Was wir vom Pariameni fordern
Immer, wenn der Nationalrat eine Gesetzgebungsperiode abschließt, ziehen
wir Bilanz, was lür die Arbeitnehmerschaft geleistet wurde. Immer, wenn
der Nationalrat zu einer neuen Gesetzgebungsperiode Zusammentritt, wie
am 28. Oktober, erinnern wir an jene Forderungen und Wünsche der Gewerk¬
schaftsbewegung, die noch nicht erfüllt wurden.
Die Forderungen, die wir heuer
dem Nationalrat übermitteln, weichen
leider kaum von denen des Vorjahres
ab. Eine Reihe unserer wichtigsten
Forderungen feiern an dieser Stelle
bereits ein mehrjähriges Jubiläum.
Wenn man von dem im Jahre 1951 ver¬
abschiedeten Nfindestlohntarif-
und Wohnungsbeihilfenge¬
setz und vom vor einigen Monaten
beschlossenen Jugendeinstel¬
lungsgesetz absieht, hat sich das
Parlament auf sozialpolitischem Ge¬
biet seit Jahren auf Abänderungen
und Verbesserungen bestehender Ge¬
setze beschränkt.
Einige Gesetzesforderungen liegen
schon seit fünf Jahren als Regierungs¬
vorlagen im Nationalrat ohne daß
es auch nur über die Vorberatungen
binausgekommen wäre. Es handelt
sich hiebei um die Gesetze zur
Organisation des Arbeits-
marktes, die seinerzeit gemein¬
sam mit der Regierungsvorlage des
im Jahre 1948 verabschiedeten Ar¬
beitslosenversicherungsgesetzes im
Parlament eingebracht wurden, näm¬
lich um das Arbeitsvermitt¬
lungsgesetz und das Gesetz
über die Organisation der Arbeits¬
ämter.
Es sei nochmals mit aller Deutlich¬
keit festgestellt, daß der Gewerk¬
schaf tsbund weiterhin die Verabschie¬
dung dieser Gesetze verlangen wird.
Mit ebensolcher Deutlichkeit sei aber
nochmals darauf verwiesen, daß
weder der Gewerkschaftsbund noch
die Regierungsvorlage — wie die
Unternehmer immer wieder behaup¬
ten — über das Arbeitsvermittlungs¬
gesetz eine totalitäre Zwangsvermitt¬
lung anstreben.
Mit solchen demagogischen Be¬
hauptungen werden die Unter¬
nehmer nicht davon ablenken kön¬
nen, daß Maßnahmen zur Erlassung
der Arbeitsplätze und zur bevor¬
zugten Stellung der Arbeitsämter
in der Vermittlung von Arbeits-
kraiten getroffen werden müssen —
besonders in einer Zeit, in der die
Arbeitslosenstatistiken alles andere
als erfreuliche Zukunitsblicke er¬
öffnen.
Allerdings wird hiezu nicht nur
die Verabschiedung des Arbeitsver¬
mittlungsgesetzes, sondern auch jenes
Gesetzes unerläßlich sein, das die
Organisation der Arbeitsämter auf
eine Stufe stellt, die, ähnlich wie in
der Sozialversicherung, durch die
Selbstverwaltung der Arbeitgeber ucd
Arbeitnehmer zur Mittlerrolle zwi¬
schen beiden führen kann.
Regelung der Arbeitszeit
Ebenfalls seit Jahren liegt im Parla¬
ment der Entwurf eines Arbeits-
Zeitgesetzes. Es ist untragbar
für die österreichische Sozialpolitik,
daß mehr als acht Jahre nach der
Wiederherstellung unserer österrei¬
chischen Republik gerade auf diesem
Gebiete unseres Sozialrechtes noch
immer ein NS-Gesetz die alleinige
Grundlage bilden muß.
Obwohl über dieses Gesetz bereits
zahlreiche Unterausschußsitzungen des
Nationalrates stattfanden, kam es
bisher noch zu keiner Erledigung, da
Selbstverständlichkeiten von Unter-
nehmerabgeordneten als „überspitzte
Sozialpolitik" abgelehnt wurden.
