mit
dem in Österreich angeblich beson¬
ders niedrigen Zollniveau und der
Notwendigkeit, die heimische Produk¬
tion vor der ausländischen Konkur¬
renz zu schützen. Auch handels¬
politische und fiskalische Erwägungen
werden ins Treffen geführt.
Der wahre Grund
ist jedoch folgender: Seit Mitte vori¬
gen Jahres ist Österreich Gläubiger
der Europäischen Zahlungsunion. Am
1. Juli 1953 mußte Österreich im Zu¬
sammenhang mit der Erlangung der
Vollmitgliedschaft bei der Europä¬
ischen Zahlungsunion einen Teil sei¬
ner Einfuhr liberalisieren, das heißt,
von jeder Genehmigungspflicht be¬
freien. Trotz dieser Erleichterung der
Einfuhr hat sich unsere Zahlungs-
bi'anzsituation neuerlich verbessert.
Unter Hinweis auf diesen Umstand
werden die internationalen Behörden
einen immer stärkeren Druck in der
Richtung einer Erweiterung der öster¬
reichischen Liberalisierung ausüben.
Tatsächlich haben ja auch die mei¬
sten europäischen Staaten einen viel
höheren Prozentsatz ihrer Importe
liberalisiert.
Viele Industrien müssen daher
schon in naher Zukunft mit einem
schärferen Wettbewerb ausländischer
Konkurrenten rechnen.
Die Umstellung des Zolltarifes
soll nun im Wege einer allgemei¬
nen Zollerhöhung unseren Industri¬
ellen und Landwirten diese aus¬
ländische Konkurrenz vom Leibe
hallen. Die Rechnung hätte der
Konsument zu bezahlen, der dem
Preisdiktat der inländischen Kar¬
telle und Monopole umsomehr aus¬
geliefert wäre, als die Tendenz be¬
steht, die Preisregelung abzubauen.
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Es gibt — vielleicht abgesehen vom
Kartellproblem — kein Beispiel, wo
sich das Schlagwort von der „freien
Wirtschaft" so eindeutig selbst wider¬
legt hat. Gerade im Außenhandel war
in den vergangenen Jahren der Ruf
nach der sogenannten Wirtschafts¬
freiheit besonders groß; kaum ist es
so weit — wird die Maske fallen ge¬
lassen.
Auslandskonkurrenz
Um die wahre Absicht zu ver¬
schleiern, bemühen sich die Initia¬
toren der Hochschutzzollpolitik mit
großem Propagandaaufwand, den Ar¬
beitnehmern zu beweisen, daß die
Fernhaltung der ausländischen Kon¬
kurrenz dem österreichischen Arbeiter
und Angestellten den Arbeitsplatz
sichert. In Wahrheit führt jedoch die
weitgehende Ausschaltung der Aus¬
landskonkurrenz zu ungerechtfertigt
hohen Preisen. Hohe Preise bedeuten
niederen Konsum. Geringer Konsum
führt zwangsläufig zu Arbeiterent¬
lassungen wegen Auftragsmangel.
Während das Prinzip „kleiner
Umsatz — hoher Gewinn" schon
wegen des damit verbundenen ge¬
ringen Risikos für manche Unter¬
nehmer eine durchaus befriedigende
Lösung darstellt, ist diese — wie
der amerikanische Gewerkschafts¬
führer Reuther kürzlich bemerkte —
in europäischen Unternehmerkreisen
weit verbreitete Mentalität für den
Arbeitnehmer mit Arbeitslosigkeit
oder zumindest geringem Realein¬
kommen verbunden.
