Die Schädlichkeit der Gewerkschaftsorganisation
Der nachstehende Artikel erschien
kürzlich in „The Sun", einer kana¬
dischen Zeitung mit großer Auilage
Wir nehmen an, daß unsere Leser
daran interessiert sind, was der Ver¬
fasser Barry Mather in seiner Analyse
der „Schäden der Gewerkschaftsorgani¬
tion" zu sagen hal-l
' Um wieviel besser würde es un»s
allen ohne Gewerkschaften gehen?
Ja, um wieviel? Ein zweifellos sehr
kluger und unterrichteter Mann riet in
einer Leserzuschrift an eine bekannte
kanadische Zeitung den Arbeitern
davon ab, sich gewerkschaftlich zu
organisieren. Er sagte: Arbeitnehmer,
die Gewerkschaften beitreten, ver¬
lieren ihre Freiheit als Individuen
und werden beherrscht und reglemen¬
tiert. Wie wahr ist das!
Bevor es Gewerkschaften gab, stand
es einem Mann frei, eine ehrliche
Tagesarbeit für einen ehrlichen Tages¬
lohn zu leisten. Er konnte auf seinen
eigenen Füßen stehen und mit dem
Arbeitgeber verhandeln. Es konnte
mit ihm nach Belieben umgesprungen
werden. Niemand machte ihm darüber
Vorschriften.
Die Gewerkschaften schafften hier
Wandel. Heutzulage ist nicht ein¬
mal der Nichtorganisierte ganz frei
von den Schäden der Gewerk-
schaitsorganisation. Da die gewerk¬
schaftlich Organisierten gezwungen
werden, Lohnerhöhungen zu akzep¬
tieren, wurden auch viele Nicht¬
organisierte so weit eingeschüchtert,
daß auch sie die Erhöhungen an-
nehmen mußten.
Ich spreche aus trauriger persön¬
licher Erfahrung. Ich habe ein-st als
mißleiteter junger Mann geholfen,
eine Gewerkschaft zu organisieren.
Meine Hoffnungen auf eine größere
Individualität waren hoch. Man kann
sich meine Zerknirschung vorstellen,
als ich sah, was einem die Gewerk¬
schaften wirklich zufügen.
Die gute alte Sechs-Tage-Woche, die
wir Arbeitnehmer so gut kannten
und liebten, wurde einfach zu Fall
gebracht. An ihrer Stelle wurde uns
die Fünf-Tage-Woche aufgezwungen.
Anstatt nach Belieben 70 Stunden
in sechs Tagen zu arbeiten, schrieb
man uns vor, nur mehr 40 Stunden
in fünf Tagen zu arbeiten. Und von
dem Moment an, als uns die Gewerk¬
schaft beherrschte, hatten wir einen
höheren Lohn anzunehmen!
Wie uns die Gewerkschaft ausbeu¬
tet, zeigt am besten die Tatsache,
daß für jede monatliche Gehalts¬
erhöhung von 20 Dollar, welche uns
die Gewerkschaft aufzwang, wir auch
etwa 1 Dollar im Monat an Mitglieds¬
beiträgen bezahlen mußten.
Aber auch das Schicksal der Frauen
der Gewerkschaftsmitglieder ist ein
äußerst trauriges. Anstatt sich, wie
in frohen Zeiten, mit langen Arbeits¬
stunden, bescheidener Entlohnung und
persönlicher Unsicherheit begnügen
zu dürfen, haben nun die Gewerk¬
schaften die Mitglieder gezwungen,
mit ihren Familien einen höheren
Lebensstandard anzunehmen.
Was der Gewerkschafter wissen muß
Der Betriebsrat muß auch im Fall des
.Kündigungsausschlusses* verständigt
werden
Der Oberste Gerichtshof hat in
einer Entscheidung (4 Ob 216/53) fest-
gesteilt, daß es sich bei einer Auf¬
lösung des Dienstverhältnisses im
Falle eines vereinbarten sogenannten
„Kündigungsausschlusses" um eine
Kündigung handelt, von der der
Betriebsrat verständigt werden muß.
Beim Kündigungsausschiuß handelt
es sich darum, daß ohne Einhaltung
einer Kündigungsfrist und ohne An¬
gabe von Gründen das Arbeitsver¬
hältnis jederzeit durch einen der
beiden Vertragsteile gekündigt wer¬
den kann.
Der Oberste Gerichtshof stellte
nun fest, daß es sich bei Kündi¬
gungsausschluß nicht um eine Ent¬
lassung handle, da Entlassungen
nur unter Angabe von wichtigen
Gründen statthait sind.