Wir erwarten, daß in der neuen
Session des Parlaments endlich
dieser Schandfleck durch die Ver¬
abschiedung eines österreichischen
Aibeiiszeitgesetzes beseitigt wird.
Ein neuer Unterausschuß wurde
bereits gebildet, der in nächster Zeit
seine Beratungen aufnehmen wird.
Welch harte Kämpfe aber den Ver¬
tretern der Gewerkschaften in diesen
Beratungen bevorstehen, spiegelt sich
bereits jetzt in der Pressekampagne
der Unternehmerzeitungen wider, die
in letzter Zeit neuerlich besonders
scharf gegen im Entwurf vorgesehene
Regelungen Stellung nehmen.
Heimarbeiter oder Paria?
Ebenfalls als Regierungsvorlage —
wiederum bereits vor mehreren Jah¬
ren eingebracht — liegt in den
Schreibtischladen der Entwurf eines
Heimarbeitsgesetzes. Auch
für diese Berufsgruppe gelten derzeit
ausschließlich die Bestimmungen
eines NS-Gesetzes, das mehr als un¬
zulänglich ist.
Wer ein wenig Einblick in das
Leben der Heimarbeiter hat, wird
wissen, daß für diese nahezu noch
die Verhältnisse des Mittelalters
gelten. Unbegrenzte Arbeitszeit bei
niedrigsten Löhnen, unkontrollier¬
bare Arbeitsbedingungen sind das
Los der zur Heimarbeit Verurteil¬
ten.
Der vorliegende Gesetzentwurf ver¬
sucht, selbstverständlich gewordene
Sozialeinrichtungen auch den Heim¬
arbeitern zu vermittein. Leider wur¬
den auch über dieses Gesetz bisher
nicht einmal noch Beratungen abge¬
halten.
Neben den erwähnten Regierungs¬
vorlagen liegt im Parlament seit un¬
gefähr einem Jahre ein Initiativ¬
antrag auf Verabschiedung eines
österreichischen Mutierschutz¬
gesetzes, da auch dieses Rechts¬
gebiet noch durch NS-Recht geregelt
wird. Besonders paradox wird dieser
Zustand durch die Tatsache, daß man
im Ursprungsland dieses Gesetzes, in
Westdeutschland, schon längst das
Der österreichische Gewerkschafts¬
bund führt vom 15. November 1953
bis Ende Februar nächsten Jahres eine
Werbeaktion durch. Diese Werbe¬
aktion ist mit einem Wettbewerb ver¬
bunden, in dem, wie im Vorjahr, für
die besten Werber Preise ausgesetzt
werden.
Bei den ersten Preisen des Wett¬
bewerbes entscheidet nicht der blinde
Zufall, also die Verlosung, sondern
die eigene- Tüchtigkeit und Uber-
zeugungskrait. Bei den anderen Prei¬
sen kann jeder gewinnen, da 500
Preise verlost werden. Auch die Wer¬
bung. eines einzigen Mitgliedes zä^lt
schon mit.
Wer die meisten Mitglieder wirbt,
erhält als 1. Preis einen vierzehn¬
tägigen Urlaubsaufenthalt für zwei
Personen im Gewerkschaftsheim der
Metall- und Bergarbeiter in Feichten¬
bach oder auf Wunsch einen Wert¬
ausgleich in bar.
Wer an die zweite Stelle gelangt,
erhält als 2. Preis einen achttägigen
Urlaubsaufenthalt für zwei Personen
im Gewerkschaftsheim der Angestell¬
ten in der Privatwirtschait auf dem
Semmering oder entsprechend Wert¬
ausgleich in bar.
Wer in der Werbung an die dritte
Stelle kommt, erhält als 3. Preis
einen achtägigen Urlaubsauienthalt
für zwei Personen im Gewerkschafts¬
heim der Metall- und Bergarbeiter in
Feichtenbach oder einen Wertausgleich
in bar.
Die drei Preise umfassen den vollen
Pensionspreis sowie die Hin- und
Rückfahrt.
NS-Gesetz durch ein neues, demokra¬
tisches Gesetz abgelöst hat.
