Am 5. August rief der sozialistische
Gewerkschahsbund „Force ouvriere“
zum Generalstreik auf. Die übrigen
Geweikschaftsv@*bhnde schlossen sich
in den folgenden Tagen diesem Streik
an, der sodann nach dreiwöchiger
Dauer die Regierung zu einigen Zu¬
geständnissen veranlaßte. Die Regie¬
rung versprach, für Preissenkun¬
gen einzutreten und den schlechtest-
bezahlten Arbeitern und Angestell¬
ten des Staates und der verstaatlich¬
ten Betriebe Lohnerhöhungen
zuzugestehen. Auch die Privatwirt¬
schaft erklärte sich zu bescheidenen
Lohnnachziehungen bereit.
Die* Gewerkschaften planen jedoch
weitere Streikaktionen im Monat
Oktober, falls es nicht zu einer wirk¬
lich fühlbaren Verbesserung der
Lebenshaltung aller Arbeiter und An¬
gestellten kommt. Vorläufig wird also
abgewartet.
Der Kampf der französischen Arbei¬
terschaft um ein besseres Leben fand
in der gesamten freien Welt lebhafte
Sympathie. Der Internationale Bund
freier Gewerkschaften (IBFG) ver¬
öffentlichte eine Erklärung, in der es
über die Streikbewegung heißt: „Diese
Streiks sind nicht politischer Natur,
sondern wurden den Arbeitern durch
die herausfordernden Maßnahmen der
Regierung aufgezwungen. Diese Ma߬
nahmen richteten sich einseitig ge¬
gen die öffentlich Bediensteten, deren
Lebensbedingungen ohnehin viel zu
wünschen übrig ließen. Die französi¬
sche Regierung hätte von anderen
Teilen der Bevölkerung Opfer verlan¬
gen sollen. Durch Herabsetzung der
Preise hätte sie die Lebensbedin¬
gungen der arbeitenden Menschen er¬
träglicher gestalten können!"
Es wird Zeit, daß Frankreich — und
übrigens auch Italien — zur Ruhe
kommen, indem man für die Arbeiter¬
schaft in diesen beiden Ländern end¬
lich die sozialen Erfordernisse aner¬
kennt.
Wie er’s auch dreht und wende?...
es wird weder CDU noch SPD daraus!
Karikatur aus einer deutschen Ge¬
werkschaftszeitung.
gefunden und die Christlich Demokra¬
tische Union (CDU) des Bundeskanz¬
lers Adenauer hat sie gewonnen.
Dieser Wahlsieg bot dem Vorstand des
Sozialausschusses der CDU Veran¬
lassung, dem Deutschen , Gewerk-
schaflsbund vorzuwerfen, er hätte im
Wahlkampf die Neutralität verletzt.
Gleichzeitig wurden dem DGB acht
Forderungen überreicht. Es wird ver¬
langt, daß der DGB eine Änderung sei¬
ner Haltung zu Staat, Gesellschaft
und Wirtschaft vornimmt, ferner wird
eine verstärkte Vertretung der christ¬
lichen Arbeiterschaft in sämtlichen
Leitungen der Organisation gefordert
und schließlich ein größerer Einfluß
auf die Gewerkschaftspresse und ge¬
werkschaftliche Bildungsarbeit. Soll¬
ten diese Forderungen nicht erfüllt
.werden, so sei die Gründung eigener
/ Gewerkschaften geplant. Die Verhand¬
lungen hierüber sind noch nicht ab¬
geschlossen.
Die „Neutralitätsverletzung", die
man dem DGB vorwirft, bestand aus
folgenden Worten des Wahlaufrufes:
„Wer den Frieden und Fortschritt,
Freiheit und Einheit will, wer nicht
will, daß wieder Gewaltherrschaft und
Krieg, Terror und Bombennächte über
uns kommen, der muß durch Abgabe
seiner Stimme zur Wahl eines
besseren Bundestages die
Kräfte ausschließen helfen, die das
deutsche Volk ein zweites Mal ins
Unglück stürzen wollen." Am
20. August wurde dieser Wahlaufruf
von 600 gewählten Delegierten aller
Parteirichtungen auf einer Tagung in
Essen beschlossen. Der stellvertre¬
tende Vorsitzende des DGB, Mathias
Bildernachweis: Keystone, Associated Press.
Da der französische Streik die öffentlichen Transportmittel lahmgelegt hat,
mußten die Streikenden, welche einer Massenversammlung bei der Zentrale
der französischen Gewerkschaften in Paris am 22. August beiwohnten, zu Fuß
gehen oder Fahrräder und Motorräder benützen.
und die beste Methode ihrer, Über¬
führung in das öffentliche Eigentum
untersucht werden.
Die britische Gewerkschaftsbewe¬
gung will, wie ein Sprecher des Gene-
ralrates erklärte, auf dem Weg des
Sozialismus mittels- Erweiterung und
Ausdehnung des öffentlichen Eigen¬
tums vorwärtsschreiten. Es bestünden
jedoch Zweifel an den Methoden,
wie diese Ausdehnung am besten
durchzuführen sei.