Er stellte weiter fest, es müsse
kein unbedingtes Merkmal einer
Kündigung sein, daß diese mit einer
Kündigungsfrist verbunden ist, da die
Kündigungsfrist sowohl Monate wie
Wochen als auch Minuten betragen,
oder auch den Grenzwert Null er¬
reichen kann.
Während also bei Entlassungen
die Angabe von Gründen erforder¬
lich ist, kann bei Kündigungsaus¬
schluß eine soiortige Auflösung
des Arbeitsverhältnisses ohne An¬
gabe von Gründen erfolgen.
Da es sich ' jedoch um eine Kündi¬
gung handelt, hat gemäß § 25 des
Betriebsrätegesetzes der Betriebsrat
vorher zeitgerecht verständigt zu wer¬
den, da ansonsten die Kündigung
reditsunwirksam wäre.
Ö6B lehnt iweifelhofte Prcduktivilüts-
untersuchungen ab
Das Europäische Produktivitätsamt,
das sich mit produktivitätsfördernden
Maßnahmen in den Betrieben der
europäischen Länder befaßt, stellt
derzeit in ausgewählten Betrieben
von fünf europäischen Ländern Unter¬
suchungen darüber an, wie die inner¬
betrieblichen Beziehungen verbessert
werden könnten. Solche Untersuchun¬
gen sollen nur in Betrieben durch¬
geführt werden, „in denen bereits
Produktivitätsaktionen mit Beteili¬
gung des Personals am Mehrertrag
im Gange sind". Der für Österreich
bestellte Berichterstatter hat nun
solche Betriebe ausgewählt, in denen
solche Aktionen gar nicht laufen oder
beabsichtigt sind.
Der österreichische Gewerk¬
schaftsbund ist der Meinung, daß
es nicht Aufgabe des Europäischen
Produklivitätsamtes ist, unter dem
Deckmantel gar nicht gegebener
Sachverhalte Aktionen in österrei¬
chischen Betrieben zu starten, die
zugunsten bestimmter Interessenten¬
gruppen ausgenützt werden könn¬
ten.
Auch die Europäische Regional¬
organisation des Internationalen Bun¬
des freier Gewerkschaften hat die
Durchführung solcher „Untersuchun¬
gen" bereits abgelehnt.
Ein Ansporn
Am 31. März 1954 hielt die Landes-
gruppe Tirol des österreichischen
Wirtschaftsbundes eine Tagung ab.
Der Wirtschaftsbund ist bekanntlich
eine Unternehmerorganisation, und es
istdaher nicht uninteressant, was auf
einer solchen Tagung alles bespro¬
chen wird.
Da hat beispielsweise der Landes¬
sekretär des Wirtschaftsbundes die
Notwendigkeit einer besseren Schu¬
lung für die Wirtschaftstreibenden
mit sehr bemerkenswerten Feststel¬
lungen zu bekräftigen versucht. Er
sagte wörtlich:
„Die Funktionäre der gewerblichen
Wirtschaft werden aus eigener Erfah¬
rung wissen, wie schwer es ist, bei den
immer wieder stattfindenden Verhand¬
lungen mit den Gewerkschaftsgruppen
erfolgreich bestehen zu können. Die auf
der Gegenseite auftretenden Verhand¬
lungspartner sind durch den Gewerk¬
schallsbund oder die Arbeiterkammer
bestens geschult und verfügen über ein
umfangreiches Wissen.
Nicht umsonst weiden von der Ge¬
werkschaftsseite laufend Wochenkurse
veranstaltet, bei denen die Betriebsräte
beziehungsweise Betriebsvertrauens-
männer eingehend in alten gewerk¬
schaftlichen und sozialen Fragen ge¬
schult weiden.
Die Arbeitgeberseite wird wohl nicht
umhin können, ähnliche Einrichtungen
zu schaffen. Schon seit längerer Zeit
belaßt sich die Landesleitung des öster¬
reichischen Wii tschaftsbundes mit dem
Gedanken, Inforniationstagungen abzu¬
halten, bei denen wirtschaftspolitische
und Fachreferate gehalten werden sol¬
len, um alle Funktionäre mit dem not¬
wendigen Wissen auszustatten. In an¬
deren Bundesländern ist dies schon
erfolgreich angelaufen '?
Wir nehmen dieses Lob gerne zur
Kenntnis, wissen aber nur zu gut,
daß wir nun keineswegs in unseren
Anstrengungen erlahmen dürfen. Im
Gegenteil, wir müssen das geistige
Rüstzeug unserer Funktionäre und
Mitglieder noch weiterhin verbessern.
Daß man unsere bisherigen Erfolge
lobt, soll uns ein Ansporn sein, wei¬
tere Erfolge zu ermöglichen!