Das beantragte österreichische Ge¬
setz enthält zwar einige notwendige
Neuregelungen — vor allem die Ein¬
beziehung der Hausgehilfen und eine
Neufassung der Kündigungsbestim¬
mungen —, geht aber im sonstigen
Inhalt nicht wesentlich über das be¬
stehende Recht hinaus.
Auch hier ist die bisherige Untätig¬
keit nicht mit überspitzter Sozial¬
politik zu begründen.
Weg mit dem § 2 des Antiierror-
gesetzes!
Mit der Erwähnung der bisher ge¬
nannten Gesetze wird im übrigen
eine Frage berührt, die in letzter Zeit
durch den Beschluß des Alliierten
Rates besonders aktuell geworden ist,
daß Österreich raschest die noch
geltenden reichsdeutschen Gesetze
durch österreichisches Recht zu er¬
setzen habe und nach dem 15. No¬
vember 1953 keiner Novellierung
oder _ Verlängerung ablaufender
reichsdeutscher Gesetze mehr zuge¬
stimmt werde.
So begrüßenswert dieser Beschluß
an sich ist, ergeben sich doch Pro¬
bleme, die nicht leicht überwunden
werden können. Ein besonderer
Zweig unserer Sozialpolitik, die So¬
zialversicherung, wurde nach 1938
nach reichsrechtlichen Grundsätzen
gestaltet und nach 1945 wurde ver¬
sucht, diese zu für Österreich trag¬
bare Formen überzuleiten.
Es besteht somit derzeit ein Ge¬
misch aus alten österreichischen,
reichsrechtlichen und neuen öster¬
reichischen Vorschriften, so daß
die Neugestaltung im Rahmen eines
zusammenfassenden allgemeinen So¬
zial versicherungsgesetzes unerlä߬
lich wurde.
Das Sozialministerium hat die not¬
wendigen Vorarbeiten bereits vor
einiger Zeit eingeleitet und die Neu¬
gestaltung ist in vollem Gange. Es
wird sich im Zuge derselben wohl
kaum vermeiden lassen, auf reichs-
Die 500 nächsten besten Werber
erhalten wertvolle Buchpreise. Jedes
Buch enthält eine Widmung des Prä¬
sidenten und des Generalsekretärs
des Gewerkschaftsblindes.
Unter sämtlichen anderen Werbern
gelangen weitere 500 wertvolle Bü¬
cher zur Verlosung. Auch diese
Bücher enthalten die gleiche Wid¬
mung.
Gewertet wird jede Werbung, die
in der Zeit zwischen dem 15. Novem¬
ber 1953 und dem 28. Februar 1954
erfolgt. Das Ergebnis des Wettbewer¬
bes wird in der Nummer 214 der
„Solidarität" vom 20. April 1954 ver¬
öffentlicht. Die Urlaubsaufenthatte
der Gewinner sind für den Sommer
1954 vorgesehen.
Und nun bitten wir alle Gewerk-
schaitsmilglieder, sich in den Dienst
der Werbung zu stellen. Ihr dient
damit auch Euren Interessen, denn
je stärker der Gewerkscliattsbund ist,
desto mehr Einfluß kann er erreichen.
Beitrittserklärungen können von den
Gewerkschaftssekretariaten, den Be¬
zirkssekretariaten oder den Betriebs¬
räten verlangt werden. Wenn Beitritts-
formulare fehlen, sind sie von der
zuständigen Gewerkschaft oder der
Zentrale des Gewerkschaftsbundes,
Wien I, Hohenstaufengasse 12, an¬
zufordern. Mit Abgabe der Beitritts¬
erklärung muß eine Meldung aus-
gefüllt werden, auf der sowohl der
Werber wie der Geworbene ver¬
merkt sind. Nur die Meldung ermög¬
licht die Teilnahme am Wettbewerb.
deutsches Recht zu verweisen oder
reichsdeutsche Bestimmungen abzu-
ändem, so daß die Durchführung die¬
ser Arbeiten durch den Beschluß des
Alliierten Rates auf Schwierigkeiten
stoßen wird.
