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versuche, Steine aus dem stabilen
Lohn- und Preisgefüge herauszu¬
reißen. Damit könnte eine Lawine
ausgelöst werden, die die bisheri¬
gen Anstrengungen zur Stabilisie¬
rung unserer Wirtschaft fruchtlos
machen und eine Arbeitslosigkeit
größten Ausmaßes zur folge haben
könnte.
Die Stabilität der Wirtschaft liegt
den Gewerkschaften nicht weniger
am Herzen als den Unternehmern.
Aber mit dem Hinweis auf die Ge¬
fährdung der Stabilität kann man
nicht einfach alle Forderungen ab-
weisen. Es ist den Unternehmern so
gut wie uns bekannt, daß die gene¬
rellen Lohnerhöhungen durch die
Preis- und Lohnabkommen keines¬
falls zu einer Lohngerechtigkeit
führten. Noch besser als uns ist
ihnen bekannt, daß die produk-
tivitotssteigernden Maßnahmen in
vielen Betrieben zu einer Mehrlei¬
stung der Arbeiter führten. Ist es
Begehrlichkeit, wenn die Arbeiter
und Angestellten in verschiedenen
Berufsgruppen Lohn- und Gehalts¬
korrekturen entsprechend der Wer¬
tung ihrer Arbeit und einen Anteil
an der Produktionssteigerung als
Entschädigung für ihre Mehrleistung
verlangen? Führt der umgekehrte
Weg, ein wachsendes Produktions¬
volumen bei gleichen Preisen und
Löhnen, nicht eben zum Ansteigen
der Arbeitslosigkeit und jener Ge¬
fährdung der Stabilität der Wirt¬
schaft, die die Unternehmer vor¬
geben verhindern zu wollen?
Eine Diskussion über Forderun¬
gen in der verständnisvollen Art,
die der Bundeskanzler vor drei Mo¬
naten anerkannte, ist ewas anderes
als ihre brüske Ablehnung, wie sie
derzeit von den Unternehmern
praktiziert wird.
Man werfe uns nicht politische
Motive vor, wenn wir hier zu den
gegenüber den Arbeitern und An¬
gestellten und ihren Gewerkschaf-
' ten erhobenen Vorwürfen Stellung
nehmen. Auch die „Freiheit", das
Organ des österreichischen Ar¬
beiter- und Angestelltenbundes,
schreibt in ihrer Nummer vom
28. November 1953:
„Wenn Lohnforderungen ge¬
stellt wurden, so kamen sie nicht
von ungefähr, mögen sie nun
ausgelöst worden sein durch
Preissteigerungen in den vergan¬
genen Monaten und durch das
Bestreben, nun endlich auch den
Arbeitnehmern einen gerechteren
Anteil am Sozialprodukt zu
sichern. Gerade dieses Bestreben
wird noch sehr lange spürbar
sein müssen, denn das gegen¬
wärtige Lohnniveau ist noch kei¬
neswegs der Ausdruck dafür, daß
die Arbeitnehmer bereits ihren
gerechten Anteil am Erlös der
Arbeit haben. Man wird daher in
Kreisen der Bundeskammer nicht
für ewige Zeiten Lohnforderun¬
gen mit dem Hinweis auf die
,Stabilität" abweisen können."
Innenminister Helmer hat noch
auf der gleichen Feier dem Bundes¬
kanzler geantwortet, daß an den
Erfolgen unserer Wirtschaft die Ar¬
beiter und Angestellten ihren ge¬
bührenden großen Anteil haben. Es
wäre unrecht, wenn sie bei der
Aufteilung des Sozialproduktes
übersehen und ungerecht behandelt
würden. Das habe mit Begehrlich¬
keit nichts zu tun, wenn ein gerech¬
ter Lohnanteil gefordert wird. Die
Gewerkschaften sind schließlich da¬
zu da, die Interessen ihrer Mitglie¬
der zu vertreten, sie haben An¬
spruch darauf, mit ihren Wünschen
gehört zu werden.
Wir haben dieser Feststellung nur
hinzuzufügen, daß die Arbeiter und
Angestellten nach wie vor bestrebt
sind, die wirtschaftliche Stabilität
aufrechtzuerhalten. Es ist nur zu
wünschen, daß die Unternehmer
ihren Teil durch Preissenkungen
dort dazu beitragen, wo es die in¬
zwischen gesteigerte Produktivität
ermöglicht. Es kann aber doch nicht
ernstlich behauptet werden, daß die
im allgemeinen geringfügigen Lohn-
korrektuten, welche gefordert wur¬
den, das Preisniveau gefährden.
Der Staatshaushalt
Wie immer vor Beschlußfassung des Bundesbudgets gingen in den
vergangenen Wochen die Wogen der Steuer- und budgetpolitischen Diskus¬
sionen sehr hoch. Leider mußte aber immer wieder die Feststellung gemacht
werden, daß, je heftiger der Streit, um so geringer die Kenntnis gewisser
grundlegender Tatsachen unseres Staatshaushaltes war.
Will man sich über diese grundlegenden Tatsachen informieren, so ge¬
schieht dies am besten an Hand der Bundesrechnungsabschlüsse,
die über die tatsächliche Entwicklung des Staatshaushaltes in einem Jahr
Aufschluß geben. Aus den Budgets kann man ja nur entnehmen, was das
Parlament wollte, aber nicht, was wirklich geschehen ist. Denn die tatsäch¬
liche Entwicklung des Staatshaushaltes hängt von Ereignissen und Entwick¬
lungen ab, die der Nationalrat nicht vorhersehen kann, zum Beispiel vom
Umfang der Arbeitslosigkeit.