Vergessen ist nichtimmerein Verschulden
Eine Renten Versicherungsanstalt wies
1950 den Antrag des J. G. auf Gewäh¬
rung einer Invalidenrente mangels Er¬
füllung der Wartezeit ab.
Im Jahre 1951 brachte^ der .Renten^
werber eine Wiederaufnahmeklage nach
den Best.mmungen der Zivilprozeßord-
nunß (§ 530 Z. 7) ein, die er damit be¬
gründete, daß er sich infolge seines
schlechten Gesundheitszustandes erst jetzt
daian erinnere, auch zwischen 1927 und
1938 beschäftigt gewesen zu sein. %
Vor dem Schiedsgericht stellte der
Sachverständige fest, daß beim Be¬
rufungswerber senile Demenz und durch
sein Alter (Geburtsjahrgang 1868) be¬
dingte Gedächtnisstörungen zu kon¬
statieren seien. Es sei daher glaubhaft,
daß der Berufungswerber länger zurück¬
liegende Ereignisse vergessen könne-
Sowohl das Schiedsgericht wie auch
der Verwaltungsgerichtshof (Erkennt¬
nis vom 15. April 1953, Zahl P
194 51) gaben in diesem Teil dem Be-
rufungswerber recht. Nach der Entschei¬
dung des Verwaltungsgerichtshofes ist
in jedem Einzelfall zu beurteilen, ob das
Vergessen einer für den Prozeß wichtigen
Tatsache seitens einer Partei ein Wieder¬
aufnahmegrund sein kann. So kann vor
allem in besonderen Fällen, zum Beispiel
im Zeitpunkt einer zeitweiligen Er¬
krankung, das Vergessen einer Partei
nicht als deren Verschulden ausgelegt
werden.
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Zusammentreffen von Feiertag u. Urlaub
Da heuer der 1. Mai auf einen Sams¬
tag gefallen ist, wird häufig die Frage
gestellt, wie sich das Zusammen¬
treffen von Urlaub und einem Feier¬
tag in 5-Tage-Wochen-Betrieben aus¬
wirkt. Es sei deshalb auf eine Ent¬
scheidung des Landesgei achtes für
Zivilrechtssachen in Wien vom 21. De¬
zember 1953 verwiesen, in der fest¬
gestellt wurde,
daß auch in 5-Tage-Wochen-Betrie-
ben der Urlaub um so viele Tage
verlängert wird, als Feiertage in
den Urlaub fallen, gleichgültig, ob
die Feiertage auf betriebliche Ar¬
beitstage oder arbeitsfreie Wochen¬
tage fallen.
Gleichzeitig wurde festgestellt, daß
für. diese Tage eine gesonderte Ent¬
lohnung gebührt. Wir machen darauf
aufmerksam, daß diese Entscheidung
als bestätigende Beruiungsentschei-
dung zu einem Urteil des Arbeits¬
gerichtes Wien vom 27. Oktober 1953,
9 Cr 345/53-3, ergangen ist. Im ähn¬
lichen Sinn, jedoch bezüglich eines
Angestellten, entschied das Arbeits¬
gericht Wien am 13. Oktober 1953.
6 Cr 413/53, und wurde ebenfalls
durch die Berufungsinstanz am 14. De¬
zember 1953, 44 Cg 326/53, bestätigt.
Verspätete Ausfolgung der Arbeits¬
bescheinigung
Das ArbeitsverhdUnis eines c.i
einer Baustelle beschäftigten Arbeit¬
nehmers wurde beendet. Die gemäß
§ 41, Abs. 3 ALVG vom Arbeitgebc .
auszuslellende Arbeitsbescheinigung
wurde dem Gekündigten nicht zeit-
gerecht ausge.'oigl und ais der Ar¬
beitnehmer sich beim. Arbeitsamt zur
Vermittlung au! einen anderen Ar¬
beitsplatz meldete, wurde er trotz
seiner Arbeitswilligkeit nicht ver¬
mittelt, da die Arbeitsbescheinigung
nicht vorgelegt werden konnte. Der
Arbeitnehmer erhielt erst nach einigen
Tagen die Arbeitsbescheinigung aüs-
geiolgt und klagte den Arbeitgeber
auf Ersatz des. Schadens, den er durch
die verspätete Ausstellung der Ar¬
beitsbescheinigung erlitt.
Das Arbeitsgericht Wien sprach mit
Entscheidung vom 27. Jänner 1954
(2 Cr 542/53) dem Arbeitnehmer den
Schadenersatz in der Höhe des Kol-
lektivvertragslohnes für die ver¬
säumten Arbeitstage zu.
SOLIDARITÄT Nr. 215 Seite 7