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Der IBFG zum 1. Mai
Zum 1. Mai 1954 hat der Internationale Bund freier Gewerk¬
schaften wieder einen Aufruf an die Arbeiter und Angestellten der
ganzen Welt erlassen, der sich nicht nur an seine 54 Millionen Mit¬
glieder in den dem IBFG angeschlossenen freien Gewerkschaften
richtet, sondern auch für jene Arbeitnehmer in den Ländern totali¬
tärer Diktatur sowie in abhängigen Ländern, die mit demokratischen
Mitteln nach nationaler Freiheit streben, gedacht ist.
Ihnen allen, den manuell und geistig Arbeitenden, den werktätigen
Frauen Und Jugendlichen, sendet der Internationale Bund freier
Gewerkschaften seine brüderlichen Grüße an diesem Tage der inter¬
nationalen Solidarität der Arbeiterschaft!
Am 1. Mai 1954 erneuert der IBFG vor den Arbeitern der Welt
feierlich sein Versprechen, sich weiterhin unermüdlich und ent¬
schlossen einzusetzen
für Broä
— für immer höheren Lebensstandard der arbeitenden Menschen in
aller Welt, für besondere Hilfe an die wirtschaftlich unterentwickel¬
ten Länder, gegen die wachsende Gefahr der Arbeitslosigkeit und
für gerechtere Anteilnahme aller Bevölkerungsschichten und Na¬
tionen an den Reichtümern und Erträgnissen der Erde,
für Frieden
— in Freiheit und Gerechtigkeit,
für Freiheit
— für die wirtschaftliche und politische Demokratie und gegen alle
Formen der Diktatur, für die Entwicklung demokratischer Selbst¬
verwaltung für alle Völker; für die volle und freie Ausübung gewerk¬
schaftlicher Rechte, nicht zuletzt für das Recht der Arbeiter auf die
Mitwirkung an der Planung und Durchführung der Wirtschaftspolitik.
Für alle diese sozialen und wirtschaftlichen Forderungen, die den
schaffenden Menschen in jedem Lande so sehr am Herzen liegen,
hat der IBFG mit seinen Mitgliedsorganisationen in 74 Ländern ge¬
kämpft und wird weiter für sie kämpfen.
Es lebe die freie und demokratische Gewerkschaftsbewegung aller
Länder!
Vorwärts mit dem IBFG für Brot, Frieden, Freiheit!
Wandgemälde im Treppenhaus des Gebäudes der Internationalen Arbeits¬
organisation in Genf: „Christus bei den Arbeitern"
Warum wird keine Lehre daraus gezogen?
praktischen Aufhören der offent--^^
liehen Bautätigkeit zusammenfallen
läßt.
Jeizt muß für den Winter vorgesorgt werden
Amerikanische Zoologen untersuch¬
ten vor einiger Zeit das Gedächtnis
der Schnecken und fanden heraus, daß
diese sicherlich nicht besonders ver¬
nunftbegabten Tiere in einem Laby¬
rinth den richtigen Weg zu finden
lernen, wenn sie auf den falschen
Wegen einige Male elektrisiert wer¬
den
Die österreichische Wirtschaft er¬
hält seit tünt Jahren jeden Winter
einen derartigen Schlag, merkt sich
aber nichts. Regelmäßig wiederholt
sich folgendes: Im Sommer und
Herbst erhebt der Gewerkschafts¬
bund eine mahnende Stimme und
macht alle zuständigen Kreise dar¬
auf aufmerksam, daß gegen die
Saisonarbeitslosigkeit Vorsorge zu
treffen sei. Da aber zu diesem
Zeitpunkt die Arbeitslosigkeit auf
einem Tiefpunkt sieht, lassen sidi
oftenbar die entscheidenden Per¬
sonen diese Mahnungen sehr rasch
durch den Kopf gehen, nämlich bei
einem Ohr hinein und beim an¬
deren gleich wieder heraus.
Die Winterarbeitslosigkeit steigt
dann im Jänner und Februar wie
vorhergesagt. Dann sind alle furcht¬
bar aufgeregt, man trifft Notma߬
nahmen, stellt Geldmittel zur Ver¬
fügung, die dann richtig auch im
März und April verwendet werden,
wenn der Winter schon zu Ende ist.
Im Frühling beginnt die Saisonarbeits¬
losigkeit zu sinken und schon ist der
harte Winter vergessen.
