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40.000 Schulentlassene finden keine Beschäftigung
Nach den Ermittlungen des Sozialniinisteräums sind
heuer bei Schulschluß aus den Haupt-, Volks-, Hilfs-
und Sonderscliulen rund 134.000 Jugendliche der
Schulpflicht entwachsen. Davon werden erfahrungs¬
gemäß rund 70 Prozent eine Lehr- oder Arbeitsstelle
suchen. Hinzu kommen einige tausend die Schule ver¬
lassende Maturanten und mehr als 15.000 Jugendliche,
die 1953 die Schule verließen und noch keinen Lrhr-
oder Arbeitsplatz gefunden haben. Diese jungen Men¬
schen brauchen dringend Arbeitsplätze; Regierung und
Wirtschail müssen Zusammenwirken, um die Lösung
des Jungendproblems selbst durch einschneidende
Maßnahmen herbeizuführen, ehe es zu spät ist. Kost¬
bare Zeit ist bereits ungenützt verstrichen.
Wirksame Vorschläge
Bundesminister für soziale Verwal¬
tung, Karl Maisei, legte kürzlich
einem Arbeitsausschuß, der sich mit
der Bekämpfung der Jugendarbeits¬
losigkeit befaßt und dem Vertreter
der Kammern und der Arbeitnehmer-
’ und Arbeitgeberorganisationen ange¬
hören, zehn Vorschläge vor und er¬
suchte, diese in drei Arbeitskreisen
ausführlich zu besprechen und die
Ergebnisse der Beratungen dem Mi¬
nisterium zu übermitteln, damit dieses
geeignete Schritte unternehmen
könne, um die Berufsnot der Jugend
zu lindern. In den Vorschlägen des
1 Sozialministeriums sind jene' Forde¬
rungen zusammengefaßt, die von ver-
sdiicdencn Organisationen und Kör¬
perschaften erhoben wurden. Der
Arbeitsausschuß hat dringend empfoh¬
len, unter anderen besonders folgende
Vorschläge ehestens zu verwirklichen:
1. soll das 9. Schuljahr eingeführt
werden; zumindest aber sollen die
einjährigen Lehrkurse (freiwilliger
Weiterbesuch der Schule) mehr als
bisher gefördert werden;
unterzubringen. Von den 132.500
Schulabgängern im Vorjahr haben
G3 Prozent, das sind 03.500, eine
Lehr- oder Arbeitsstelle angestrebt;
bis Ende März 1954 waren 69.000
untergebracht worden, 14.500 warten
noch auf die Vermittlung. Die Schul¬
abgänger 1954 werden aber die Plätze,
die das Jügendeinstellungsgesetz in
seiner gegenwärtigen Fassung zusätz¬
lich geschaffen hat, bereits durch den
Jahrgang 1953 besetzt finden. Ein
großer Teil von ihnen steht daher vor
dem Schicksal, arbeitslos zu sein, ehe
sie noch überhaupt gearbeitet haben.
Besonders schlimm ist die Situation
für die Mädchen, Nach der Volkszäh¬
lung vom Jahre 1951 sind 49 Prozent
aller Jugendlichen weiblichen Ge¬
schlechts, aber der Anteil der Mäd¬
chen an den Lehrlingen beträgt nur 23
Prozent, von 100 beschäftigten Burschen
standen 00 Prozent in einem Lehrver¬
hältnis, von 100 beschäftigten Mäd¬
chen nur 47 Prozent. Für weibliche
Jugendliche müßten daher die sozia¬
len Frauenberufe wie: Krankenpflege,
Fürsorge, Kindergärtnerin, Säuglings-
In den siebzehn
Nachschulungs¬
werkstätten und in
den zahlreichen
Beruf sweiterbil-
dungskursen des
ÖGB haben allein
im vergangenen
Jahr 36.000 Kolle¬
ginnen und Kolle¬
gen ihr Berufs-
können erweitert
Schwester usw. durch Stipendien all¬
gemeiner zugänglich gemacht werden.
Wenn nun auch das Jugendeinslol¬
lungsgesetz, das am 31. Dezember 1954
abläuft, nicht alle Voraussetzungen
erfüllen konnte, so hat es doch eine
Besonders schwer hat es die weib¬
liche Jugend im Berufsleben. Tüchtige
Fachkräfte haben mehr Aussicht auf
einen Posten. Auch hier hilft der Ge¬
werkschaftsbund mit Nachschulungs¬
kursen.
fühlbare Erleichterung gebracht, es
müßte daher jedenfalls verlängert
und verbessert werden. Die vielen
Ausnahmsbestimmungen, die in man¬
chen Berufen die Zahl der Einzustel¬
lenden wesentlich beeinträchtigen,
wären einer Revision zu unterziehen,
und insbesondere müßte die Bestim¬
mung verschärft werden, die. es den
Betrieben gestattet, gegen Zahlung
einer Ablöse sich der Einstellungs-
pfiieht zu entziehen.