Die Forderungsliste des Gewerk¬
schaftsbundes ist aber damit noch
nicht abgeschlossen.
Keinesfalls wird die Forderung auf
Abänderung des Antiterror¬
gesetzes von der Tagesordnung
verschwinden. Es handelt sich hie¬
bei, wie Alfred Weber in seinem
Referat im Rahmen der Internatio¬
nalen Gespräche des 3. Gev/erk-
schaitstreffens richtig ausgeführt
hat, um ein selbstverständliches
Notwehrrecht der Gewerkschaits-
bewegung.
Mit der Abänderung soll jene Be¬
stimmung aufgehoben werden, die es
den Unternehmern untersagt, Ge¬
werkschaftsbeiträge im Einvernehmen
mit der Belegschaft vom Lohne abzu¬
ziehen.
Zu den Forderungen des Gewerk¬
schaftsbundes der letzten Zeit ge¬
hört die Schaffung eines Gesetzes
über die Schlechtwetterrege¬
lung. Auch hier handelt es sich
um die Ersetzung von derzeit
geltenden reichsdeutschen Bestim¬
mungen, die nicht mehr ausreichen
können. Das neuzuschaffende Gesetz
verfolgt die Absicht, den im Bau- und
Baunebengewerbe beschäftigten Ar¬
beitnehmern, die infolge Schlecht¬
wetters kurzfristig die Arbeit ein¬
stellen müssen, eine Entschädigung
%für ihren ausfallenden Arbeitsver¬
dienst zu vermitteln. Der Entwurf
dieses Gesetzes wird derzeit im
Soziahninisterium beraten und viel¬
leicht schon in nächster Zeit als Re¬
gierungsvorlage dem Nationalrat
übermittelt werden.
Zu den genannten Gesetzen kom¬
men noch die Forderungen nach
Schaffung eines Berufsausbil-
dungsgesetzes und eines
Ladenschlußgesetzes so¬
wie nach Neufassung des“ B
reiarbeitergesetzes, des
Hausgehilfengesetzes, der
Hausbesorgerordnung und
des Gutsangestellten¬
gesetzes.
Nicht unerwähnt soll auch die
Forderung zum Urlaubsrecht bleiben,
wonach eindeutig klarzustellen \\4ire,
daß der Urlaub durch Krankheit
unterbrochen wird. Dies wurde not¬
wendig, um den durch Entscheidun¬
gen des Obersten Gerichtshofes
herbeigeführten gegenteiligen Zustand
zu beseitigen.
Die hier erwähnten - Forderungen
sind noch kein Programm des Ge¬
werkschaftsbundes. Die Aufzählung
beschränkt sich lediglich auf jene'
Gesetze, die billigerweise vom Natio¬
nalrat bereits in nächster Zeit erwar¬
tet werden. Der Gewerkschaftsbund
ist sich aber bewußt, daß auch mit
Erreichung dieser Nahziele die Sozial¬
politik in Österreich noch lange nicht
abgeschlossen sein kann. Der Aus¬
gleich der Gegensätze in unserer heu¬
tigen Gesellschaft und die Verbesse¬
rung der Lebens- und Arbeitsbedin¬
gungen unserer Arbeiterschaft ver¬
langen von uns allen noch harte
Arbeit.
ARBEITERBANK
AKTIENGESELLSCHAFT WIEN
Prompte und gediegene Durch :ühr€ng ollei
Dönkmäßigen Geschäfte. ^ — Entgegennahme
von Spareinlagen. — Finanzielle de^atung
WIEN I
SEITZERGASSE 2-4
TELEPHON, R 50-5-40 SERIE
ZWEIGSTELLE WIENZE1LE,
WIEN, IV., RECHTE WIENZEILE 37
. TELEPHON: B 24-0-91
* EILIALEN,
GRAZ. ANNENSTRASSE 24,
KLAGENFURT, BAHNHOFSTR. 44,
LINZ, WEINGARTSHOFSTRASSE 3
Wettbewerb zur Mitgliederwerbung
Auch Dein Nachbar gehört zu uns!
Seite 2 Nr. 203 SOLIDARITÄT