Abänderung der Unterstützungsordnung
Von Josef Zak, Finanzreferent des ÖGB
Nachdem das Präsidium des österreichischen Gewerkschaftsbundes bereits
in seiner Sitzung am 23. Jänner 1954 beschlossen hatte, einige Bestimmungen
der Unterstützungsordnung abzuändern, hat der Bundesvorstand am 4. Februar
1954 diesen Beschluß bestätigt.
Die Unterstützungsordnung des österreichischen Gewerkschaftsbundes in
ihrer jetzigen Fassung hat nach den Beschlüssen ab 1. Februar 1954 Geltung.
Nachstehende Zahlen sollen zum
Ausdruck bringen, in welcher Höhe
Aufwendungen für Unterstützungs¬
leistungen erbracht wurden. Diese
Zahlen zeigen am deutlichsten die
Entwicklung der Unterstützungsein¬
richtungen des österreichischen Ge¬
werkschaftsbundes.
Bis Ende 1953 —
120 Millionen Schilling
Während im Jahre 1946 1,220.000 S
für Unterstützungen aufgewendet wut
den (bis zum 31. Dezember 1946
wurde nur die Notstandsunterstützung
für Alters- und Invaliditätsrentner
und die Unterstützung für Hinterblie¬
bene nach Mitgliedern der vier Ge¬
werkschaften der öffentlich Bedienste¬
ten ausgezahlt), erhöhten sich die
Unterstützungsieistungen durch das
provisorische Unterstützungsregulativ,
weiches am 1. Jänner 1947 in Geltung
trat, schon sehr beachtlich; sie er¬
reichten
im Jahre 1947 . . . . S 4,304.000
im Jahre 1948 . . . . S 10,203.000
im Jahre 1949 . . . . S 12.114.000
im Jahre 1950 . . . . S 22,100.000
Mit 1. April 1951 wurde die vom
Bundesvorstand in seiner Sitzung am
15. Februar 1951 beschlossene Unter¬
stützungsordnung des öster¬
reichischen Gewerkschaftsbundes wirk¬
sam, welche nun das provisorische
Unterstützungsregulativ ablöste. In
Anpassung an die Entwicklung, die
die gewerkschaftliche Bewegung in
Österreich nahm, erfolgte die Fest¬
legung einer Anzahl gewerkschaft¬
licher Unterstützungen, welche auch
schon vor 1934 beziehungsweise 1938
in den Gewerkschaften eingeführt
waren.
Darüber hinaus wurde aber be¬
sondere Sorgfalt den Bestimmungen
der Unterstützung für Alters- und
Invaliditätsrentner gewidmet. In der
Unterstützungsordnung, die, wie
schon erwähnt, im Jahre 1951 Gel¬
tung bekam, wurde dem Prinzip,
daß die Höhe der Unterstützung
nicht allein von der Dauer der
Mitgliedschaft, sondern auch von
der Höhe der entrichteten Voll¬
beiträge abhängig gemacht werden
soll, in ziemlich großem Ausmaß
enl sprechen.
In den Jahren 1951 und 1952 be¬
trugen die Ausgaben für Unterstützun¬
gen fast 44,500.000 Schilling. In den
ersten neun Monaten des Jahres 1953
(für das ganze Jahr liegen die Zahlen
noch nicht vor) wurden unsere Mit¬
glieder mit 23,700.000 Schilling unter¬
stützt. Wir gehen nicht fehl, wenn wir
annehmen, daß bis Ende 1953 sicher¬
lich insgesamt mehr als 120,000.000
Schilling für gewerkschaftliche Unter¬
stützungen auegegeben wurden.
Die neuen bzw. abgeänderten
Bestimmungen
Was sind nun die wichtigsten
Merkmale der neuen beziehungs¬
weise abgeänderten Bestimmungen in
der Unterstützungsordnung des öster¬
reichischen Gewerkschaftsbundes? Vor¬
erst soll festgehalten werden, daß es
hauptsächlich materielle Bestimmun¬
gen sind, die in einer nicht unbeacht¬
lichen Erhöhung mancher Unterstüt¬
zungen ihren Ausdruck finden. Dann
wird auch bei der bisher letzten
Unterstützungsart, nämlich der Hinter¬
bliebenenunterstützung, bei welcher
für die Unterstützungshöhe bisher
nur die Dauer der Mitgliedschaft
maßgebend war, nunmehr auch die
Höhe der geleisteten Mitglieclsheiträge
entscheidend sein. Außerdem wurden
einige wenige Bestimmungen grund¬
sätzlicher Art in die Unterstützungs-
Ordnung neu aufgenommen.