Die öffentlichen Ausgaben
Entsprechend der föderalistischen
Verfassung unseres Staates haben wir
es in Österreich mit drei Gruppen
von öffentlichen Ausgaben zu tun,
mit den Ausgaben des Bundes, der
Länder und der Gemeinden, wobei
die Ausgaben der Bundesbetrjebe, der
Eisenbahn und der Monopole dem
Bundesbudget zugerechnet werden.
Alle öffentlichen Ausgaben, ein¬
schließlich der Ausgaben der Sozial¬
versicherung, betragen ungefähr 40
Prozent des österreichischen Volks¬
einkommens. Nun wäre es völlig ab¬
wegig, daraus zu schließen, daß der
„Staat" der österreichischen Bevölke¬
rung 40 Prozent ihres Einkommens
wegnimmt und verschwendet.
In Wirklichkeit bedeutet dieser
Prozentsatz nur, daß 40 Prozent des
Volkseinkommens in irgend einer
Form von der öffentlichen Hand
eingenommen, umgelenkt, neu ver¬
teilt oder anders eingesetzt wer¬
den, als der einzelne es getan
hätte.
Das Bundesbudget selbst erreichte
im Jahre 1952 ein Ausgabenniveau
von 21.450 Millionen Schilling. Im
Jahre 1953 dürfte das Ausgaben¬
niveau ungefähr gleich hoch sein,
und auch im kommenden Jahr dürf¬
ten die Mehr- oder Minderausgaben
sich nur in engen Grenzen bewegen.
Von diesen 21.450 Millionen Schil¬
ling waren 1827 Millionen Schilling
ERP-Investitionen. Rechnungsmäßig
gesehen, handelt es sich hier um eine
sogenannte Durchlaufspost, das heißt,
der Bund erhielt von auswärts, also
der Auslandshilfsverwaltung, das
Geld und gab es nur weiter. Eine
weitere sehr große Post unseres
Bundeshaushaltes sind die Ausgaben
der Monopole, der Bundesbetriebe
und der Eisenbahn. Im Jahre 1952
betrugen sie 6939 Millionen Schilling,
die natürlich zum Großteil durch
eigene Einnahmen gedeckt waren.
Zieht man Investitionen und Aus¬
gaben der Monopole, Bundesbetriebe
und Eisenbahnen vom Gebarungs-
M0N0P0LE
BUNDESBETRUBE
EISENBAHNEN
Die eigentlichen Staatsausgaben, das
sind Verwaltung, Polizei, Gericht, Par¬
lament usw., betragen 30 Prozent der
gesamien Staatsausgaben.
nehmersteuern sind, war vor 1938
wesentlich geringer als gegenwärtig.
Während im vergangenen Jahr Ein¬
kommensteuer, Körpersclräftss teuer,
Vermögenssteuer, Gewcrbesteuef, die
Besatzungskostensteuer der Unter¬
nehmer und sonstige Steuern der
Selbständigen 4289 Millionen Schilling
oder 29,4 Prozent der Steuereinnah¬
men betrugen, waren es im Jahre 1936
nur 185,5 Millionen Schilling oder
17 Prozent der Gesamtsumme der
öffentlichen Abgaben des Bundes. Vor
1938 lag nämlich das Schwergewicht
der Bundeseinnahmen in einem viel
höheren Maße als gegenwärtig auf
den Verbrauchssteuern, den Zöllen
und der Umsatzsteuer.
erfolg ab, kommt man zu den eigent¬
lichen Staatsausgaben, zu den Aus¬
gaben der Hoheitsverwaltung. Diese
betrugen im Jahre 1952 12.684 Mil¬
lionen Schilling. Eine nähere Unter¬
suchung dieser eigentlichen Staats¬
ausgaben ergibt das verblüffende
Resultat,
daß ein ganz erstaunlich großer
Prozentsatz dieser eigenllichen
Staatsausgaben die Erfüllung von
Aufgaben ermöglicht, die die Ar¬
beiterbewegung immer und höchst
nachdrücklich vom Staat gefordert
hat.
Nicht weniger als 9260 Millionen
Schilling werden für folgende Zwecke
aufgewendet:
Mill. S
Pensionen'4).1147
Unterricht .1280
Soziale Verwaltung. 3322
Kassenverwaltung.1579
Bauten.809
Kinderbeihilfen.1123
9260
Subventionen und Beteiligungen
Unter dem Titel Kassenver¬
waltung verbergen sich sehr ver¬
schiedene Ausgaben. Kapitalbeteili¬
gungen des Bundes an verstaatlichten
Betrieben, Subventionen von Brot¬
getreide, Fettrohstoffen, Milch, ande¬
ren Lebensmitteln und schließlich 444
Millionen Schilling Subventionen von
Futtermitteln, die wohl vorwiegend
der Landwirtschaft zugute kommen,
aber letzten Endes doch Subventionen
aus öffentlichen Mitteln sind..
Selbst wenn man die Futtermittel-
? Subventionen aus jenem Betrag aus¬
scheidet, der das Budget unseres
Staates als Budget eines Wohlfahrts¬
staates charakterisiert, werden noch
immer nicht weniger als 69 Prozent
der eigentlichen Staatsausgaben für
soziale Zwecke ausgegeben.
Bei Betrachtung