Daß inzwischen die Volkswirtschaft
die größten Schäden erlitten hat,
kann und darf nicht übersehen wer¬
den. Mehr als 100.000 Bauarbeiter
waren bisher jedes Jahr in der
Wintersaison arbeitslos und die Rück¬
wirkungen des weitgehenden Still¬
stands der Bautätigkeit haben auch in
der übrigen Wirtschaft Rückschläge
erzeugt.
Wie die Arbeitslosenstatistiken
der vergangenen Jahre zeigen, ruft
eine Arbeitslosigkeit von 100.000
Bauarbeitern in den Wirtschafts¬
zweigen, die mit der Bauwirtschait
in einer engen Verbindung stehen,
eine Arbeitslosigkeit von weiteren
30.000 Mann hervor und diese von
der Bauwirtschalt ausgehende Ar¬
beitslosigkeit hat natürlich auf die
gesamte Wirtschaft, auf die ge¬
samte Beschäftigungssituation die
ungünstigsten Auswirkungen.
Es kann so nachgewiesen werden,
daß mehr als die Hälfte der Winter-
arbeitslo-sigkeir ausschließlich eine
Wirkung des fast völligen Stillstandes
der BautafigkeifiSt.
Im Sommer aber weiß man nicht,
wie man die Bauaufträge nur rasch
genug erledigen soll. Da werden
Überstunden bis „Ende nie" gemacht,
es werden oft die Nächte durchgear¬
beitet, aus allen möglichen Berufen
werden Arbeitskräfte in die Bauwirt¬
schaft gezogen, die dann im Winter
das Heer der arbeitslosen Bauarbeiter
vergrößern. Die Ursache für diese
unerträgliche Entwicklung ist absolut
nicht das Klima oder irgend eine
andere unüberwindliche natürliche
Schranke. In Nordschweden, in Lulea,
schon nahe dem Polarkreis, wird den
ganzen Winter durch gebaut, bei 40
und mehr Grad unter Null. Bei uns
sind aber einige wenige minus Grade
schon eine gute Ausrede, um einer
kleinen Umorganisation und der Not¬
wendigkeit ein wenig Gehirnschmalz
einzusetzen, zu entgehen.
Es muß einmal deutlich gesagt
werden: die Winterarbeitslosigkeit
ist im wesentlichen ein organisato¬
risches Problem. Sie ist unter an¬
derem ein Problem der wirtschafts¬
fremden Laufzeit unseres Budget¬
jahres, das den Höhepunkt der
Winterarbeitslosigkeit mit dem
Es wird eine wichtige Aufgabe des
Nationairates und der Bürokratie sein,
dafür vorzuBorqen, daß die qesetz-
1 irbenTnrT ÖV'g^TsaioVfHm'11 i' ll' -
Setzungen für einen vernünltigen Ein¬
satz der Bauwirtschait geschaffen wer¬
den, damit die Bekämplun-g 7 der
Saisonarbeitslosigkeit endlich aus dem
Stadium der krampfhaften und ver¬
späteten Improvisationen heraus¬
kommt. H. K.
Antwort an Peter Lorfti»
Unter dem Titel „"Der Schutzengel
vom Industriellenverband" beschäf¬
tigte sich die „Solidarität" Nr. 213 mit
einem propagandistischen Unfug, den
ein Herr Peter Lorenz in einer
seiner täglichen Morgensendungen
mit den Arbeitslosen trieb. In der
Sendung vom 26. April suchte nun
Peter Lorenz sich zu rechtfmtkien.
indem er beteuerte, nur ehffe „gute
Tat" beabsichtigt zu haben.
Wir können ihm versichern, daß
wir gegen eine gute Tat nichts einzu-
wenden haben. Wenn man sie aber
auf die große Glocke hängt und damit
Tausende irreführt, denen er persön-
lidi, selbst bei bestem Willen, keine
Arbeit verschaffen kann, dann ist das
eben keine gute Tat!
Die Winterarbeitslosigkeit
schädigt alle 1
Immer mehr Bauarbeiter müssen
Winter feiern.
Der Stillstand der Bautätigkeit ruft
Rückschläge in der canzen Wirt¬
schaft hervor
Mehr als 200 000 Familien warten
auf eine Wohnung, weil wir uns den
Luxus leisten, die Bautätigkeit vier
Monate im Jahr stillzulegen.
B i ein r wenn auch b schränkten
B: utätigk it m Winter hätte man für
ein Dr ttel der Wo nu.-.gsuchenden
Wohnungen bauen können.
Seite 2 Nr. 215 SOLIDARITÄT
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