Die praktische Erprobung der Hoch¬
schutzzollpolitik durch die bürger¬
lichen Regierungen in der Zwischen¬
kriegszeit ist mit all ihren Folgen
den Arbeitnehmern noch gut in Er¬
innerung. Auf Grund dieser Erfahrun¬
gen gibt es offenbar auch in Unter¬
nehmerkreisen Bedenken gegen die
Wiederholung dieses Kurses. So
schreibt der „österreichische Volks¬
wirt" in seinem Leitartikel vom
3. Juli 1953:
Rentenbeantragung bei ehemaligen
reichsdeutsrhen Versicherungs¬
anstalten
Die Angestelltenversicherungsanslali er¬
kannte im Jahre 1951 den Waisen T. und
M. D. nach einem am 30 Juni 1944 ver¬
storbenen Versicherten ab 1. Dezember
1950 Hinterbliebenenrenten zu. Die
Kindesmutter berief gegen den Bescheid
der Angestelltenversicherungsanstalt und
führte aus, daß sie bereits im Dezember
1944 * bei der damaligen Reichsversiche¬
rungsanstalt für Angestellte einen Renten¬
antrag eingebracht habe und daher die
Waisenrenten ab diesem Zeitpunkt zu ge¬
währen sind. Das Schiedsgericht der So¬
zialversicherung für die Stadt Wien gab
der Berufung keine Folge. Es begründete
die Ablehnung damit, daß der Renten-
anlrag seinerzeit bei einem Versicherungs-
träger des Deutschen Reiches gestellt
worden sei, dessen Rechtsnachfolgerin die
Angestelltenversicherungsanstalt nicht ist.
Das Bundesministerium für soziale Ver¬
waltung beantragte beim Verwaltungs¬
gerichtshof die Überprüfung dieses Er¬
kenntnisses. Daraufhin hat der Ver¬
waltungsgerichtshof am 15. April 1953
unter Zahl P 107 52 das Schiedsgericht -
erkenntnis aufgehoben und seine Ent
Scheidung wie folgt begründet:
Die Kindesmutter hat 1944 ihren Renten¬
antrag bei der nach den damaligen ge¬
setzlichen Bestimmungen zuständigen
Stelle ordnungsgemäß eingebracht. Daß
die ordnungsgemäße Bearbeitung des
Falles bei der Reichsversicherungsanstalt
für Angestellte durch die Kriegs- und
,.Verstärkung des Zollschutzes be¬
deutet Erhöhung und Erstarrung des
Preisniveaus, das die Fähigkeit verliert,
sich den Schwankungen des Welt¬
marktes anzupassen. Gleichzeitig wäre
damit die Entstehung neuer Preisver-
zerrungen verbunden, die im Wider¬
spruch zu der bisher verfolgten Poli¬
tik stünden, die auf die Wiederherstel¬
lung eines dem Marktmechanismus ent¬
sprechenden organischen Preisgefüges
hinauslief, überhöhte Zölle sind eine
gefährliche Belastung für den Verbrau¬
cher, den sie wie eine indirekte Steuer
treffen, aber auch ein Hemmnis für die
Entwicklung der Exportindustrie.''
Die Anhänger der Hochschutzzoll¬
politik sind sich der Schwäche ihrer
Argumentation bewußt und trachten
daher eine sachliche Diskussion zu
vermeiden.
Das Handelsministerium verzögert
Als vor mehr als einem Jahr das
Handelsministerium die Kammern zu
Besprechungen über den neuen Tarif
einlud, blieben die Vertreter der
Landwirtschaft dieser ersten (und bis¬
her auch letzten) Sitzung fern, Die
Arbeiterkammer hat schon damals
dem Handelsministerium in einem
ausführlichen Memorandum ihre Stel¬
lungnahme zum Zollproblem über¬
mittelt und um die Abhaltung einer
Enquete ersucht, in der die Grund¬
sätze der künftigen Zollpolitik fest¬
gelegt werden sollten. Ein Jahr lang
blieb das Memorandum der Arbeiter¬
kammer unbeantwortet. Vor wenigen
Wochen hat nun das Handelsmini¬
sterium mitgeteilt,
,,daß die Erörterung der in diesem
Zusammenhang zu beobachtenden grund¬
sätzlichen, die gesamtwirtschaftliche
Lage berücksichtigenden Richtlinien aus
Zweckmäßigkeitsgründen erst nach
Feststellung des Gesamtentwurfes (des
neuen Zolltarifes) in Aussicht genom¬
men ist."
Es kann nicht angenommen wer¬
den, daß das Handelsministerium
allen Ernstes der Auffassung ist, die
Ausarbeitung der verschiedenen Teil¬
gebiete des Zolltarifes könne auch
ohne klare Gesamtlinie der Zoll¬
politik in sachlich befriedigender
Weise erfolgen.