Im Abschnitt I
(Allgemeine Bestimmungen)
wurde der Punkt 2 abgeändert und
erhielt die Ergänzung, wonach wäh¬
rend der Zeit einer Nichtbeschäftigung
nur Anerkennungsbeiträge geleistet
werden können und daß etwa in
dieser Zeit entrichtete Vollbeiträge
für eine Anrechnung von Unlerstüt-
zungsleistungen außer Betracht blei¬
ben.
Im Abschnitt V
(Arbeitslosenunterstützung)
wurde der Punkt 11 geändert. Mit
dieser Änderung wird bestimmt, daß,
wie dies manchmal vorkommt, arbeits¬
los gewordene Alters- und Invalidi¬
tätsrentner, wenn sie auf die im Ab¬
schnitt VI der Unterstützungsordnung
vorgesehene Unterstützung für Alters¬
und Invaliditätsrentner Anspruch ha¬
ben, jetzt zuerst die gewerkschaftliche
Arbeitslosenunterstützung erhalten
sollen, um dann, wenn diese ausge¬
schöpft ist, die vorhin erwähnte
Unterstützung für Alters- und Inva¬
liditätsrentner zu beanspruchen.
Es ist eine Selbstverständlichkeit,
daß als Voraussetzung für die Inan¬
spruchnahme > der gewerkschaftlichen
Arbeitslosenunterstützung auch die
Alters- und Invaliditätsrentner alle
hiefür vorgesehenen Bedingungen er¬
füllen müssen. Die Änderung des
Punktes 11 soll verhindern, daß eine
untersdriediiehe Auslegung der Be¬
stimmungen über die gewerkschaft¬
liche Arbeitslosenunterstützung erfolgt.
Der bisherige Punkt 12 in diesem
Abschnitt ist damit gegenstandslos ge¬
worden und wurde gestrichen.
Im Abschnitt VI (Unterstützung
für Atters- und Invallditätsrentner)
wurden im Punkt 3 die Unterstüt¬
zungssätze der Gruppe A der Bezieher
dieser Unterstützung erhöht. Statt wie
bisher 25 beziehungsweise 40 und 50
Schilling wurden mit Wirksamkeit ab
1. Februar 1954 die Unterstützungs¬
sätze mit 30 beziehungsweise 50 und
65 Schilling festgesetzt.
Der Punkt 4,
welcher die Unterstützungssätze der
Gruppe B der Bezieher dieser Unter¬
stützung für Alters- und Invaliditäts¬
rentner enthält, erfährt eine Ände¬
rung dahingehend, daß zu den bis¬
herigen drei Untergruppen noch eine
vierte hinzugefügt wird. Für diese
neue. Untergruppe sind auch neue
Unterstützungssätze beschlossen wor¬
den. Die Schaffung dieser vierten
Untergruppe ist durch den Umstand
notwendig geworden, da es nunmehr
auch Mitgliedsbeiträge gibt, die einen
Jahresdurchschnittsbeitrag von über
312 Schilling erreichen. Die nach die¬
ser vierten Untergruppe zu unter¬
stützenden Kollegen sollen aber auch
den jetzt beschlossenen höchsten
Unterstützungssatz erhalten.
Im Abschnitt VII A
(Hinterbliebenenunterstützung)
war bisher der Grundsatz, daß neben
der Dauer der Mitgliedschaft auch die
Höhe der Beitragsleistung für die
Höhe der Unterstützung maßgebend
sein soll, außer acht gelassen worden.
Die Höhe der Kinterbliebenenunter-
stützung bewegte sich bisher, je nach
der Dauer der Mitgliedschaft, zwi¬
schen 75 und 150 Schilling.