Lehrwerkstätten sind notwendig
Darüber hinaus wird es notwendig
sein, die vom Gewerkschaftsbund
und den Arbeiterkammern in Voraus¬
sicht der Entwicklung wiederholt ge¬
forderte Errichtung von Lehrwerk¬
stätten durch öffentliche und private
Hier kommt es auf zehntel Millimeter
an. Ein Lehrling in der Lehrwerk¬
stätte des OGB iür Metallarbeiter.
Stellen in Angriff zu nehmen. Es wäre j
aiKh denkbar, in Lehrwerkstätten den
Jugendlichen lediglich eine breite
Grundausbildung zu geben, denn sol¬
cherart vorgeschulte Jugendliche wer¬
den erfahrungsgemäß von den Be¬
trieben gerne eingestellt.
Und nun ein ernstes Wort an die Pri¬
vatwirtschaft, die dem Problem dec^
Lehrlingsbeschäftigung oit recht oii7^'~
stirnig gegenübersteht: Der Lehrling
von heute ist der Facharbeiter von
morgen. In den kommenden Jahren
wird sich die Zahl der Schulentlasse¬
nen wesentlich verringern. Das
Problem der Jugendbeschäftigun«
wird sich daher grundlegend ändern,
und aus dem Überfluß wird ein die
gesamte österreichische Wirtschaitund
Industrie schädigender Mangel ent¬
stehen. — Denn ohne Nachwuchs an
tüchtigen Fachkräften geraten wir duf~"c
den Weltmärkten mit unserer Produk¬
tion gegenüber anderen Ländern men¬
gen- und wertmäßig ins Hintertreffen.
Das Problem der Jugendbeschäfti-
gung hat aber neben seiner Wirtschaft-
Bedeutung. Die- jugendlichen Staats¬
bürger, die von Staat, Wirtschaft und
Gesellschaft bei ihrem ersten Versuch,
sich ihnen einzugliedern, enttäuscht
und im Stich gelassen werden, ver¬
lieren die Achtung und Schätzung für
die demokratischen Institutionen. Sie
werden in ihrer Hoffnungslosigkeit
für Ideengänge empfänglich, die eine
Gefahr für den Bestand der demofc*»-
tischen Einrichtungen bedeuten. Schon
einmal hat die Massenarbeitslosigkeit
der Jugend, die Ausweglosigkeit ihres
Berufsschicksals, Zehntausende totali¬
tären Gedankengängen zugänglich ge¬
macht und dem Nationalsozialismus
den Weg zur Macht geebnet.
2. soll an die Betriebe des Handels,
der gewerblichen Wirtschaft und an
die Industrie der Appell gerichtet wer¬
den, die Absolventen der einjährigen
Lehrkurse bevorzugt einzustellen:
3. sollen Vorlehrkurse in Lehrwerk¬
stätten und Berufsschulen durchge¬
führt werden; die verbrachte Zeit
müßte in solchen Kursen auf die Lehr¬
zeit angerechnet werden;
4. soll die landwirtschaftliche Lehre
mehr als bisher gefördert und ver¬
wirklicht werden (es gab 1953 nur
einige hundert Lehrstellen);
5. soll die Halbtagsbeschäftigung,
zumindest für Mädchen, eingeführt
werden (ein Arbeitsplatz, awei Mäd¬
chen),
Dos jügendeinstellungsgesetz
Der wesentlichste, bisher aber ein¬
zige Beitrag der Gesetzgebung zur
Unterbringung der Jugendlichen, war
das Jugendeinstellungsgesetz. Es ist
aber nicht gelungen, mit Hilfe dieses
Gesetzes den Jahrgang 1953 restlos
Eigentümer. Herausgeber und Verleger: öster¬
reichischer Gewerkschaftshund. Redaktion:
Friiz Klenner und Franz Nekula. Verantwort¬
licher Redakteur: Karl Franta. Für die Bild¬
beilage verantwortlich: Fritz Konir. Gestaltung
der Bildbeilage: August Makart. Alle Wien,.
1., Hohenstaufengasse 10—-12. Druck: Wald-
heiin-Eberle, Wien, VII.^ Seidengasse 3—11.
tfe"-
Ohne Beschäftigung nimmt der Tag kein Ende. Die
Langeweile wird durch Kartenspiel vertrieben, und das
Kartenspiel wird sehr bald zur Leidenschaft. Junge
Menschen, die, kaum der Schule entwachsen, schon
arbeitslos sind, finden nur schwer in ein geordnetes
Berufsleben zurück. Zu den zwei Bildern: Arbeitslose
Jugendliche bei der Donau.
Seite 4 Nr. 220 SOLIDARITÄT