Die Vertagung der Diskussion „aus
Zweckmäßigkeitsgründen" hat viel¬
mehr andere Hintergründe. Die Ar¬
beitnehmervertreter sollen im Herbst
vor die Alternative gestellt werden,
entweder einem für sie untragbaren
Entwurf zuzustimmen oder die Ver-
antw'ortung für das Nichtzustande¬
kommen des neuen Tarifes zu tragen.
Bei Beibehaltung dieser Taktik wird
man sich voraussichtlich für die
zweite Alternative entscheiden.
Nüchkriegsereignisse nicht mehr möglich
war, darf der Rentenwerberin nicht zum
Schaden gereichen. Ihre Ansprüche sind
vielmehr bei Erfüllung der sonstigen Vor¬
aussetzungen von der Angestelltenver-
sicherungsanstalt anzuerkennen und be¬
reits ab dem der Antragstellung folgen¬
den Monatsersten in die österreichische
Versicherungslast zu übernehmen.
Hinterbliebenenrentenanlräge
nach einem verstorbenen Rentner
Mit Bescheid vom 20. Jänner 1941 war
der Anspruch des A. L. auf Alters¬
invalidenrente ab 1. Jänner 1941 aner¬
kannt worden. L. bezog bis zu seinem 1950
erfolgten Tod die Rente. Die Witwe
T. L. beantragte 1951 die Gewährung einer
Hinterbliebenenrente. Die Land- und
Forstwirtschaftliche Sozialversicherungs¬
anstalt lehnte den Antrag mit der Be¬
gründung ab, daß eine nunmehr vorge¬
nommene neuerliche Überprüfung er¬
geben habe, daß die Wartezeit des Ver¬
sicherten nicht erfüllt sei
Dagegen richtete sich die erfolgreiche
Berulung der Witwe beim Schiedsgericht
der Sozialversicherung für Oberöster¬
reich (Erkenntnis vom 21. Mai 1952,
ZI. IC 300/52), das zur Begründung unter
.derem ausführte: Bei der Prüfung der
nrtezeit hat sich lediglich die Rechts¬
ansicht des Versicherungsträgers ge¬
ändert. Auch das 1. Sozialversicherungs-
Neuregelungsgesetz läßt die schon er¬
worbenen Rechte der Witwe als zu deren
Nachteil nicht mehr abänderbar in
Geltung. Stand der Verstorbene schon
im Bezug einer Rente, so liegt über die
Erfüllung der Wartezeit durch den Ver¬
sicherten schon ein rechtskräftiger Be¬
scheid vor, dev seine Rechtswirksamkeit
bezüglich dieser Frage nicht verlieren
kann, sondern auf die Hinterbliebenen
— deren abgeleitetem Recht entsprechend
— weitergeleitet wird und für und gegen
diese wirkt.
Somit war der Berufungswerberin zu¬
zustimmen, der Rentenbescheid der Land-
und Forstwirtschaftlichen Sozialversiche¬
rungsanstalt aufzuheben und der Witwe
die Rente zuzuerkennen.
Kostenriickersatz bei einem selbst-
gewählten notwendigen
Heilverfahren
J. B. stellte bei der Land- und Forst¬
wirtschaftlichen Sozialversicherungs¬
anstalt den Antrag, ihm die aus Anlaß
eines Unfalles erwachsenen Arzt- und
Medikamentenkosten zu ersetzen. Der
Versicherungsträger gewährte dem An¬
spruchswerber jedoch nur eine freiwillige
Beihilfe von S 192,—, obwohl der Ver¬
letzte S 442,50 ausgegeben hat. Der da¬
gegen erhobenen Berufung gab das
Schiedsgericht der Sozialversicherung für
Niederösterreich keine Folge und führte
zur Begründuna aus, daß gemäß § 559 e
der Reichsversicherungsordnung ein An¬
spruch auf Gewährung notwendiger
Krankenbehandlung erst nach Ablauf
von 13 Wochen nach dem Unfall bestehe,
während die in den ersten 13 Wochen
nach dem Unfall entstandenen Kosten
nur durch Gewährüng einer freiwilligen
Beihilfe, auf die kein Rechtsanspruch
besteht, abgegolten werden können.