Die geänderten Bestimmungen über
die Hinterbliebenenunterstüizung se¬
hen nunmehr auch vor, daß diese
Unterstützung nach dem Grundsatz,
wonach nicht nur die Mitgliedsdauer,
sondern auch die Beitragshöhe für die
Unterstützungshöhe maßgebend sein
soll, ausgezahlt wird. — In drei Grup¬
pen, und zwar
a) bis zu einem Jahresdurchschnitts¬
beitrag bis zu 208 Schilling,
b) bei einem Jahresdurchschnitts-
beitrag von über 208 bis 312 Schilling,
c) bei einem Jahresdurchschnitts¬
beitrag von über 312 Schilling
wird in Hinkunft, entsprechend der
Dauer der bezahlten Vollbeiträge, in
der ersten Gruppe eine Hinterblie¬
benenunterstützung von 75 bis 180
Schilling, in der zweiten Gruppe eine
Hinterbliebenenunterstützung von 105
bis 210 Schilling und in der dritten
Gruppe eine Hinterbliebenenunterstüt-
zung von 135 bis 240 Schilling zur
Auszahlung gelangen. Auch die im
Abschnitt VII B vorgesehene
Hinterbliebenenunterstützung
für Angehörige von verstorbenen
Mitgliedern der Gewerkschaften der
öffentlich Bediensteten, der Gemeinde-
bediensteten, der Eisenbahner und
der Post- und Telegraphenbedienste¬
ten wurde durch die Änderung der
Unterstützungsordnung in ihrer Höhe
neu bestimmt. Der bisherige Satz von
450 Schilling gilt jetzt als Mindest¬
unterstützung, und unter bestimmten
Voraussetzungen erhöht sich diese
Hinterbliebenenunterstützung bis auf
600 Schilling. — Eine Änderung im
Abschnitt VII C
der Unterstützungsordnung
legt fest, daß den Hinterbliebenen
von Mitgliedern, welche Bezieher der
im Abschnitt VI vorgesehenen Unter¬
stützung für Alters- und Invaliditäts-
fentner waren, eine Hinterbliebenen¬
unterstützung ausgezahlt wird. Die
Höhe dieser Hinterbliebenenunterstüt-
zung beträgt 180 Schilling, wenn der
Verstorbene mehr als 20 Jahre, und
210 Schilling, wenn der Verstorbene
mehr als 30 Jahre Mitglied war.
Die einleitenden Bemerkungen zu
dem nachfolgenden Text der jetzt
geltenden Unterstützungsordnung sol¬
len für unsere Kollegen ein Hinweis
auf die neuen Bestimmungen innerhalb
der Unterstützungsordnung sein. Ab¬
schließend kann bemerkt werden, daß
durch die Beschlußfassung über die
neuen Bestimmungen der Unterstüt¬
zungsordnung ein weiterer Schritt in
der Konsolidierung der organisatori¬
schen Grundlagen des österreichischen
Gewerkschaftsbundes gemacht wurde.
Der volle Wortlaut der Unter-
stiitzungsordnung wird in der Num¬
mer 87 der „Gewerkschaftlichen Rund¬
schau" veröffentlicht.
Falschgeld im Lohnsackeil
Die Vereinigung österreichischer
Industrieller verschickte vor einigen
Wochen an ihre Mitglieder ein Rund¬
schreiben, in welchem es unter an¬
derem heißt:
Aus Mitßliederkreisen kam die Anre¬
gung, die Firmen mögen bei der ersten
Lohn- (Gehalts-) Zahlung im Jänner 1954,
bei der die Steuersenkung einlritt, einen
Zettel ins Lohnsäckchen legen, in dem
die Ersparnis infolge der Steuerermäßi¬
gung des Karnitz-Programms ausgewie¬
sen wird. Der Zettel, der in die Lohn¬
säckchen zu stecken wäre, könnte etwa
wie folgt lauten:
Die Lohnsteuer hätte nach den alten
Sätzen S . . . betragen. Infolge der im
Rahmen des Karnitz-Programms durch¬
geführten Steuerermäßigung beträgt sie
nur mehr S . . ., so daß Sie um S . . .
beziehungsweise . . . Prozent mehr Lohn
(Gehalt) pro Woche (Monat) bekommen.
Wir freuen uns über die Erhöhung des
Reallolmes.
Diese Anregung konnte wohl nur in
der Annahme gegeben werden, daß die
Arbeiler und Angestellten auf der¬
artige Roßtäuschertricks hereinfallen.
Der Zettel mit einer solchen Feststel¬
lung nimmt sich im Lohnsackerl so
ähnlich aus wie Falschgeld. Jedenfalls
sind politische Falschmünzer hier am
Werk gewesen, die uns darüber hin¬
wegtäuschen wollen, daß „im Rahmen
des Karnitz-Programms" ursprünglich
ganz andere Pläne bestanden haben
und gewiß auch verwirklicht worden
wären, wenn der Gewerkschaftshund
nicht sofort energisch dagegen Stel¬
lung genommen hätte.