Auch über die Teilnahme der Ar¬
beiter an der Verwaltung der ver¬
staatlichten Industrie wurde auf die¬
sem Kongreß diskutiert. Ein Teil der
Delegierten forderte, daß die Hälfte
der Sitze im Vorstand jeder verstaat-
durch sachliche Beratungen den für
die Arbeiterschaft günstigsten Weg zu
finden.
Frankreich:
Generalstreik aus Verzweiflung
Im August wurde Frankreich von
einer gewaltigen Streikwelle er¬
schüttert. Drei Wochen hindurch
standen die Bediensteten der Post, der
Eisenbahnen, der öffentlichen Ämter,
der städtischen Verkehrsbetriebe so¬
wie der Gas- und Elektrizitätswerke
im Generalstreik, ebenso streik¬
ten die Bergarbeiter und ein Teil der
Metallarbeiter. Seit 17 Jahren hat
Frankreich keine so umfassende
Streikbewegung mehr erlebt.
Deutschland: Gefahr einer
Absplitterung
In Westdeutschland gibt es, so wie
bei uns in Österreich, einen einheit¬
lichen, überparteilichen Gewerk¬
schaftsbund. Während aber in Öster¬
reich kein Gewerkschafter ernstlich
an eine Absplitterung denkt, war der
DGB in den letzten Wochen.von einer
solchen bedroht.
Noch ist eine endgültige Entschei¬
dung nicht getroffen, doch ist zu
hoffen, daß es zu keiner Absplitterung
kommen wird, die ja letzten Endes
keinem deutschen Arbeiter, hingegen
vielen deutschen Unternehmern Vor¬
teile bringen würde. Wie ist es aber
dazu überhaupt gekommen?
Am 6. September haben in West¬
deutschland Parlamentswahlen statt-
F ö c h e r, der selbst der CDU ange¬
hört, hat sich damals für diesen Wahl¬
aufruf ausgesprochen.
Wir können nur hoffen, daß sich die
Wogen wieder glätten werden und
alle deutschen Gewerkschafter, mögen
sie nun der SPD oder der CDU ange¬
hören, erkennen, daß es jetzt erst recht
auf Einigkeit und Geschlossenheit an¬
kommt!
England: Zurückhaltung
bei Verstaatlichungsplänen
Der britische Gewerkschaftsbund
TUC (Trades Union Congress) hielt
heuer seinen Jahreskongreß in der
Woche vom 7. bis 11. September, ab.
Zur Frage einer weiteren Verstaat¬
lichung unter der nächsten Ar¬
beiterregierung — deren Zustande¬
kommen nach den nächsten Wahlen
von niemandem angezweifelt wird —,
nahm der Generalrat des TUC in
einem Bericht eine vorsichtige Hal¬
tung ein.
Die Grundindustrien sind bekannt¬
lich bereits von der Arbeiterregierung
in den Jahren von 1945 bis 1950 ver¬
staatlicht worden. Inzwischen haben
die Konservativen die Stahlindustrie
und den Lastautoverkehr in den Privat¬
besitz zurückgeführt. Diese beiden
Wirtschaftszweige werden von der
nächsten Arbeiterregierung unter
allen Umständen wieder verstaatlicht
werden.
Der britische Gewerkschaftsbund ist
jedoch dagegen, daß weitere Sektoren
der Fertigwarenindustrie sodann über¬
stürzt verstaatlicht werden. Vorerst
sollten in jedem einzelnen Falle die
Probleme der betreffenden Industrie
Kommt es zu dem Verhängnis einer gewerkschaftlichen Absplitterung oder
nicht? Das ist die Frage, die gegenwärtig viele deutsche Arbeiter beschäftigt.
Im Bilde: Zwei Stahlarbeiter im Werk Ftuckingen an der Ruhr.
lichten Industrie- von den betreffenden
Gewerkschaften besetzt werden sollen,
ein anderer Teil der Delegierten war
dagegen, weil dies die Freiheit der
Arbeiter bei Lohnkämpfen beschrän¬
ken würde. Man wird sich mit dieser
Frage noch eingehend zu beschäftigen
haben. Jedenfalls zeigt der gesamte
Verlauf des heurigen Jahreskongresses
des britischen Gewerkschaftsbundes,
daß man auch in England bemüht ist,
Es war ein Generalstreik der Ver¬
zweiflung. Die Regierung des Mini¬
sterpräsidenten L a n i e 1 wollte der
arbeitenden Bevölkerung zu große
Lasten aufbürden. Insbesondere soll¬
ten die öffentlich Bediensteten her¬
halten, um das ungeheure Defizit des
Staates zu verringern. So wurden also
das Pensionsalter hinaufgesetzt und
die Dienstpostenpläne gekürzt. Die
niedrigen Löhne und die hohen Preise
aber sollten bestehen bleiben.
Stile 4 Nr. 201 SOLIDARITÄT