Das Bundesministerium für soziale Ver¬
waltung beantragte beim Verwaltungs¬
gerichtshof die Überprüfung des Schieds¬
gerichtserkenntnisses. Der Verwaltungs¬
gerichtshof sprach dem Berufungswerber
mit Erkenntnis vom 24. September 1952,
ZI. P 37/51, den Anspruch auf vollen
Kostenersatz zu und führte begründend
an: Das Schiedsgericht hat bei seiner
Entscheidung den zweiten Satz des Abs. 4
des § 559 e der Reichsversicheiungsord-
nung außer acht gelassen, der bestimmt,
daß die auf Grund des Unfalles er¬
wachsenen Behandlungskosten, soweit das
angemessen ist, ganz erstattet werden,
wenn der Verletzte sich selbst rechtzeitig
eine Behandlung verschafft hat, die eine
möglichst schnelle und vollständige *
Wiederherstellung der Erwerbstähigkeit
herbeizuführen geeignet ist. Treffen sö®*
nach diese gesetzlichen Voraussetzungen
zu, sind die Kosten in voller Höhe zu
erstatten. Da das Schiedsgericht die Er¬
füllung der Voraussetzungen im Falle
des J. B. nicht überprüft hat, stellt dies
einen Verfahrensmangel dar. Daher
wurde das Schiedsgerichtserkenntnis
wegen Gesetzwidrigkeit aufgehoben.
„Stahlhelm-Ehen1' sind gültig!
P. H. fiel am 14. April 1942 an der
• Front. Er hinterließ als Braut T. H., die,
von ihm geschwängert, am 20. Juli 1941
ein Kind geboren hatte. Erst 1943 wurde
vom Standesbeamten in G. die Ehe mit
13. April 1942 in die Personenstandsregister
eingetragen. Frau T. H. beantragte bei
der Land- und Forstwirtschaftlichen So¬
zialversicherungsanstalt die Gewährung
einer Witwenrente. Die genannte Anstalt
lehnte das Begehren mit der Begaindung
ab, daß die Ehe der Rentenwerberin
nicht als eine mit allen materiell-recht¬
lichen Auswirkungen ausgestattete Ehe
angesehen werden könne, da eine solche
Ehe zur Voraussetzung hat, daß sie zwi¬
schen zwei lebenden Personen ge¬
schlossen wird. Diese Voraussetzung wäre
aber im vorliegenden Fall nicht erfüllt,
da die Rentenwerberin lediglich auf
Grund des Erlasses des ehemaligen
Reichsinnenministers a >m 15. Juni 1943
mit dem verstorbenen P. H. eist nach
dessen Tod die Ehe — eine sogenannte
Stahlhelm-Ehe — geschlossen habe.
Dagegen richtete sich die erfolgreiche
Berufung beim Schiedsgericht der Sozial¬
versicherung für die Stadt Wien (Er¬
kenntnis vom 18. Juli 1952, ZI. 1 C 29 51),
das zur Begründung bemerkte: Bei Unter¬
suchung der Frage, ob eine Stahl¬
helm-Ehe als Grundlage für die Er¬
hebung eines Rechtsanspruches dienen
kann, ist davon auszugehen, daß
weder eine Versicherungsanstalt noch ein
Schiedsgericht berechtigt ist, die Gültig¬
keit von Ehen, deren Abschluß durch
den Standesbeamten beurkundet ist, zu
überprüfen. Eine derartige Überprüfung
steht lediglich den ordentlichen Ge¬
richten im Zuge eines Ehenichtigkeits-
vertahrens zu. überdies sind alle vor dem
1. November 1945 geschlossenen Stahl¬
helm-Ehen auch in der Republik Öster¬
reich als gültige Ehen zu betrachten.
Daher wurde der angefochtene Bescheid
aufgehoben und der Witwe T. H. rechts¬
mäßig die Rente zuerkannt E. Sch.
DEIN RECHT
Seite 2 Nr. 197 SOLIDARITÄT