Wenn man also schon einen Zettel
ins Lohnsackerl legen will, so müßte
er etwa folgenden Wortlaut haben:
Die Ermäßigung der Lohnsteuer be¬
trägt S . . . Sie wäre bei Verwirkli¬
chung des ursprünglichen Entwurfes des
Finanzministeriums durch Beseitigung
fast aller bisherigen Steuerbegünstigun¬
gen für viele Lohnsteuei pflichtige prak¬
tisch gleich Null gewesen, ja in einzel¬
nen Fällen wäre die Lohnsteuer jetzt
höher als vorher. Daß dies nicht so ge¬
kommen ist und daß nicht nur den
Beziehern hoher Einkommen Steuer¬
geschenke gemacht wurden, während
auf der anderen Seite Arbeiter und
Angestellte leer ausgegangen wären, das
verdanken Sie der Gewerkschaitsorgani-
sation.
/9&m/RJECHT
Witwenrente
aus der Invalidenversicherung
Die Allgemeine Invalidenversicherungs-
anstalt lehnte den Antrag der C. D. auf
Gewährung einer Witwenrente nach
ihrem 1929 verstorbenen Ehemann mit der
Begründung ab, daß der Versicherungs¬
fall schon vor dem 1. Jänner 1939 ein-
getreten sei und daher ein Rentenanspruch
nicht bestehe. Das Schiedsgericht der So¬
zialversicherung für die Steiermark gab der
gegen diesen Bescheid eingebrachten Be¬
rufung Folge und sprach Frau C. D. eine
Witwenrente zu. Begründend wurde aus¬
geführt, daß bis zum 31. Juni 1949 der
Anspruch.auf Witwenrente an zwei Vor¬
aussetzungen geknüpft war: Den Tod des
Ehemannes und an die Invalidität oder
die Erreichung einer bestimmten Alters¬
grenze der Witwe.
Danach sei erst die Erfüllung der letz¬
ten Voraussetzung der Eintritt des Ver-
sicherungsfalles, im gegenständlichen
Fall die Erreichung des 60. Lebensjahres
der Witwe am 4. Jänner 1949. Daran
habe kein späteres Gesetz etwas ge¬
ändert.
Eine beim Verwaltungsgerichtshof bean¬
tragte Aufhebung dieses Erkenntnisses we¬
gen talscher Anwendung des Gesetzes
wurde abgewiesen. Der Verwaltungs¬
gerichtshof stellte die Gesetzmäßigkeit des
schiedsgerichtlichen Urteils fest.
Zumutbare Tätigkeit
Der Antrag der 59jährigen Versicherten
A. B., auf Gewährung einer Invaliden¬
rente, wurde von der Allgemeinen Inva-
lidenversicherungsanstalt mangels Invali¬
dität abgewiesen. Gegen diesen Bescheid
erhob die Rentenwerberin beim Schieds¬
gericht Berufung. Der ärztliche Sachver¬
ständige stellte fest, daß für die Renten¬
werberin leichte Arbeiten im Sitzen ohne,
im Gehen und Stehen aber nur mit Unter¬
brechungen zumutbar seien.
Auf Grund dieses Gutachtens gab das
Schiedsgericht der Berufung Folge und
sprach der Versicherten eine Invaliden¬
rente wegen dauernder Invalidität zu. In
der Begründung wurde ausgeführt, daß
die Rentenwerberin wohl noch in der
Lage sei, leichte Arbeiten im Sitzen ohne
wesentliche Arbeitspausen zu verrichten,
daß der ihr verbliebene Rest von Arbeits¬
fähigkeit auf dem Arbeitsmarkt jedoch nicht
mehr verwertbar sei und sie trotz der
festgeslellten theoretischen geringgradigen
Arbeitsfähigkeit praktisch nicht mehr in
der Lage sei, das ini Gesetz geforderte
Lohndrittel zu verdienen.
Ein Antrag, dieses Erkenntnis wegen
unrichtiger Anwendung des Gesetzes auf¬
zuheben, würde vom Verwaltungsgerichts¬
hof abgelehnt, er stellte d.'e Gesetzmäßig¬
keit des Erkenntnisses fest und schloß
sich damit der Meinung des Schieds¬
gerichtes an.
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